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Afrika: Kontinent der Zukunft

Forschende und Studierende der Freien Universität diskutierten mit Ahunna Eziakonwa und Melanie Hauenstein vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP

02.02.2024

Ahunna Eziakonwa wurde 2018 zur stellvertretenden Administratorin des UNDP und Direktorin des Regionalbüros für Afrika ernannt. Im Rahmen eines Deutschland-Besuchs stellte sie ihr Programm an der Freien Universität vor.

Ahunna Eziakonwa wurde 2018 zur stellvertretenden Administratorin des UNDP und Direktorin des Regionalbüros für Afrika ernannt. Im Rahmen eines Deutschland-Besuchs stellte sie ihr Programm an der Freien Universität vor.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Sie trotzten dem Bahnstreik und dem Sturmtief „Jitka“: Am frühen Abend des 24. Januar füllten Studierende, Forschende und Alumni der Freien Universität den Hörsaal A des Henry-Ford-Baus. Sie warteten auf Ahunna Eziakonwa, beigeordnete UN-Generalsekretärin und Leiterin des Afrikabüros des United Nations Development Programme (UNDP) und ihren Vortrag „The Future of Development: Which Way for Africa?”.

„Afrikanische Länder träumen groß“

Das UNDP unterstützt Partnerländer dabei, Fortschritte im Sinne der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Seit 2018 leitet Eziakonwa das UNDP-Regionalbüro für Afrika. Mit einem Team von mehr als 4.000 Mitarbeitenden und einem jährlichen Budget von rund 1,2 Milliarden US-Dollar ist sie in 46 Ländern aktiv. „Afrikanische Länder träumen groß“, betonte sie. Doch Träume erfüllen sich nicht von selbst: Afrika müsse seine Mentalität ändern, um sein Potenzial auszuschöpfen, brauche mehr Selbstbewusstsein und Weitsicht. Eziakonwa forderte auch, dass die Welt Afrika nicht mehr „als Müllhalde“ betrachtet. Sie kritisierte, dass Entwicklungshilfe die internationalen Beziehungen dominiert, obwohl die Wirtschaft in vielen afrikanischen Ländern schneller wächst als in Europa.

Mit Programmen für Jugendliche und junger Erwachsene möchte Ahunna Eziakonwa (Mitte) eine Talentexplosion auslösen. Sie selbst lernte in ihrer Schulzeit noch bei Kerzenlicht.

Mit Programmen für Jugendliche und junger Erwachsene möchte Ahunna Eziakonwa (Mitte) eine Talentexplosion auslösen. Sie selbst lernte in ihrer Schulzeit noch bei Kerzenlicht.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Eziakonwa sieht Afrika als Kontinent der Zukunft: Eine wachsende, junge, digital affine Bevölkerung, unendliche Kapazitäten für grüne Energie, mehr als die Hälfte des weltweit noch nicht bewirtschafteten Ackerlandes und große Reserven an gefragten Bodenschätzen machen Afrika reich. Sie ist überzeugt, dass der Kontinent sich selbst ernähren, ausreichend Energie produzieren und seine Entwicklung durch Bewirtschaftung eigener Ressourcen finanzieren kann.

Doch es gibt Herausforderungen. Die Abhängigkeit von Entwicklungshilfe ist zwar rückläufig, aber immer noch hoch. Die Produktivität ist zu niedrig und die regionale Integration zu schwach. „Der innerafrikanische Handel macht weniger als 20 Prozent des Gesamthandels aus. Es ist oft billiger, mit Ländern außerhalb des Kontinents Handel zu treiben als mit denen innerhalb Afrikas“, sagte Eziakonwa.

Agenda 2063: Masterplan für die Transformation

Melanie Hauenstein ist seit 2024 Direktorin des UNDP Representation Office in Deutschland.

Melanie Hauenstein ist seit 2024 Direktorin des UNDP Representation Office in Deutschland.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die COVID-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben das Wachstum gebremst und die Ernährungsunsicherheit gefährdet. Auch die UN-Klimakonferenz in Dubai brachte gemischte Ergebnisse für Afrika: Es gab Zusagen für hohe Summen zur Bewältigung von Klimafolgen, aber das Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Energien war enttäuschend.

Die Afrikanische Union hat den Masterplan für die Transformation des Kontinents zu einem globalen Kraftzentrum entworfen: die Agenda 2063. Sie konzentriert sich auf soziale und wirtschaftliche Entwicklung, regionale Integration, demokratische Regierungsführung sowie Frieden und Sicherheit. Ihr Ziel ist es, Afrika als führenden Akteur auf der globalen Bühne zu etablieren.

Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales der Freien Universität Berlin, moderierte die anschließende Diskussion.

Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales der Freien Universität Berlin, moderierte die anschließende Diskussion.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Das UNDP unterstützt diese Agenda. Viele Maßnahmen richten sich an engagierte Jugendliche und junge Erwachsene. Programme wie YouthConnekt Africa und Timbuktoo fördern und finanzieren Start-ups. Eziakonwa möchte mit solchen Programmen eine Talentexplosion auslösen.

In ihrer Schulzeit in Nigeria lernte sie bei Kerzenlicht, obwohl in der Nähe große Mengen Öl gefördert wurden. Mit ihrer Arbeit beim UNDP möchte sie nun Menschen befähigen, von ihren Regierungen mehr Verantwortung und Ehrlichkeit zu fordern. Sie setzt sich dafür ein, dass große wie kleine Akteure fairen Zugang zu Kapital und Krediten für Investitionen erhalten, damit sie selbst handlungsfähig werden. Ihre Vision wurde mit Applaus aufgenommen.

Bei der anschließenden Diskussion, moderiert von Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales der Freien Universität Berlin, ging es auch darum, wie UNDP die afrikanischen Länder bei dieser Transformation unterstützt. „Wir arbeiten mit Regierungen ebenso wie mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen, mit Industrieunternehmen ebenso wie mit Frauen auf dem Land“, betonte Melanie Hauenstein, seit einigen Wochen als Direktorin des UNDP-Deutschlandbüros im Amt.

Als neutraler Partner leiste das United Nations Development Programme Starthilfe und lege Fundamente für eine langfristige, eigenständige Entwicklung. So habe UNDP etwa bei der Gründung der heute größten afrikanischen Fluggesellschaft Ethiopian Airlines und der afrikanischen Export-Import-Bank Afreximbank geholfen. Wichtig sei, dass alle Projekte die Handlungsfähigkeit der lokalen Akteure stärken: „Co-create“, gemeinsam gestalten, laute die Devise.

UNDP hört zu, um die Gründe zu verstehen

Aber wie arbeitet man mit Regierungen zusammen, die nicht demokratisch legitimiert sind, mit schwierigen Regierungen, wollte Herbert Grieshop wissen. „Alle Regierungen sind schwierig“, antwortete Eziakonwa und erntete Sympathie aus dem Publikum. Auch in Ländern mit nicht demokratisch legitimierten Regimen müsse UNDP als neutraler Partner vor Ort bleiben und diese begleiten, bis sie zu einer demokratischen Ordnung zurückkehren. „Nachdem in Mali, Burkina Faso und Niger das Militär geputscht hat, sind wir dorthin gegangen, haben zugehört und versucht, die Hintergründe zu verstehen.“ Allein das Zuhören öffne Türen zu Gesprächen, betonte die Direktorin. Das sei zwar ein heikler Tanz, doch nur so gebe es eine Chance auf Erneuerung der Demokratie.

Von Universitäten in Europa wünschte sich Melanie Hauenstein gemeinsame Forschung für praktische Lösungen. „Und schicken Sie uns gern Ihre Studierenden für ein Praktikum“, lädt sie ein.

Der Vortrag fand im Rahmen eines Deutschlandbesuchs statt, den Ahunna Eziakonwa auch nutzen wollte, um Kontakte zu Hochschulen aufzubauen.

Der Vortrag fand im Rahmen eines Deutschlandbesuchs statt, den Ahunna Eziakonwa auch nutzen wollte, um Kontakte zu Hochschulen aufzubauen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Aus dem Publikum kam die Frage, wie UNDP das wachsende Interesse der BRICS-Staaten Russland, China, Indien, Brasilien und Südafrika an Afrikas Entwicklung beurteile – flirte ihre Organisation etwa mit diesen neuen Spielern am Tisch? „ Als Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, haben wir ein Interesse am Austausch “, gab Eziakonwa zu. Sie beobachte aufmerksam, wie Länder des globalen Südens sich emanzipieren und ihre Stärken ausspielen.

Diskutiert wurde außerdem über den Abbau von Hürden, die strenge Reisebeschränkungen zwischen afrikanischen Ländern verursachen, über neue Abhängigkeiten von ausländischen Investoren, korrupte Machteliten und darüber, wie geflüchtete Studierende in Lagern ihre akademische Ausbildung fortsetzen könnten.

Wohlstand nachhaltig und gerecht verteilen

UNDP könne keiner Regierung Vorschriften machen, betonte Eziakonwa abschließend, sondern nur Optionen aufzeigen. Einem rohstoffreichen Land wie Nigeria könne sie nur vorschlagen, den resultierenden Wohlstand nachhaltig und gerecht zu verteilen – etwa am Beispiel Norwegens. Entscheidungen träfen die Verantwortlichen jedoch selbst. Damit diese Entscheidungen demokratisch legitimiert sind, unterstützt UNDP die Organisation und Durchführung von Wahlen. „Manche laufen gut, manche nicht so gut“, räumte Eziakonwa ein. Aber bei jeder Wahl werde etwas gelernt. Die Frage nach einer starken Zivilgesellschaft und der Erneuerung der Demokratie stelle sich schließlich nicht nur in Afrika.

Weitere Informationen

Der Vortrag fand im Rahmen eines Deutschlandbesuchs statt, bei dem sich Ahunna Eziakonwa unter anderem zu Gesprächen mit der Leitungsebene aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sowie dem Auswärtigen Amt getroffen hatte.

Ahunna Eziakonwa wurde 2018 von UN-Generalsekretär Antonio Guterres zur stellvertretenden Administratorin des UNDP und Direktorin des Regionalbüros für Afrika ernannt. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf Gleichberechtigung, Inklusion und der Neugestaltung von Narrativen über Afrika. Zudem will sie mit der Vision „Africa’s Promise: The UNDP Renewed Strategic Offer in Africa" einen Chancenansatz für die Entwicklung in Afrika umsetzen.

Ahunna Eziakonwa hat bereits mehrere innovative Initiativen wie die „Africa Influencers for Development“ (AI4D), die „Africa Young Women Leaders Initiative“ und das „Africa Innovates Magazine“ ins Leben gerufen. Zudem leitete sie das UNDP-Programm zur Stabilisierung Afrikas nach der COVID-19-Pandemie. Sie ist auch Co-Vorsitzende der UN Africa Regional Collaborative Platform.

Melanie Hauenstein ist seit 2024 Direktorin des UNDP Representation Office in Deutschland. Zuvor war sie in zahlreichen leitenden Funktionen innerhalb von UNDP tätig, zuletzt als Resident Representative im Libanon. Davor arbeitete sie als Regionalberaterin im New Yorker UNDP-Büro für arabische Staaten mit besonderem Augenmerk auf den Jemen, Sudan, Somalia, Dschibuti, Libyen und den Maghreb-Staaten. Zuvor wirkte sie viele Jahre in zahlreichen UN-Friedens- und Stabilisierungsmissionen mit, insbesondere im afrikanischen Raum.