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Vom Klassenzimmer in den Hörsaal: Der Girls’Day und Boys’Day an der Freien Universität Berlin

11.04.2025

Beim diesjährigen Girls’Day und Boys’Day konnten Schülerinnen und Schüler die Freie Universität Berlin und einige Fächer kennenlernen – Mädchen solche, die mehrheitlich Männer studieren, und Jungen solche, die vor allem Frauen wählen. Unter anderem dabei: die Fachbereiche Physik, Erziehungswissenschaft und Psychologie, Biologie, Chemie, Pharmazie sowie Veterinärmedizin.

Zwei Mädchen im Laborkittel und mit Schutzbrillen führen gemeinsam ein Experiment durch. Eine hält eine Pipette mit blauer Flüssigkeit, die andere rührt konzentriert in einem Becherglas. Sie arbeiten konzentriert an einem Labortisch.

Rosi und Charlotte arbeiten konzentriert daran, aus PVA und Borax ein Gel herzustellen.
Bildquelle: Marion Kuka

Es herrscht reges Treiben im Physikgebäude der Freien Universität – und das schon um acht Uhr, eine für Studierende frühe Uhrzeit. Heute sind es Schülerinnen, die im Vorlesungssaal sitzen und gespannt nach vorne blicken. Dort füllt Katharina J. Franke gerade flüssigen Stickstoff nach. Die Professorin für experimentelle Nanophysik und Dekanin des Fachbereichs Physik hat mehrere Experimente vorbereitet. Am Girls’Day wollen sie und ihr Team Mädchen für Naturwissenschaften und Informatik begeistern. Also für Fächer, in denen die Mehrheit der Studierenden männlich ist.

Zwei Frauen führen vor einer Tafel im Hörsaal ein physikalisches Experiment vor. Eine hält ein Reagenzglas mit leuchtender Flüssigkeit, auf dem Tisch stehen Laborgeräte und eine Kamera filmt mit.

Im Hörsaal werden die Schülerinnen mit Experimenten begrüßt.
Bildquelle: Fachbereich Physik

Raketen, Hochspannung und glühende Gewürzgurken

„Physik ist überall“, sagt Katharina J. Franke. „Warum fällt eine Achterbahn in einem Looping nicht einfach herunter? Wie funktioniert eine Mikrowelle? Das sind alles physikalische Fragen.“ Kurz darauf rauscht eine kleine Plastikrakete über die Köpfe der Schülerinnen. Begeistert werden Erklärungen dafür zusammengetragen, wie nur durch Luft und Wasser ein Antrieb entstehen kann. Schon folgen die nächsten Versuche: Mit einem Metalldraht, einem Magneten und einer Batterie wird ein kleiner Motor gebaut und Feuer durch unterschiedliche Salze gelb, rot und grün gefärbt. Vor den Experimenten mit Hochspannung verspricht Franke: „Wir werden alle überleben.“ Sie bringt zwei unverkabelte Leuchtstoffröhren zum Strahlen und eine Gewürzgurke zum Glühen. Die Schülerinnen murmeln beeindruckt, und es ist zu hören: „Das ist so interessant, ich schreibe mir alles auf!“

Einführung in Studium und Jobmöglichkeiten

Ganz praktische Informationen zum Physikstudium an der FU bekommen die Schülerinnen von Elke Müller. Die promovierte Physikerin ist Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Fachbereichs Physik und erklärt, dass nach dem Studium die Jobmöglichkeiten vielfältig sind: von Forscherin über Kriminaltechnikerin und Journalistin bis zur Lehrerin. Anschließend stellt Nelly Mouawad, promovierte Astrophysikerin, MINToring vor: ein Programm, das über das gesamte Jahr verteilt unterschiedliche Formate für Schülerinnen anbietet, um ihr Interesse an mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zu fördern und ihnen entsprechende Studiengänge näherzubringen.

Eine Person mit blauen Schutzhandschuhen steht an einem Tisch mit dampfender Schüssel. Daneben liegen zerkleinerte Bananen, Blüten, ein Hammer und bunte Ballons. Kinder beobachten das Geschehen im Hintergrund.

Im Workshop „Eis im Winter und Sommer“ experimentieren die Schülerinnen mit flüssigem Stickstoff.
Bildquelle: Kara Mikus

Workshops in kleinen Gruppen

Es geht weiter mit Workshops in kleinen Gruppen. Bei „Eis im Winter und Sommer“ lernen die Schülerinnen mehr zu Extremtemperaturen und Stickstoff. Jetzt dürfen sie auch selbst experimentieren. Vorsichtig werden Rosen in flüssigen Stickstoff getunkt, die sofort gefrieren. Bananen werden durch den flüssigen Stickstoff so hart, dass die Mädchen sie nur mit viel Kraft und mit einem Hammer zerschlagen können. Aufgepustete Ballons ziehen sich im flüssigen Stickstoffbad zusammen und breiten sich wieder aus, sobald sie herausgenommen werden. „Funktioniert dieser Prozess nur einmal oder unendlich oft?“, fragt eine Schülerin. Gleich wird es ausprobiert und tatsächlich, der Prozess ist wiederholbar. Zusammen überlegt die Gruppe, was genau mit den Ballons passiert. Bevor es nach Hause geht, gibt es noch einen süßen Höhepunkt: Mithilfe des schon bekannten flüssigen Stickstoffs stellen die Schülerinnen Speiseeis her. 

In einem Klassenraum steht ein Mann vor einer Gruppe Jungen und hält eine Präsentation. Die Schüler sitzen an Gruppentischen, im Hintergrund ist eine Folie an die Wand projiziert.

Alexander Ruwisch begrüßt die Boys’Day-Teilnehmer am Fachbereich Erziehungswissenschaft und spricht über das Grundschullehramt als Perspektive für Jungen.
Bildquelle: Lena Gärtner

Wie wird man eigentlich Grundschullehrer?

Ein paar Hundert Meter weiter, in der Silberlaube an der Habelschwerdter Allee, dreht sich alles um die Frage: Wie wird man eigentlich Grundschullehrer? Der Boys’Day soll nicht nur Orientierung bieten, sondern auch einen Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit im Bildungsbereich leisten. Deshalb beteiligt sich der Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie bereits zum dritten Mal an der bundesweiten Aktion, mit dem Ziel, mehr Jungen für das Grundschullehramt zu gewinnen. Denn noch immer ist der Beruf stark weiblich geprägt, männliche Lehrkräfte sind die Ausnahme.

Nach der Begrüßung durch Alexander Ruwisch, den Leiter des Studienbüros für den Bachelorstudiengang Grundschul- und Sonderpädagogik, und einer ersten Vorstellung durch Pauline, eine Studentin der Sonderpädagogik, wird schnell klar: Studieren heißt vor allem, selbstständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. „Studieren ist nicht so viel anders als Schule, außer, dass ihr mehr selbst entscheiden dürft“, erklärt Pauline.

In der Zukunftswerkstatt

In der anschließenden Zukunftswerkstatt mit Gisela Romain, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie, ist Kreativität gefragt: Was läuft gut an der Schule? Was nervt? Und wie wäre es, wenn man seine Traumschule einfach herbeizaubern könnte? Die Ideen der Schüler reichen vom Unterricht im Baumhaus über mehr Gruppenarbeit bis hin zur „Wissensspritze“ beim Vokabellernen. Einige Schüler äußern das Gefühl, zu wenig mitbestimmen zu können. Romain ermutigt die Schüler, ihre eigenen Ideen ernst zu nehmen und aktiv in den Schulalltag einzubringen: „Schaut mal ins Schulgesetz, ihr habt mehr Rechte, als ihr denkt!“

Mehrere Schülerhände bauen mit Holzklötzen, Papierrollen und Klebeband eine Murmelbahn. Auf dem Tisch liegt eine grüne Murmel, eine Schere ist im Einsatz.

Mit Papier, Pappe und Teamgeist: Die Schüler tüfteln an ihrer eigenen Murmelbahn.
Bildquelle: Lena Gärtner

Bitte schön langsam!

Danach wird es praktisch: In der Lernwerkstatt Sachunterricht bauen die Schüler unter Anleitung von Nadia Madany Mamlouk eine Murmelbahn, bei der die Kugel möglichst langsam rollen soll, ohne anzuhalten. Mit Papierrollen, Pappe, Schnur und viel Fantasie entstehen kreative Konstruktionen, die immer wieder überarbeitet und getestet werden. Im Mittelpunkt steht das Tüfteln im Team – auch wenn am Ende natürlich alle gespannt sind, wessen Murmel am längsten rollt.

In der Mittagspause haben die Schüler Gelegenheit, sich in der Mensa auszutauschen und das Erlebte in Ruhe zu reflektieren. Am Nachmittag geht es mit zwei weiteren Schnupperstunden weiter: zuerst eine in Mathematik, gefolgt von einer in Deutsch, die den Schülern weitere Einblicke in das Studium ermöglichen.

Für einige eine echte Perspektive

Und was bleibt von diesem Tag? Für manche vielleicht eine echte Perspektive: Der 14-jährige Hanno kann sich gut vorstellen, Deutschlehrer zu werden: „Deutsch ist mein Lieblingsfach, und ich lese auch in meiner Freizeit gerne.“ Maxi, zwölf Jahre, würde am liebsten Gesellschaftswissenschaften, kurz Gewi, unterrichten: „Ich habe die beste Arbeit der Klasse geschrieben – über das alte Rom!“ Auch der 14-jährige Finwe, der eigentlich schon weiß: „Ich will Ingenieur werden“, fand den Tag spannend und informativ.

Ob sich die Teilnehmer des Boys’Day später tatsächlich für ein Lehramtsstudium entscheiden, bleibt offen. Der Weg ins Studium ist so individuell wie die Schüler selbst. Das wird gleich zu Beginn deutlich, als sie ein Blatt Papier bearbeiten, um ihre eigenen Vorstellungen vom Studieren auszudrücken. So symbolisiert ein Papierflieger die Freiheit, die das Studium bieten kann, ein gefaltetes Buch steht für das Lernen und ein Schüler bastelt eine Blume, „weil man sich im Studium selbst entfalten kann“.

Zwei Männer in weißen Laborkitteln und Schutzbrillen stehen nebeneinander und lächeln. Der linke trägt ein Namensschild mit „Otto“, der rechte hat bunte Stifte in der Brusttasche. Beide wirken entspannt und freundlich.

Otto Staudhammer (l.) und Willi Rohland (r.) leiten sonst Laborpraktika für Studierende. Der Girls'Day ist für sie eine willkommene Abwechslung.
Bildquelle: Marion Kuka

Botanik und smarte Materialien

Im Gebäude der Pflanzenphysiologie in der Königin-Luise-Straße treffen schon gegen 7.30 Uhr rund 100 Schülerinnen ein, die sich für neun verschiedene Kurse am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie angemeldet haben. Dort haken Betreuer*innen Listen ab und verteilen FU-Jutebeutel. Danach folgt ein erster Einblick ins Uni-Leben: Im großen Hörsaal stellen Chemieprofessor Mathias Christmann und Elke Zippel, Leiterin der Dahlemer Saatgutbank am Botanischen Garten, den Fachbereich und seine Einrichtungen vor. Anschließend starten die Teilnehmerinnen in Zehnergruppen mit ihren Betreuern in den praktischen Teil des Tages.

Hanna, Charlotte und Rosi haben sich für den Kurs „Schrumpfende und wachsende Gele – Chemie der smarten Materialien“ entschieden. Gemeinsam mit dem Postdoc Willi Rohland und dem Doktoranden Otto Staudhammer gehen sie ein paar Hundert Meter zum Institut für Pharmazie. Vor dem Betreten des Praktikumslabors ziehen sie Schutzkittel und -brillen an.

Wackelpudding, Haargel, Kontaktlinsen – Gele im Alltag 

Hanna wollte sich eigentlich für einen Kurs der Biologie anmelden, der jedoch ausgebucht war. Jetzt freut sie sich auf das pharmazeutische Labor. Rosi interessiert sich für Chemie und fand den Kurstitel spannend. „Gele kennt man ja aus dem Alltag“, sagt sie. Sie kann sich gut vorstellen, später eine Naturwissenschaft zu studieren, und möchte den Girls’Day nutzen, um die Arbeit in der Forschung kennenzulernen. Charlotte schwärmt von ihrer Grundschullehrerin im Fach Naturwissenschaften. „Neulich hatten wir Chemie, das hat mir richtig Spaß gemacht“, erzählt sie.

Im Labor schickt Willi Rohland erst einmal ein bisschen Theorie vorweg: „Wo begegnen euch Gele im Alltag?“, fragt er. Wackelpudding, Haargel, Duschgel – die Schülerinnen zählen Beispiele auf. Auch in Kontaktlinsen und Pflastern kommen sie vor. Aber was genau sind Gele? „Stellt euch vor, ihr habt viele einzelne Perlen, die Monomere. Damit könnt ihr nicht viel anfangen. Wenn ihr sie aber auf eine Schnur fädelt, entstehen Polymere, die eine Funktion erfüllen, etwa als Armband. “ Verbindet man viele solcher Ketten zu einem großen Netzwerk, entstehen Gele, erklärt er. „Und genau das machen wir jetzt.“

Zwei Mädchen in Laborkitteln und Schutzbrillen experimentieren lachend mit einer schleimartigen Substanz. Beide tragen blaue Schutzhandschuhe, eine hält die Substanz in die Höhe, während die andere interessiert zuschaut.

Die Schülerinnen untersuchen ihr Gel: Sie ziehen Fäden zwischen den Fingern und prüfen die Konsistenz – cremig oder krümelig?
Bildquelle: Marion Kuka

Zuerst ziehen die Schülerinnen Gummihandschuhe an, denn es wird schleimig. Sie mischen zwei Lösungen, PVA und Borax, und rühren mit einem Spatel um. „Beobachtet genau, was passiert – das ist ein wichtiger Teil der Wissenschaft“, betont Otto Staudhammer. Mit Lebensmittelfarben färben sie ihre Gele ein.

Fehler können die Forschung voranbringen

Zwei Schülerinnen greifen versehentlich zu den bunten Algen, die eigentlich für den nächsten Versuch gedacht waren. Ihr Gel schäumt beim Umrühren und wird fester als das der anderen. „Solche Fehler passieren in der Forschung gar nicht so selten“, sagt Willi Rohland. „Manchmal führen sie zu großen Entdeckungen. Wir beobachten, was passiert, und überlegen, welchen Nutzen wir daraus ziehen können.“

Die Schülerinnen untersuchen ihr Gel: Sie ziehen Fäden zwischen den Fingern und prüfen die Konsistenz – cremig oder krümelig? „Zu viel Farbe macht es zu flüssig“, erklärt Otto Staudhammer. Alle sind sich einig, den Versuch zu wiederholen, um das Ergebnis zu verbessern. Dabei stellen sie viele Fragen: Sind in Bubble Tea auch Gele? Was passiert genau im Reagenzglas? Ist das ähnlich wie beim Marmeladekochen?

Wenn Otto Staudhammer und Willi Rohland Laborpraktika für Pharmaziestudierende leiten, hören sie andere Fragen. Ansonsten ist der Unterschied zum Girls’Day gar nicht so groß. Otto Staudhammer hatte befürchtet, die Schülerinnen könnten sich langweilen, das sieht aber gerade nicht danach aus. „Später machen wir noch einen Rundgang durch die Forschungslabore“, sagt er. „Sowas kennt man ja sonst nur aus Filmen oder Serien.“

In der Veterinärmedizin ist Boys’Day

„Gibt’s auch Tierärzt*innen für Blauwale?“ Mit dieser und vielen anderen Fragen tauchen 30 Berliner Schüler am Boys’Day in die Welt der Veterinärmedizin ein. Vom Hühnermodell mit Frühstücksei bis zur Untersuchung am Pferdemodell erhalten sie spannende Einblicke in das Studium an der Freien Universität Berlin. An einem Fachbereich, an dem bisher vor allem Frauen vertreten sind, können die Jungen selbst ausprobieren, wie vielfältig und praxisnah die Veterinärmedizin ist. Die Bildergalerie zeigt Eindrücke von einem lebendigen Vormittag mit Mitmachstationen, spannenden Fragen und vielen neuen Erkenntnissen.

Weitere Informationen

Die Freie Universität Berlin hat zahlreiche Angebote für Schülerinnen und Schüler: