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Geringes Einkommensgefälle verbessert soziale Aufstiegschancen

Der Ökonom und Doktorand Guido Neidhöfer ist mit einem Preis für Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet worden

03.11.2016

Ökonom Guido Neidhöfer erhält den „Nancy and Richard Ruggles Memorial Prize“ für Nachwuchswissenschaftler.

Ökonom Guido Neidhöfer erhält den „Nancy and Richard Ruggles Memorial Prize“ für Nachwuchswissenschaftler.
Bildquelle: Marina Kosmalla

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der ökonomischen Ungleichheit einer Generation und deren sozialen Aufstiegschancen? Für eine Studie, die diese Frage am Beispiel von Lateinamerika untersucht, wurde Guido Neidhöfer, Doktorand am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, mit dem „Nancy and Richard Ruggles Memorial Prize“ geehrt.

In seiner Studie stellt Guido Neidhöfer den Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität – sozialen Aufstiegschancen – heraus. Die Erforschung dieser beiden Dimensionen in einem gemeinsamen Rahmen zeigt auf, ob das bestehende Maß an Einkommensungleichheit durch individuelle Bemühungen entstanden ist oder das Produkt starker sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft ist. Neidhöfers Ergebnisse zeigen, dass Menschen aus bildungsfernen Familien, die in ihrer Kindheit einem hohen Maß an ökonomischer Ungleichheit ausgesetzt waren, deutlich geringere Chancen haben, ihren sozialen Status im Vergleich zu dem ihrer Eltern zu verbessern.

Für Menschen aus bildungsnahen Familien gilt hingegen der umgekehrte Fall: Wachsen diese in Zeiten von hoher Einkommensungleichheit auf, so halten oder verbessern sie ihre soziale Position mit höherer Wahrscheinlichkeit. Außerdem zeigt die Studie, dass der Staat durch Investitionen in die Bildung diesem Prozess entgegensteuern kann, um Chancengleichheit zu fördern. Die Studie ist Teil der Doktorarbeit, die der Wirtschaftswissenschaftler am von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Promotionskolleg „Steuer und Sozialpolitik bei wachsender Ungleichheit“ der Freien Universität Berlin anfertigt und im kommenden Jahr abschließen möchte.

Von Rom nach Berlin

Sein Bachelorstudium der Entwicklungsökonomik hat der Halbitaliener an der Universität La Sapienza in Rom absolviert, an der Freien Universität hat er seinen Masterabschluss in „Public Economics“ gemacht. Auf die Idee seiner preisgekrönten Arbeit kam Guido Neidhöfer durch eine Studie des kanadischen Wirtschaftswissenschaftlers Miles Corak. Diese zeige auf einfache Weise, dass in Ländern mit höherer ökonomischer Ungleichheit auch niedrige Chancengleichheit herrsche, sagt der Doktorand. Die Studie beweise jedoch nicht, dass tatsächlich ein spezieller Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen bestehe. „Ich fand das sehr interessant und wollte das Thema tiefergehend untersuchen.“

„Die Arbeit mit Rohdaten ist wichtig“

Lateinamerika bot sich als Untersuchungsgegenstand an, da dort – im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern der Welt – die ökonomische Ungleichheit seit den 2000ern gesunken ist, nachdem sie Anfang der neunziger Jahre unglaublich gestiegen war. „Das ist interessant, weil man dadurch genug Variabilität in den Daten hat, um solch ein Phänomen aussagekräftig untersuchen zu können“, sagt Neidhöfer. Durch Kontakte zur Universidad Nacional de La Plata in Argentinien, an der der Doktorand einen Gastaufenthalt verbracht hat, hatte er die Chance, zwei riesige Datensätze aus komplett unterschiedlichen Quellen auswerten zu können.

Zum einen verwendete Neidhöfer die Haushaltsumfragedaten, die von den nationalen statistischen Ämtern der Länder stammen und an der Universidad Nacional de La Plata harmonisiert und beispielsweise in Ungleichheitsindizes und Armutsindizes umgewandelt werden. „Es war wichtig, mit diesen Rohdaten zu arbeiten, die ich nur vor Ort erhalten konnte.“ Der zweite Datensatz stammt von einer Nichtregierungsorganisation (NGO). So konnte Neidhöfer mit Daten einer offiziellen Staatsquelle sowie denen einer NGO arbeiten. „Und mit beiden habe ich genau dieselben Ergebnisse erzielt. Das ist natürlich überzeugend dafür, dass dieser Zusammenhang tatsächlich existiert.“

Der richtige Wegweiser

Unterstützt wird Neidhöfer bei seiner Promotion von seinem Doktorvater Giacomo Corneo, Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität, der die Idee zu dieser Studie für vielversprechend hielt. „Er bringt mich immer wieder auf die richtige Bahn, wenn ich teilweise davon abkomme“, sagt der Doktorand. „Es ist unglaublich wichtig, in dieser frühen Phase der Karriere einen solchen Wegweiser zu haben.“

Der mit 2.500 US-Dollar dotierte „Nancy und Richard Ruggles Memorial Prize“ wird alle zwei Jahre von der International Association for Research in Income and Wealth für eine Studie im Schwerpunktbereich Organisation verliehen. Ziel des Preises ist es, die Forschung von herausragenden Nachwuchswissenschaftlern, die jünger als 35 Jahre alt sind, zu fördern. „Der Preis kam passend zur Geburt meines zweiten Kindes“, erzählt der 31-Jährige lachend. „Insofern war er schon das erste Geschenk. Aber vor allem ist diese Auszeichnung eine unglaubliche Anerkennung meiner Arbeit. Es ist schön zu sehen, dass andere Leute diese wertschätzen und die Studie ebenfalls gut finden.“