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Barockmusik auf zeitgenössischen Bühnen

Heute vor 250 Jahren ist Georg Friedrich Händel gestorben

14.04.2009

Professor Clemens Risi, Musiktheaterwissenschaftler an der Freien Universität, hielt einen Vortrag zur historischen Aufführungspraxis von Barockopern. Heute wird Händels Oper "Theseus" an der Komischen Oper zum letzten Mal aufgeführt.

Professor Clemens Risi, Musiktheaterwissenschaftler an der Freien Universität, hielt einen Vortrag zur historischen Aufführungspraxis von Barockopern. Heute wird Händels Oper "Theseus" an der Komischen Oper zum letzten Mal aufgeführt.
Bildquelle: Monika Rittershaus

Die Opern des Barockkomponisten erfreuen sich größter Beliebtheit auf den Bühnen in aller Welt. Über die Frage, wer recht habe, wenn es um die „richtige“ Aufführung von Händel-Opern geht – die historisch genauen Aufführungspraktiker oder die „wilden Pragmatiker“ des Regietheaters –, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Juniorprofessor Clemens Risi vom Institut für Theaterwissenschaft an der Freien Universität wirbt für Versöhnung.

Man braucht nur die Spielpläne anzuschauen, um zu erkennen, dass die Opern und Oratorien Georg Friedrich Händels, der am 23. Februar in Halle an der Saale geboren und am 14. April 1759 in London gestorben ist, das zeitgenössische Publikum in den Opern- und Theaterhäusern der ganzen Welt zu fesseln vermögen. Für viele Musikliebhaber spielt jedoch die Frage der Zeit – genauer: die Frage nach den Entstehungs- und Aufführungsbedingungen von Händels Musik eine entscheidende, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle.

Neue Möglichkeiten des Ausdrucks

Während sich die einen mit großem Aufwand darum bemühen, Händels Werke so aufzuführen, wie es dessen Zeitgenossen vermutlich getan hätten, setzen die anderen alles daran, einen freien, die damaligen Konventionen und historischen Verankerungen über Bord werfenden Ansatz zu finden. Clemens Risi, Juniorprofessor am Institut für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, hat sich mit dem umstrittenen Thema der historischen Aufführungspraxis auseinandergesetzt: „Die historische Aufführungspraxis hat ganz neue Möglichkeiten des Ausdrucks vorgeführt: in Fragen des Tempos, der Artikulation und Dynamik, der Instrumentation, überhaupt in der Frage des Einsatzes anderer Instrumente, der so genannten Originalinstrumente, in der Frage des Vibrato sowie in der Frage der Spieltechnik“, sagt der Musik- und Theaterwissenschaftler.

Andererseits hätten einige Interpreten und Hörer die Errungenschaften der historischen Aufführungspraxis längst zu Dogmen stilisiert. Dabei würde ein kurzer Blick auf neuere Produktionen genügen, um zu belegen, dass im „Cross-over“, also im Zusammenspiel von historischer und zeitgenössischer Aufführungspraxis ein ausgesprochen kreatives Potenzial stecke. Ohnehin sei es nicht möglich, die Bedingungen des Barock eins zu eins in die Gegenwart zu übertragen: „Man kann die Erfahrungen und Wirkung von damals nicht rekonstruieren. Wir haben heute völlig andere Aufführungs- und Zuschau-Bedingungen. René Jacobs, Dirigent und Experte auf dem Feld der historischen Aufführungspraxis, meinte neulich ganz richtig: Hielte man sich streng an historische Zuschau-Bedingungen, dürfte es kein elektrisches Licht und keine einzige Toilette im Theater geben.“

Spiel mit Fremdheit und Vertrautheit

Vielleicht bietet das Händel-Jahr, das den großen Komponisten ehrt, den Deutschland und England gleichermaßen als Sohn beanspruchen, Gelegenheit, die etwas starren Positionen auf beiden Seiten zu überdenken. Schließlich, so die versöhnende These des Musik-theaterwissenschaftlers Risi, herrsche „im Umgang mit der Barockoper eine ständige Reibung zwischen alt und neu, ein ständiges Spiel mit Fremdheit und Vertrautheit. Genau dieses Spiel ist es aber, das die Auseinandersetzung für Produzenten wie für Zuhörer und Zuschauer so reizvoll macht.“