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So klingen Schwarze Löcher

Der Physiker Karsten Danzmann begeisterte mit seinem Vortrag im Rahmen der 16. Einstein Lecture das Publikum

03.11.2016

Karsten Danzmann ist Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Max-Planck-Gesellschaft (Albert-Einstein-Institut) und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.

Karsten Danzmann ist Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Max-Planck-Gesellschaft (Albert-Einstein-Institut) und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.
Bildquelle: Svea Pietschmann

Klänge aus dem Universum: Professor Karsten Danzmann zeigte dem Publikum bei der 16. Einstein Lecture, wie sich Schwarze Löcher anhören.

Klänge aus dem Universum: Professor Karsten Danzmann zeigte dem Publikum bei der 16. Einstein Lecture, wie sich Schwarze Löcher anhören.
Bildquelle: Svea Pietschmann

Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin, begrüßt den Gastredner und das Publikum zur 16. Einstein Lecture.

Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin, begrüßt den Gastredner und das Publikum zur 16. Einstein Lecture.
Bildquelle: Svea Pietschmann

Professorin Stephanie Reich, Dekanin des Fachbereichs Physik, hält an diesem Abend die Einführungsrede.

Professorin Stephanie Reich, Dekanin des Fachbereichs Physik, hält an diesem Abend die Einführungsrede.
Bildquelle: Svea Pietschmann

Wenn Galaxien kollidieren: Danzmann zeigte eindrücklich, wie Gravitationswellen im Universum entstehen.

Wenn Galaxien kollidieren: Danzmann zeigte eindrücklich, wie Gravitationswellen im Universum entstehen.
Bildquelle: Svea Pietschmann

„Ich freue mich, dass ich endlich in diesem Hörsaal sprechen darf!“ Als Professor Karsten Danzmann hinter das Stehpult tritt, herrscht im voll besetzten Max-Kade-Auditorium des Henry-Ford-Baus gespannte Erwartung. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover hält an diesem Abend die 16. Einstein Lecture. „Ich bin mir sicher, dass Sie ein super Publikum sind!“, ergänzt er – und legt los.

Was folgt, ist ein mitreißender Vortrag über eine Entdeckung, die man ruhigen Gewissens als bahnbrechend bezeichnen kann. Der Titel des Vortrags, „Einsteins Gravitationswellen: Wir hören Töne aus dem dunklen Universum!“, verrät es bereits: Am Anfang der Entdeckung – und auch zu Beginn des Vortrags – steht kein Geringerer als Albert Einstein.

Mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie, die im Oktober 1915 öffentlich wurde, stellte der berühmte Physiker theoretisch die Existenz von Gravitationswellen im Universum fest. Was fehlte, war der Nachweis in der Praxis. Karsten Danzmann lässt Einstein an diesem Abend selbst zu Wort kommen; er spielt eine Audioaufnahme ein, in der die Formel vorkommt, die jeder physikalische Laie kennt: E = mc². Daran, dass man Gravitationswellen einmal nachweisen – oder sogar hören – können würde, glaubte Einstein nicht – zu klein sei der Effekt. Ein Irrtum, wie Karsten Danzmann und ein Team von knapp tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit bewiesen haben. Der Nachweis gelang den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der internationalen LIGO Scientific Collaboration (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) genau einhundert Jahre nach Einsteins Vorhersage, am 14. September 2015.

Gravitationswellen entstehen Danzmann zufolge, wenn große Massen aufeinandertreffen und miteinander verschmelzen. Die Wellen, die das internationale Forschungsteam aufspürte, stammten von zwei riesigen Schwarzen Löchern, deren Masse jeweils das 29- bis 36-fache unserer Sonne betrug. Die abgestrahlten Gravitationswellen bewirken, so Danzmann, dass die verschmelzenden Schwarzen Löcher den Raum stauchen und strecken, und durch diese Streckungen und Stauchungen veränderten sich Abstände innerhalb des Raums. Die Änderungen seien minimal, selbst im großen Maßstab so klein wie ein winziger Bruchteil eines Protons. Um sie aufspüren zu können, arbeiten Danzmann und sein Team deshalb an der Verbesserung von hochempfindlichen Messgeräten, sogenannten Laserinterferometern.

Was das genau ist, erklärte Karsten Danzmann wie alles andere in seinem Vortrag: mit klaren Worten, bildhaften Vergleichen, unterstützt durch Bild und Ton und eine gute Portion Humor. Obwohl das Thema ausgesprochen komplex ist und der Physiker nur so hindurchrauschte, konnte man gut folgen. (Und wünschte sich insgeheim, der Physik-Unterricht in der Schule wäre nur halb so spannend gewesen!)

Apropos Rauschen: Schließlich kommt Karsten Danzmann zum Höhepunkt seines Vortrags. Denn jetzt ist es sogar möglich, das Universum zu hören. Danzmann versucht gar nicht erst, das Geräusch umständlich zu beschreiben. Er fordert das Publikum einfach auf, selbst zuzuhören, als er erneut eine Audiodatei abspielt.

Es ertönt ein dumpfes Rauschen, als gehe man auf Tauchgang, gefolgt von einem hellen Tropfgeräusch. Nach ein paar Sekunden ist es vorbei – und das Publikum wie verzaubert. So also klingen Schwarze Löcher. „Ist es nicht schön?“, fragt Karsten Danzmann. „Ich könnte es mir immer wieder anhören.“

Der Physiker macht deutlich, dass er nie daran gezweifelt habe, irgendwann Gravitationswellen aufzuspüren, es sei immer nur eine Frage der Zeit gewesen. Und diese Entdeckung bedeute keineswegs das Ende seiner Forschung. Als nächstes wollen er und sein Team Laserinterferometer ins Weltall bringen, um noch andere Töne hören zu können. Es fehle nur noch an „technischen Details“, also Geld und der Zustimmung durch die Europäische Raumfahrtagentur. Doch der Wissenschaftler ist optimistisch.

Als Karsten Danzmann seinen Vortrag beendet, wollen die Zuschauerinnen und Zuschauer ihn nicht recht gehen lassen. Der Applaus hält ungewöhnlich lange an und Danzmann bestätigt schmunzelnd seine eingangs formulierte Vermutung: „Wusste ich’s doch, Sie sind ein tolles Publikum!“ Aber noch immer haben manche nicht genug. Eine Stimme aus den Rängen ruft, was wohl viele denken: „Können Sie es nochmal spielen? Das Geräusch?“ Danzmann ist sichtlich gerührt und geht zurück aufs Podium. Dort klickt er noch einmal auf „abspielen“ und lauscht zusammen mit dem Publikum dem Klang des Universums.

Weitere Informationen

Einstein Lectures Dahlem

Fast zwei Jahrzehnte wirkte Albert Einstein am traditionellen Wissenschaftsstandort Dahlem – unter anderem als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Mit den „Einstein Lectures Dahlem“ würdigt die Freie Universität Berlin zusammen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen dessen herausragende wissenschaftliche Leistung.

Das hochkarätige und interdisziplinär ausgerichtete Universitäts-Colloquium richtet sich an eine breite Universitätsöffentlichkeit und umfasst alle Wissenschaftsgebiete, die durch Albert Einsteins Wirken beeinflusst wurden und werden.