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Die Antidiskriminierungsbeauftragte unterstützt uns alle

In einem persönlichen Gespräch an der Freien Universität Berlin gab Ferda Ataman Studierenden einen Einblick in ihren beruflichen Werdegang und ihre Arbeit als Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung

25.10.2023

Die Absolventin des Otto-Suhr-Instituts Ferda Ataman führte auf Einladung des OSI-Clubs ein persönliches Gespräch mit Studierenden der Politkwissenschaft..

Die Absolventin des Otto-Suhr-Instituts Ferda Ataman führte auf Einladung des OSI-Clubs ein persönliches Gespräch mit Studierenden der Politkwissenschaft..
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Als die letzten Studierenden zu spät in den Seminarraum gehetzt kommen, erinnert sich Ferda Ataman an ihre eigene Studierendenzeit: „c.t. ist ein Lebensstil!“. Auch jetzt noch halte sie sich viel zu oft an das sogenannte akademische Viertel. In der vergangenen Woche veranstaltete der OSI-Club ein Gespräch mit der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung und Studierenden der Freien Universität Berlin – im kleinen Kreis und sehr persönlich. Ferda Ataman, Absolventin des Otto-Suhr-Instituts, beantwortete ausführlich die Fragen der Studierenden aus den Fachrichtungen Journalismus, Recht und Politik. Sie erzählte von ihrem eigenen Studium und ihrem Weg in die Politik – ein Weg, der von Zufällen geprägt war. Ihr Leben hätte auch ganz anders verlaufen können, versicherte Ferda Ataman den Studierenden. Für sie sei nur eines klar gewesen: „Ich wollte immer am OSI studieren.“

„Der Gestaltungsspielraum in der Verwaltung ist groß“

Nach ihrem Politikstudium arbeitete sie als Redenschreiberin für den damaligen NRW-Integrationsminister Armin Laschet. Während ihrer Beschäftigung dort habe sie viel gelernt, versicherte sie ihren Zuhörer*innen, auch, dass man in großen Institutionen viel verändern könne. Der Gestaltungsspielraum in der Verwaltung und im Öffentlichen Dienst sei groß, antwortete sie auf eine Frage einer Studentin, die selbst mit dem Gedanken spielt, in diese Richtung zu gehen. „Erst als ich Antidiskriminierungsbeauftragte wurde, habe ich die politischen Prozesse richtig verstanden“, sagte Ataman.

Seit Juli 2022 ist Ferda Ataman Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, sie ist parteilos und unabhängig von der Bundesregierung. Diesen Punkt betonte sie ausdrücklich, denn im Falle von Diskriminierung wollten sich Betroffene oftmals nicht an staatliche Einrichtungen wenden. Im Rahmen ihres Amtes führt sie wissenschaftliche Untersuchungen durch und legt die Ergebnisse der Bundesregierung vor. Dies könne dann der erste Aufschlag für neue Gesetze sein.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde aufgrund einer Richtlinie der Europäischen Union eingeführt, die besagt, dass jedes Mitgliedsland ein „National Equality Body“ einführen und ein „Equal Treatment Act“ erarbeiten muss. In Deutschland trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – kurz AGG – 2006 in Kraft. Darin wurden auch die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und des*r Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung geregelt. Ataman kritisierte die Unterschiede in der Sprache und diskutierte mit den Studierenden, warum in Deutschland meist über Antidiskriminierung und nicht über Gleichstellung gesprochen werde. Gleichstellung würde oft nur Sexismus bekämpfen, denn Gleichstellungsämter setzten sich für die Gleichbehandlung von Frauen und Männer in der Gesellschaft ein.

Nach einem regen Austausch über die Frage, was denn Diskriminierung sei, gab Ataman die Antwort: „Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung“. Deutschland habe sich erst gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Amt der Antidiskriminierungsbeauftragten gesträubt – mit dem Argument, das Grundgesetz regele das Verhältnis zwischen Bürger*innen und Staat schon. Dennoch wurde das AGG eingeführt und die Akzeptanz für die Rolle der Antidiskriminierungsbeauftragten sei seither gestiegen.

Nicht Identitätspolitik, sondern ein Angebot für alle Menschen

Das Gesetz soll vor Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Dienstleistungen und Gütern schützen, bezieht sich also auf zivilgesellschaftliche Verträge. Bürger*innen können vor Gericht ziehen, wenn sie individuell oder institutionell diskriminiert wurden. Staatliches Handeln werde in dem Gesetz jedoch nicht erwähnt, erklärte Ataman den Studierenden.

Ihre Arbeit in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes umfasst drei Bereiche: Beratung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit. Ataman berät mit ihrem Team Menschen, die Diskriminierung erfahren haben – aufgrund von Alter, Behinderung, chronischen Krankheiten, Geschlecht, sexueller Identität, Religion, Weltanschauung, ethnischer Herkunft, Rassismus oder Antisemitismus. Letztes Jahr verzeichnete die Antidiskriminierungsstelle einen Rekord an Beratungsanfragen. Zusätzlich steige die Dramatik der Diskriminierungen, betonte Atama. In der Gesellschaft verfestige sich das Gefühl, dass menschenfeindliche Einstellungen demokratisch akzeptiert seien. Daher sei es um so wichtiger, dass Bürger*innen ihr Amt verstehen. „Jede Person kann irgendwann selbst diskriminiert werden“, gab sie zu bedenken. Ihre Arbeit sei nicht Teil einer Identitätspolitik, sondern ein Angebot für alle Menschen in Deutschland, denn schließlich könne jede*r einmal krank werden oder eine pflegebedürftige Person zu versorgen haben.

Obwohl ihr die gesellschaftliche Entwicklung Sorgen macht, führt Ferda Ataman ihre Arbeit entschlossen weiter. Gerade bereitet sie eine Reformierung des AGG vor: Sie möchte es um Aspekte wie sozialen Status, Sprache und Staatsangehörigkeit erweitern und Konsequenzen für den Fall einführen, dass das Gesetz nicht eingehalten wird. Außerdem soll es besser möglich werden, vor Gericht zu klagen. Zurzeit lohne sich eine Klage kaum, so Ataman, weil der Aufwand hoch und Erfolgsaussichten gering seien. Das Schadensersatzgeld reiche oft kaum aus, um die Anwaltskosten zu decken.

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