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Rettung für die Apfelwiese

Die Apfelwiese an der Otto-von-Simson-Straße war lange in bedenklichem Zustand. Dank eines FUturist-Projekts wurde sie zum Lern- und Forschungsobjekt und erblüht nun zu neuem Leben.

21.08.2024

Das zweisemestrige Forschungsprojekt wurde mit 6.000 Euro gefördert. Ein Team aus zehn Studierenden und 14 Praktiker*innen ging ans Werk.

Das zweisemestrige Forschungsprojekt wurde mit 6.000 Euro gefördert. Ein Team aus zehn Studierenden und 14 Praktiker*innen ging ans Werk.
Bildquelle: Marion Kuka

Über viele Jahre wurden die Apfelbäume nicht geschnitten. Überall Totholz und Misteln, teils Pilzbefall. Der Erdboden so stark verdichtet, das Regenwasser nicht mehr eindringen kann und in die Kanalisation abfließt. Und die Holzbänke? Rissig und bemoost. Ja, die Apfelwiese an der Otto-von Simson-Straße war nicht im besten Zustand. Zeit für ein Projekt im Ideen- und Innovationswettbewerb FUturist!

„Vom Seminarzentrum schauten wir oft auf diese Apfelwiese, die wir als Begegnungsort, Workshop-Raum oder für Kaffeepausen nutzen und dachten uns: Warum stellen wir die Apfelwiese nicht ins Zentrum eines praxisorientierten Forschungsseminars?“, sagte Karola Braun-Wanke, wissenschaftliche Koordinatorin der Nachhaltigkeitsinitiative Sustain it! vom Campus Zukunftsbildung der Freien Universität Berlin. Sie hat bereits etliche Nachhaltigkeitsprojekte mit Studierenden auf dem Campus umgesetzt – wie die beiden Gemeinschaftsgärten „Blätterlaube“ und „UniGardening“.

Transformation, aber richtig!

Die heruntergekommene Apfelwiese wieder zu beleben und diese dabei zum Lern- und Forschungsobjekt zu machen – das ideale Projekt, um zu zeigen, dass eine Universität, die 2019 den Klimanotstand ausgerufen und 2024 zu ihrem Jahr der Biodiversität erklärt hatte, sich die Transformation nicht nur auf die Fahnen schreibt. Aber wenn, dann auch richtig!

„Wir wollten es möglichst multiperspektivisch angehen und nahmen verschiedene Fachexpert*innen aus der Uni und der Praxis mit ins Boot“, erzählt Braun-Wanke. Unter anderem den Pflanzenkohle-Spezialisten Robert Wagner vom Fachbereich Geowissenschaften, die Pflanzenökologin Rebecca Rongstock, die Bodenforscherin Stefanie Maaß vom Institut für Biologie, Judith Hübner von der Koordinierungsstelle NUN, Expert*innen aus Landschaftsarchitektur, Kreislaufwirtschaft und "Schwammstadt" sowie Schüler*innen der Peter-Lenné-Schule, die eine Ausbildung in Garten- und Landschaftsbau machen.

Die Bewerbung bei der FUturist-Ausschreibung 2023 der Stabsstelle für Nachhaltigkeit & Energie war erfolgreich: Das zweisemestrige Forschungsprojekt „Mitmachlabor Apfelwiese“ wurde mit 6.000 Euro gefördert. Nun konnte das Team aus neun Disziplinen von drei Fachbereichen, zehn Studierenden und 14 Praktiker*innen ans Werk gehen.

Gemeinsam mit den Expert*innen wurde zunächst der aktuelle Zustand der Fläche und der Bäume erhoben – jeder Apfelbaum erhielt einen Steckbrief zu Aussehen, Zustand von Stamm und Krone sowie etwaigem Pilzbefall. Auch kulturhistorische Bezüge wurden erforscht: Dort, wo Rost- und Silberlaube stehen, befand sich einst ein Rittergut, später ein Institut und eine Versuchsanlage für Obstbau. Eine Apfelforscherin und Künstlerin brachte den Studierenden Wissenswertes über das „Kulturgut Apfel“ näher.

Im vergangenen Sommer schnitt eine Gartenbaufirma – entsprechend einem angefertigten Schnittprotokoll des Seminars - zunächst Totholz und Misteln aus den Bäumen. Die abgestorbenen Äste wurden teils zu Totholzhecken aufgeschichtet – die zukünftig als Brut- und Nistraum für Kleinstlebewesen, Insekten und Vögel dienen. Der Rest wurde im Pyrolyseverfahren zu Pflanzenkohle umgewandelt und später zur Bodenverbesserung eingesetzt. „Vier der 14 Apfelbäume waren wegen starken Pilzbefalls leider nicht mehr zu retten. Diese mussten gefällt werden. Die Studierenden pflanzten unter Anleitung eines Fachmanns vier junge Bäume als Ersatz“, erzählt Braun-Wanke. Im November folgte dann der eigentliche fachgerechte Baumschnitt.

Bodenpflanzen schützen vor Erosion

Die Bodenökologin hatte derweil mit den Studierenden das Erdreich um die Apfelbäume analysiert. Es war nicht nur sehr feinkörnig und extrem trocken, sondern auch fast frei von üblichen Bodentieren wie Springschwänzen, Milben, Käferlarven und Regenwürmern. „Um die Bodenstruktur zu verbessern, ist eine diverse, ganzjährige Pflanzenbedeckung mit unterschiedlichen Wurzeltiefen nötig“, erklärt Stefanie Maaß. „Das schützt den Boden vor Erosion, beschattet ihn und steigert seine Wasseraufnahmefähigkeit. Durch die Pflanzen fällt zudem vielfältiges organisches Material an, das Bakterien, Pilzen und Bodentieren Nahrung gibt.“ Der Plan: Zwei Blühstreifen sollen angelegt werden. In einer ersten Aktion pflanzten die Studierenden 400 Blausterne (Scilla), Krokusse und Traubenhyazinthen. Diese Frühblüher bieten Wildbienen und anderen Insekten schon Anfang des Jahres Nahrung.

Um den betonharten Boden zu belüften, engagierte die Seminagruppe Expert*innen von „Tree of Life“ , die exemplarisch Bodenbohrungen an zwei Bäumen vornahmen und über diese Druckluft hineinpumpten. Das Erdreich wurde so von innen aufgelockert, und zugleich konnte hochwertiger Dünger eingebracht werden. Die angehenden Garten- und Landschaftsplaner der Peter-Lenné-Schule machten sich hochmotiviert daran – unter Berücksichtigung der im Seminar erarbeiteten und als notwendig erkannten Maßnahmen – zwei Pläne zur Neugestaltung der Apfelwiese zu entwickeln. An solch einem konkreten Projekt mitzuarbeiten, sei für die Schüler*innen eine tolle Herausforderung und große Motivation gewesen, sagt Karola Braun-Wanke.

Bäume sind lebendige Klimaanlagen

Alle Recherchen und Erhebungen flossen in einen Maßnahmenkatalog ein, der im April dem Präsidenten, der Ersten Vizepräsidentin und der Leiterin der Technischen Abteilung vorgestellt wurde. „Uns geht es um eine sozialökologische Aufwertung der Fläche“, betont Karola Braun-Wanke. Das bedeute erstens: die Anpassung an den Klimawandel. Denn gesunde Bäume sind lebendige Klimaanlagen, bieten Schatten und ziehen Tiere an. Zweitens: die Artenvielfalt erhöhen. Und drittens: Versickerung und Rückhalt von Starkregen gewährleisten – durch nachhaltige Bodenverbesserung und die Anlage eines Regenteiches.

Die Studierenden, die am Seminar teilnahmen, kamen übrigens aus ganz unterschiedlichen Studienbereichen. Conny Heinroth zum Beispiel bereitet sich gerade auf ihren Bachelor in Theater- und Filmwissenschaft vor. Draußen an der frischen Luft etwas Praxisnahes zu tun, sei für sie eine erfrischende Abwechslung zum sonst eher theoretischen Uni-Alltag gewesen. „Ich habe viel gelernt und praktische Erfahrungen in allen vier Jahreszeiten sammeln können“, sagt sie. „Jetzt weiß ich, wie Apfelbäume richtig gepflegt werden, welche äußeren Einflüsse ihnen guttun. Ich werde die Äpfel im Garten meiner Eltern mit neuem Blick auf dieses Kulturgut ernten.“

Die Apfelwiese könnte auch Vorbild für andere Flächen auf dem Campus sein. „Die Zeiten, in denen der klassische Rasen als repräsentativ galt, gehören angesichts der zunehmenden Hitze und Trockenheit der Vergangenheit an“, betont Braun-Wanke. Mit der Initiative „Blühender Campus“ wurden bereits andere Mähkonzepte an der FU Berlin eingeführt. Das könne aber nur ein Anfang sein. „Wir müssen insgesamt mit Grünflächen anders umgehen und diese biodiversitätsfreundlicher und klimaresilient gestalten – als Uni, als Bezirk und als Stadt.“

Für das Projekt Apfelwiese wurden Fördertöpfe eruiert, denn die Anlage ist nicht zum Nulltarif zu haben: Über BENE 2, ein Berliner Programm für nachhaltige Entwicklung, könnten bis zu 250.000 Euro eingeworben werden. „Wenn unsere Pläne umgesetzt werden können", meint Karola Braun-Wanke, „bekommen wir mit der Apfelwiese eine Visitenkarte für lebendige Biodiversität auf dem Campus.

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