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Gemeinsamer Weg mit allen Beschäftigten und Kolleg*innen

Vizepräsidentin und Kanzlerin der Freien Universität erläutern Ergebnisse einer Umfrage zu flexiblem Arbeiten

03.11.2023

Die meisten Befragten stehen einer Flexibilisierung des Arbeitsalltags positiv gegenüber, was die Zeit angeht, aber auch den Ort.

Die meisten Befragten stehen einer Flexibilisierung des Arbeitsalltags positiv gegenüber, was die Zeit angeht, aber auch den Ort.
Bildquelle: Unsplash

Wie flexibel möchten Sie in Zukunft arbeiten? Das wollte die Universitätsleitung in einer Online-Umfrage im Juni und Juli von ihren Beschäftigten wissen. Die Ergebnisse der Befragung wurden bei einer digitalen Informationsveranstaltung am 12. Oktober 2023 vorgestellt. Ausgewertet wurden die Rückmeldungen von 2.091 Personen; zu der Informationsveranstaltung zugeschaltet hatten sich rund 450 Beschäftigte, die nach der Präsentation direkt und im Chat Fragen stellen konnten. Beantwortet wurden sie von Professorin Verena Blechinger-Talcott, Erste Vizepräsidentin, und Kanzlerin Andrea Güttner, sowie Florian Primig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, der die Umfrage aufgesetzt und durchgeführt hat.

Im campus.leben-Interview unterstreichen Verena Blechinger-Talcott und Andrea Güttner das Verständnis, flexibles Arbeiten gemeinsam zu gestalten. Ziel sei es auch, über die Flexibilisierung von Arbeit eine zeitgemäße Führungs- und Arbeitskultur an der Universität zu entwickeln. Das sei auch vor dem Hintergrund notwendig, Beschäftigte an der Freien Universität zu halten und neue Fachkräfte gewinnen zu können.

Frau Professorin Blechinger-Talcott, Frau Güttner, haben Sie die Ergebnisse der Umfrage überrascht?

Verena Blechinger-Talcott: Insgesamt decken sich die Antworten und die große Zustimmung zu flexiblem Arbeiten mit den Eindrücken von Kolleg*innen und den Wünschen, die schon vorher an uns herangetragen wurden. Überrascht hat uns tatsächlich, wie viele Mitarbeiter*innen über einen Arbeitgeberwechsel nachdenken würden, wenn keine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglicht würde.

Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Andrea Güttner: Wir haben es aktuell mit einer Arbeitnehmer*innengeneration zu tun, die Arbeit, Familie und Freizeit in einem anderen Verhältnis zueinander sehen wollen. Zudem ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir uns in der Pandemie erarbeiten konnten, eine Rückkehr zum Arbeiten in 100 Prozent Präsenz nicht denkbar, da ein Großteil der Arbeitnehmer*innen den persönlichen Mehrwert des Arbeitens von zu Hause aus wahrnehmen. Die Freie Universität muss einen Rahmen entwickeln, der diesen Wünschen und Bedarfen entspricht; wir müssen beweglicher und attraktiver auch als Arbeitgeberin werden.

Durch die Möglichkeit, mobil und zeitlich flexibel zu arbeiten, lassen sich Arbeit und Privates leichter miteinander verbinden. Die meisten Kolleg*innen sehen darin große Vorteile: Die Arbeitszeit unterbrechen zu können, etwa um sich um Kinder, die Pflege von Angehörigen oder die eigene Gesundheit kümmern zu können, erleichtert die Organisation ihres Alltags, führt zu weniger Stress und mehr Zufriedenheit.

Wir nehmen aber auch die Ängste und Bedenken derjenigen ernst, die Sorge haben, durch flexibles und vermehrt digitales Arbeiten den Kontakt zu ihren Kolleg*innen zu verlieren oder nicht gesehen zu werden. Auch Sorgen rund um das Thema Raum und eigene Bürosituation haben wir im Blick. An der Freien Universität Berlin werden wir selbstverständlich auch weiterhin Büroarbeitsplätze zur Verfügung stellen – so wie Sie es bisher gewohnt sind.

Dennoch müssen wir über den Arbeitsplatz der Zukunft nachdenken, dies beinhaltet über einzelne Piloten neuere Formen der Arbeitsplatzgestaltung zu erproben, multifunktionale Räume zu entwickeln und die Bedarfe der einzelnen Beschäftigtengruppen zu erfassen.

Kurze Zusammenfassung der Umfrageergebnisse:

Die meisten Befragten stehen einer Flexibilisierung des Arbeitsalltags positiv gegenüber, was die Zeit angeht, aber auch den Ort. Besonders ausgeprägt ist die Vorstellung, dass sich dadurch die Work-Life-Balance verbessern würde: Das geben 92,3 Prozent der Befragten an. Auch persönliche Interessen und Weiterbildungen wären aus Sicht der Befragten leichter mit dem Berufsalltag vereinbar (88,1 Prozent). Knapp 90 Prozent der Befragten befürworten flexible Arbeitszeiten explizit – tatsächlich sind sie an der Freien Universität im Arbeitsbereich von 85 Prozent der Befragten schon gelebte Realität.

Was den Arbeitsort angeht, nutzen 80,2 Prozent der Befragten die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, mobil bzw. Telearbeit zu machen; 80,2 Prozent geben an, dass ihre Vorgesetzten die Arbeit im Homeoffice unterstützen. Viele Befragte würden die Möglichkeit des flexiblen Arbeitsortes gerne ausbauen auf drei Tage pro Woche – im Vergleich zur derzeitigen geduldeten Vereinbarung von zwei Tagen.

Der elektronischen Arbeitszeiterfassung stehen viele Beschäftigte kritisch gegenüber.

Für immerhin 63,2 Prozent der Befragten wäre es ein Grund, sich nach einer anderen Arbeitgeberin umzusehen, wenn die Freie Universität Berlin keine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichte. Flexibilität ist also auch eine Arbeitgebermarke.


Werden die Ergebnisse aus der Umfrage in die DV Flex einfließen? Diese neue Dienstvereinbarung soll ja die seit 2004 geltende DV GLAZ ablösen. Wann ist da mit einem Ergebnis zu rechnen?

Andrea Güttner: Wir stehen bereits seit Langen dazu mit dem Gesamtpersonalrat in Verhandlungen und hoffen, bald in weitere Abstimmungen gehen zu können. Wir haben uns gefreut, auf der Informationsveranstaltung am 12. Oktober von Mitgliedern des Gesamtpersonalrats zu hören, dass sie mit der Universitätsleitung gemeinsam an Lösungen arbeiten wollen. Wir versuchen uns sehr schnell dafür mit dem GPR an einen Tisch zu setzen.

Die Entwicklung einer neuen Dienstvereinbarung ist ein Prozess; die Ergebnisse der Umfrage zeichnen deshalb ein wichtiges Stimmungsbild, das uns für die weitere Arbeit sehr hilft. Aber nicht alles, was sich die Kolleg*innen in der Umfrage gewünscht haben, wird sich eins zu eins umsetzen lassen. Bei manchen Themen sind wir an gesetzliche und tarifliche Rahmenbedingungen gebunden, andere Themen müssen von verschiedenen Perspektiven beleuchtet diskutiert werden wie beispielsweise Bedarfe der Führungskräfte versus Bedarfe der Mitarbeiter*innen; und natürlich muss alles in Abstimmung mit den Personalvertretungen vereinbart werden.

Die Umfrage hat gezeigt, dass das Thema elektronische Zeiterfassung insbesondere für viele Wissenschaftler*innen ein schwieriger Punkt ist – für viele scheint dies nicht mit wissenschaftlicher Arbeit vereinbar. Gleichzeitig wünschen sich die Beschäftigten insgesamt eine bessere Sichtbarkeit von Überstunden – wie kann es hier weitergehen?

Andrea Güttner: Die Freie Universität Berlin ist gesetzlich verpflichtet, bei tariflich Beschäftigten eine Arbeitszeiterfassung umzusetzen. Der Mehrwert wird deutlich spürbar sein auch jenseits der besseren Sichtbarkeit etwa von Überstunden. Wir werden über ein Zeiterfassungssystem diskutieren, dass den Anforderungen auch an eine moderne Abgeltung beispielsweise von Zuschlägen entspricht und damit unsere Kolleg*innen in der Personalabteilung entlastet. Es ist zu überlegen, ob weitere Funktionalitäten wie die Dienstplanerstellung sinnvoll damit verbunden werden kann. Wir haben hierfür eine Arbeitsgruppe im Frühjahr dieses Jahres unter Einbezug des Personalrats gegründet, um Rahmensetzungen eines solchen Systems zu diskutieren und dem Präsidium vorzustellen. Die Antworten der Kolleg*innen haben uns aber viele Hinweise gegeben, die uns bei der Ausgestaltung helfen werden und uns ebenfalls gezeigt, dass wir diesen nun anstehenden Prozess auch in die Universität kommunizieren müssen.

Warum wurde in der Umfrage nicht zum Thema Betriebsurlaub während der Feiertage und Jahreswechsel gefragt? Das beschäftigt im Moment viele Kolleg*innen auch in punkto Energiebilanz.

Andrea Güttner: In Absprache mit dem Gesamtpersonalrat wurden diese Fragen herausgenommen, weil dieser dazu eine eigene Umfrage für dieses Jahr geplant hat. Wir freuen uns auf die Gespräche mit dem GPR hierzu und sehen aber auch zeitnah einer Umfrage entgegen, um dieses Thema einvernehmlich zu regeln.

Welche weiteren Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen der vorliegenden Umfrage?

Verena Blechinger-Talcott: Die Veränderungen, die gewünscht und zum Teil ja schon im Arbeitsalltag gelebt werden, gehen weit über das hinaus, was in einer Dienstvereinbarung festgelegt wird. Sie haben Auswirkungen auf unsere Führungs- und Arbeitskultur. Hier braucht es einen Wandel – einen Wandel, den die Universitätsleitung im Interesse unserer Beschäftigten und zu gewinnender neuer Mitarbeiter*innen mit großer Überzeugung unterstützt. Manches wird anfangs ruckeln, so ist das bei Veränderungen, aber es wird klappen. Wichtig ist, gemeinsam ins Gespräch zu kommen.

Wir haben durch die Umfrage viele Antworten dazu erhalten, was sich die Kolleg*innen wünschen, mit diesen Antworten arbeiten wir in der Arbeitsgruppe weiter. Geplant sind außerdem Weiterbildungen zum Thema Führung auf Distanz. Im November starten wir dazu einen Prozess mit Führungskräften.

In zwei Jahren soll es eine Evaluierung des flexiblen Arbeitens geben: Wie haben sich die Veränderungen beim flexiblen Arbeiten bewährt, wie kommen die Kolleg*innen damit zurecht? Transparenz und Orientierung ist der beste Weg, eine Universität zu führen – das ist meine Überzeugung. Ich freue mich darauf, den Weg gemeinsam mit allen Beschäftigten und Kolleg*innen zu gehen.

Andrea Güttner: Wir wissen, dass es viele offene Fragen gibt, die noch zu klären sind. Aber diese Mühe wird sich lohnen, denn letztendlich stellen wir nun die Weichen, wie wir miteinander in Zukunft arbeiten wollen. Damit müssen wir jetzt anfangen, um gemeinsam etwas zu verändern. Und nicht immer wird alles sofort perfekt sein, aber wir werden in die Verfahren genügend Möglichkeiten einbauen, zum Beispiel über Meilensteinentwicklungen, sodass wir Systeme und Maßnahmen anpassen können auf die Bedarfe der Beschäftigten. Das erfordert Mut, aber wir können an der Stelle nur die Kolleg*innen bitten mitzumachen. Und letztendlich macht es Spaß, etwas gemeinsam zu entwickeln, finden Sie nicht?

Die Fragen stellte Christine Boldt.