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Die Nacht, die Wissen schafft

KI-Crashkurs, Science Slam, Bio-Rallye oder Podiumsdiskussion mit Polit-Prominenz – das war die Lange Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität Berlin

26.06.2024

Was brennt mit grüner Flamme? Wenn die Chemielehrerin später fragt, wissen Freizeitlaborantinnen, die bei der Langen Nacht in Dahlem waren, schon Bescheid.

Was brennt mit grüner Flamme? Wenn die Chemielehrerin später fragt, wissen Freizeitlaborantinnen, die bei der Langen Nacht in Dahlem waren, schon Bescheid.
Bildquelle: Michael Fahrig

Mehr als 200 Veranstaltungen in 12 Gebäuden der Freien Universität – für die mehr als 6500 großen und kleinen Gäste der Langen Nacht der Wissenschaften auf dem Campus in Dahlem und Steglitz gab es wieder viel zu entdecken und zu lernen.

Zur Auswahl standen zum Beispiel spannende und leicht verständliche Vorträge über Quantenmechanik und die Macht der Sprache in der Politik, Mitmachlabore für Kinder (und natürlich auch für erwachsene Laborratten), Schnellkurse in chinesischer Kalligraphie und Tanz-Workshops. Kulinarisches zur nächtlichen Stärkung durfte nicht fehlen, ebenso wenig wie der ein oder andere Drink zum Anstoßen auf dem bunt illuminierten Campus. Sicher ist: Alle gingen in dieser Nacht (zumindest ein bisschen) klüger nach Hause.

Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra erhielt bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität spannende Einblicke in die Pharmazie und die Physik: etwa in den „Tatort Biolabor“ und die Anti-Doping-Forschung.

Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra erhielt bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität spannende Einblicke in die Pharmazie und die Physik: etwa in den „Tatort Biolabor“ und die Anti-Doping-Forschung.
Bildquelle: Privat

Was schmeckt besser: Algen-Smoothie oder Insekten-Cookie? Beide nachhaltigen Proteinquellen konnten am Institut für Biologie probiert werden.

Was schmeckt besser: Algen-Smoothie oder Insekten-Cookie? Beide nachhaltigen Proteinquellen konnten am Institut für Biologie probiert werden.
Bildquelle: Michael Fahrig

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach mit der Journalistin Katharina Hamberger über die Ergebnisse der Europawahl, moderiert von Wahlforscher Professor Thorsten Faas und der promovierten Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach mit der Journalistin Katharina Hamberger über die Ergebnisse der Europawahl, moderiert von Wahlforscher Professor Thorsten Faas und der promovierten Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Rechtsruck, TikTok und die Bedeutung junger Wähler*innen – eine Bilanz nach der Europawahl

Interessante Einblicke in den Politikbetrieb bot eine Podiumsdiskussion mit zwei namhaften Gästen aus dem Bundestag und den Redaktionsräumen des Deutschlandfunks: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach mit der Journalistin Katharina Hamberger über die Ergebnisse der Europawahl, insbesondere das Wahlverhalten junger Menschen, über den Einfluss der Videoplattform TikTok und den Erfolg rechtspopulistischer Parteien.

Moderiert wurde das Gespräch von Wahl-Forscher Professor Thorsten Faas und der promovierten Politologin Julia Reuschenbach. „Es gab einfach überhaupt kein europapolitisches Thema“, bilanzierte Kevin Kühnert. „Die Europawahlen wurden von vielen Wählerinnen und Wählern als nationale Nebenwahl betrachtet.“

Der Autor Christoph Heubner verarbeitet in seinen Büchern Geschichten und Erzählungen von Shoa-Überlebenden.

Der Autor Christoph Heubner verarbeitet in seinen Büchern Geschichten und Erzählungen von Shoa-Überlebenden.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Der Klarinettist Nur Ben Shalom begleitete den Autor Christoph Heubner musikalisch.

Der Klarinettist Nur Ben Shalom begleitete den Autor Christoph Heubner musikalisch.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

„Wir dürfen niemals vergessen“

Eindringlich und bewegend berichtete Christoph Heubner über seine vielen Begegnungen mit Überlebenden der Shoah. Der Schriftsteller ist Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. Die Geschichten und Erzählungen der Überlebenden verarbeitet er literarisch in seinen Büchern, aus denen er während der Langen Nacht vorlas.

Nach der Lesung kam der Autor mit dem Publikum ins Gespräch: An Auschwitz zu erinnern, sei heute nötiger denn je. Die Geschichte und Geschichten der Zeitzeug*innen müssten weitererzählt werden. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung vom Klarinettisten Nur Ben Shalom, der „Lebensmelodien“ spielte – Musik, die von einem jüdischen Überlebenden des KZ Dachau überliefert wurde. Dessen Freund Shmuel Blasz, der Komponist der Stücke, war in Auschwitz gestorben.

Echte Honigbienen konnte man in einem Schaukasten beobachten.

Echte Honigbienen konnte man in einem Schaukasten beobachten.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher 

Hier summt und brummt es

„Bienen sind unsere wichtigsten Partner bzw. Partnerinnen, weil sie durch ihre Bestäubungsleistung die Ernährung der Menschheit sichern.“ Das betonte Stefanie Ludewig immer wieder. Die Mitarbeiterin am Institut für Veterinär-Biochemie hat einen ganz besonderen Beruf: Sie ist die universitätseigene Imkermeisterin.

Besucher*innen konnten an dem Stand mehr über die fleißigen Insekten und Imkerei erfahren. Sie konnten echte Honigbienen in einem Schaukasten beobachten, summende Papierbienen basteln und auch Honig von Dahlemer Völkern kaufen – ein honigsüßes Vergnügen, auch für viele Kinder.

Nur Schall und Rauch?

Dass gesprochene Sprache ein unterhaltsames Forschungsobjekt sein kann, stellten Wissenschaftler*innen im Theaterhof der Freien Universität unter Beweis. In Kurzvorträgen, Performances und Mitmachaktionen ergründeten Forschende aus der Filmwissenschaft, der Linguistik, der Geschichts- und Literaturwissenschaft sowie den Digital Humanities in einem Parforceritt durch die Menschheitsgeschichte die Bedeutung von Mündlichkeit.

Was etwas abstrakt klingt, war tatsächlich ein lehrreicher Spaß. Es ging zum Beispiel um Fremdsprachenlernen im 17. Jahrhundert, Zeitzeugeninterviews, Expert*innensprache zur Klimakrise und den Klang von Lyrik. 

Wie smart ist Künstliche Intelligenz?

Wie sollen wir mit KI umgehen? Diese große Frage stellt sich immer drängender. Nicht nur IT-Fachleute müssen darauf Antworten finden, sondern auch Lehrer*innen und Eltern. ChatGPT etwa ist längst im Alltag angekommen, auch in Kinderzimmern, Schulen und Hochschulen. Aber wie funktionieren eigentlich KI-Programme?

In einem Vortrag während der Langen Nacht konnten Besucher*innen die grundlegenden Mechanismen Künstlicher Intelligenz kennenlernen: So könnten zum Beispiel individualisierte Programme für Schüler*innen das Pauken im Physik-Unterricht regelrecht revolutionieren – durch interaktive, sich selbst an die Leistung der Schüler*innen anpassende Lern-Materialien. Aber noch gibt es jede Menge technische Hürden für Künstliche Intelligenz. Und nicht zuletzt dürfen auch nicht die vielen Risiken dieser Technologie vergessen werden, wie das Publikum während des Vortrags erfuhr. Wissen, das künftig noch sehr wichtig werden könnte.

Ein Stadtplan der Erinnerungen

Sie ist eine jahrhundertealte Kulturstadt, ein Erbe der Menschheitsgeschichte – die irakische Metropole Mossul. Erbaut wurde sie in der Nähe der antiken Ruinen von Ninive, Hauptstadt des alten Assyrer-Reiches. Weltweit bekannt wurde Mossul aber durch seine Vernichtung: Der sogenannte Islamische Staat hinterließ nach seiner Niederlage ein Trümmerfeld. Das Stadtbild im historischen Zentrum wurde zwischen 2014 und 2017 fast vollständig zerstört.

Arabistik-Professorin Isabel Toral hat die verwüstete Stadt mehrfach besucht. Zusammen mit irakischen Studierenden entwarf sie eine interaktive Karte von Mossul, auf der die zerstörten Gebäude, Plätze und Parks als Erinnerungsorte verzeichnet sind. Ziel ist es, die Stadt so zumindest in der Erinnerung wiederaufzubauen und Trost zu spenden. Der beeindruckende Film und Fotoaufnahmen des Projekts wurden auf der Langen Nacht gezeigt. „Gerade jetzt erleben wir wieder die Zerstörung von Städten, sei es in der Ukraine oder im Nahen Osten“, sagte Isabel Toral. „Und auch wir Deutschen haben Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau erlebt – das verbindet uns mit den Menschen in Mossul.“

Vom Molekülen und Mikroben

Mit Kittel, Schutzbrille, Pinsel und Pipette tauchten Kinder und Erwachsene am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie tief in die Naturwissenschaften ein. Angeleitet von angehenden Apotheker*innen wurden Zäpfchen geformt, Salben gerührt und Arzneitees gemischt.

Wie neue Wirkstoffe und Medikamente entstehen, erklärten Studierende und Promovierende der Arbeitsgruppe von Professor Daniel Lauster, in der an einem innovativen antiviralen Nasenspray geforscht wird. Wie viele Viren der Wirkstoff erwischt, hängt auch davon ab, wie gut der Zerstäuber das Spray in der Nase verteilt – das konnten die Besucher*innen selbst testen und erkennen.

Jahr der Biodiversität

Das Institut für Biologie in der Königin-Luise-Straße bot viele Aktionen zum Jahresthema der Freien Universität an: Biodiversität. So wurden etwa die Unterschiede zwischen Berg-, Spitz- und Feldahorn schnell deutlich, wenn man deren gepresste Blätter liebevoll in ein Herbarium eingeklebt und beschriftet hatte. Aber auch moderne Forschungsmethoden wie Mikroskopie, Laborexperimente, DNA-Analyse, Planspiele und Computersimulationen konnten kleine und große Besucher*innen selbst ausprobieren. Als Belohnung für absolvierte Stationen der Bio-Rallye gab es im Gewächshaus gezogene Pflanzen.

Virtuell durch den Chemie-Kosmos

Eine VR-Reise durch das Periodensystem der Elemente bot der Chemiker Günther Thiele mit seiner Arbeitsgruppe an. Virtual Reality nutzt er normalerweise in seinen Seminaren, damit Studierende die hochkomplexen Strukturen von Atomen besser begreifen. Zur Langen Nacht konnten sich auch Laien per VR-Brille an Bord des virtuellen Raumschiffs begeben und den Teilchen-Kosmos erkunden. Nebenan im Schüler*innen-Labor NatLab wurde Wissenschaft dann wieder klebrig, schleimig, bunt und leicht entflammbar: An vielen Tischen und Stationen wurde mit Hingabe experimentiert.

Gute Nacht, lange Nacht! Wir sehen uns wieder im nächsten Jahr.

Gute Nacht, lange Nacht! Wir sehen uns wieder im nächsten Jahr.
Bildquelle: Michael Fahrig

Vorfreude aufs nächste Jahr

Die Lange Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität Berlin – das waren sieben Stunden Experimentieren, Lernen und Erleben bis Mitternacht. Das Spektrum reichte von archäologischen Ausgrabungen für Kinder mit Funden aus dem Alten Vorderen Orient bis hin zu einer Virtual-Reality-Reise durch unser Sonnensystem; vom Chinesisch-Kurs bis zum Raketen-Bau-Workshop. Vom Vortrag über deutsch-arabische Asylpoesie bis hin zu einem Escape Room auf dem Campus.

Der große Dank der Hochschulleitung gilt allen, die sich bei der Langen Nacht der Wissenschaften engagiert haben.

Wer die Lange Nacht in diesem Jahr verpasst hat, kann sich auf die nächste freuen. Auch dann wird es wieder die Möglichkeit geben, eine Sommernacht lang auf dem Campus der Freien Universität in die Welt der Wissenschaft und Forschung einzutauchen – und anschließend etwas klüger nach Hause zu gehen.