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Große Frauen machen Geschichte

Frauen der Eisenzeit hatten oft prunkvolle Gräber – die Konferenz „Big Men or Women“ am 20. und 21. Mai an der Freien Universität diskutiert, was das für die Geschlechterforschung bedeutet

20.05.2016

Ein Hügelgrab im österreichischen Großmugl

Ein Hügelgrab im österreichischen Großmugl
Bildquelle: Bwag, Wikimedia / CC BY-SA 4.0

Der Krug aus dem Grab der Priesterin von Vix entstand vermutlich in Griechenland

Der Krug aus dem Grab der Priesterin von Vix entstand vermutlich in Griechenland
Bildquelle: Peter Northover CC BY-SA 2.5

Katja Winger (links) und Christin Keller erforschen am Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität die Hallstattkultur

Katja Winger (links) und Christin Keller erforschen am Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität die Hallstattkultur
Bildquelle: Jonas Huggins

In großen Hügelgräbern haben die Menschen der Eisenzeit ihre Toten bestattet – in Mitteleuropa betrifft das die Epoche um 800 bis 450 v. Chr. Die Hügel sind etwa fünf Meter hoch und messen zwischen 15 und mehr als hundert Metern im Durchmesser. Darin finden sich oft wertvolle Grabbeigaben aus Gold und Silber, die von der Macht der Bestatteten zeugen. „Keltenfürsten“ nennt die Forschung diese reichen Toten, doch nähere Untersuchungen decken auf: Auch viele Frauen wurden aufwendig begraben.

In dem 100-Seelen-Dorf Vix im Norden von Burgund lag ein Schatz: Ein riesiger Krug aus Bronze, so groß wie ein Mensch, samt den reich verzierten Henkeln 208 Kilogramm schwer und mit einem Fassungsvermögen von 1100 Litern. Das Gefäß wurde 2400 Jahre lang unter der Erde plattgedrückt, bis man es im Jahr 1953 fand. Der Krug war eine von vielen wertvollen Beigaben in einem keltischen Hügelgrab aus dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

Der Leichnam war bestückt mit einem Halsreif aus purem Gold und weiteren Halsketten. Objekte aus Italien und Griechenland zeugten von lukrativen Handelsbeziehungen der bestatteten Person. Wer könnte es also gewesen sein? Vieles deutete schon damals auf eine Frau hin. Doch bis in die 1980er Jahre mutmaßten Forscher, es handele sich um einen männlichen Priester, womöglich einen Transvestiten. Heute steht fest: Die Bestattete ist mit Sicherheit eine Frau.

Konventionelle Annahmen widerlegt

Viel ist über sie nicht bekannt, aber sie stand zweifellos an der Spitze der frühkeltischen Gesellschaft. Die Priesterin von Vix, wie die unbekannte Tote auch genannt wird, widerspricht den Annahmen der konventionellen Forschung: Denn bisher ging man von dem aus der Ethnologie stammenden „Big Men“-Theorem aus, nach dem sich die Führungspositionen der frühkeltischen Gesellschaft meistens charismatische Herren erstritten.

Doch gab es auch „Big Women“? Diese Frage stellt sich die Konferenz, die Christin Keller und Katja Winger organisiert haben und die am 20. und 21. Mai an der Freien Universität stattfindet. Beide haben zu der sogenannten Hallstattkultur promoviert, dem mitteleuropäischen Siedlungsraum der frühen Kelten in der Eisenzeit, der sich vom heutigen Nordfrankreich über Deutschland bis in den Osten Österreichs und den nördlichen Balkan erstreckt. Christin Keller untersuchte eine umfassende Anzahl von Grabbefunden und sammelte Informationen über das Geschlecht und den sozialen Status der Bestatteten. „Ich habe alle aussagekräftigen Datensätze mittels statistischer Verfahren ausgewertet, und es stellte sich heraus: Auch im bisher wenig erforschten Ost-Hallstattraum gibt es sehr reich ausgestattete Frauengräber“, erklärt Christin Keller. Für sie steht fest: „Das Modell des alten Fürsten, der die Macht besitzt, muss überdacht werden.“

Fächergrenzen aufbrechen

Diesen Befund nimmt die Konferenz zum Anlass, um die Geschlechterforschung in verschiedenen Ländern und Fächern zusammenzubringen. Ein Tagungsband soll festhalten, dass der Frau der Eisenzeit eine größere gesellschaftliche Rolle zugesprochen werden sollte als bisher. Es geht aber nicht nur um die Kelten im Hallstattraum: Ein Religionswissenschaftler von der Freien Universität etwa wird über Frauenfiguren in Homers Odyssee sprechen, während eine Archäologin von der Universität von Ljubljana einen Vortrag darüber halten wird, ob der Amazonen-Mythos in der griechischen Mythologie einen realen Hintergrund hat.

Die Archäologinnen freuen sich besonders über die Konferenz-Gäste, die nicht aus der prähistorischen Archäologie stammen. „Die Diskussion bekommt erst richtigen Schwung, wenn man die Fächergrenzen aufbricht“, sagt Christin Keller.

Weitere Informationen

Zeit und Ort

  • Freitag, 20. Mai 2016, 10.00 bis 16.30 Uhr; Samstag, 21. Mai 2016, 10.00-17.00 Uhr
  • Tagungssaal des Topoi-Hauses, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin-Dahlem, U-Bhf. Thielplatz (U3)

Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei; Konferenzsprachen sind Englisch und Deutsch. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Konferenz wird von der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freien Universität, vom Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung sowie von der Frauenförderung des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität gefördert.

Kontakt

  • Dr. Christin Keller, Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-54254
  • Dr. Katja Winger, Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838 72690, E-Mail: katja.winger@fu-berlin.de

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