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„Aus Sorge um Gegenwart und Zukunft“

2. Februar, 19 Uhr, Institut français: Französisch-deutsche Kooperationsveranstaltung mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu den gegenwärtigen politischen Bedrohungen

31.01.2017

Welche Rolle haben Intellektuelle in politisch bedrohlichen Zeiten? Die Veranstaltung „Literatur und Engagement heute" will an den Ersten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris anknüpfen.

Welche Rolle haben Intellektuelle in politisch bedrohlichen Zeiten? Die Veranstaltung „Literatur und Engagement heute" will an den Ersten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris anknüpfen.
Bildquelle: Aaron Burden / CC0 1.0 Universal

82 Jahre ist es her, dass in Paris der „Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur“ stattfand. Anlass war die Bedrohung durch den Nationalsozialismus, Faschismus sowie andere autoritäre Regime und Bewegungen, auf die Autorinnen und Autoren mit einem Aufruf zum Widerstand reagierten. An das Ereignis aus dem Jahr 1935 will die Veranstaltung „Literatur und Engagement heute“ anknüpfen. Initiiert hat sie die Präsidentin der „Maison des écrivains et de la littérature“ Cécile Wajsbrot, französische Schriftstellerin, Übersetzerin und Essayistin und im Wintersemester 2014/2015 Samuel-Fischer-Gastprofessorin am Peter-Szondi-Institut der Freien Universität.

Über Engagement und Literatur heute mit Blick auf das aktuelle politische Geschehen in Europa werden die deutschen Autoren Sherko Fatah und Christoph Hein mit den französischen Autorinnen Leslie Kaplan und Lydie Salvayre diskutieren. Kooperationspartner der Veranstaltung sind die Freie Universität Berlin, das Institut français Deutschland und die Maison des écrivains et de la littérature (MEL). Campus.leben sprach im Vorfeld mit Susanne Zepp, Professorin am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität, die den Einführungsvortrag halten wird.

Frau Professorin Zepp, was ist der Hintergrund der Veranstaltung?

Die Pariser Einrichtung Maison des écrivains et de la littérature (MEL) hat angesichts der gegenwärtigen politischen Situation in Europa einen Aufruf zu einem internationalen Schriftstellerkongress veröffentlicht. Zu den Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichnern gehören unter anderem Hélène Cixous, Philippe Claudel, Georges-Arthur Goldschmidt, Nancy Houston, Linda Lê und Jean-Luc Nancy. Der Schriftstellerkongress soll sich an den Konferenzen zur Verteidigung der Kultur in der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts orientieren.

In meinem Einführungsvortrag werde ich an den Kongress 1935 in Paris erinnern, an dem auch zahlreiche deutschsprachige Schriftsteller beteiligt waren, die sich teilweise bereits seit 1933 im Exil befanden, unter ihnen Anna Seghers, Max Brod, Egon Erwin Kisch, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann und Bertolt Brecht.

Susanne Zepp ist Professorin am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität.

Susanne Zepp ist Professorin am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität.
Bildquelle: A. Zwirner

Worum ging es damals?

In Paris fand 1935 der „Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur“ statt. Mehr als 100 Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben während der fünftägigen Veranstaltung Vorträge gehalten, hinzu kamen mehr als 200 Delegierte aus 38 Ländern, die mitdiskutierten, Tausende Zuhörer waren beim Eröffnungsabend am 21. Juni 1935 dabei. Der Kongress hatte sich eine doppelte Aufgabe gestellt: Er war einerseits eine Demonstration antifaschistischer Intellektueller gegen die Bedrohungen ihrer Zeit, andererseits diente er der Verständigung darüber, wie am besten darauf zu reagieren sei. So einig man sich war in der Ablehnung der Barbarei, so deutlich waren die Meinungsverschiedenheiten, was die Rolle der Literatur und die Aufgabe der Schriftstellerinnen und Schriftsteller betraf.

Worüber werden Sie am 2. Februar sprechen?

Ich möchte die Argumente der Vortragenden von damals vorstellen, weil man an ihnen erkennt, welche unterschiedlichen und zum Teil auch völlig gegensätzlichen Meinungen, Literaturbegriffe, Widerstandskonzeptionen und Revolutionsideen damals zusammengekommen sind. Es ist gewissermaßen der Versuch, in 30 Minuten eine Vorstellung davon zu vermitteln, dass die Diversität der Stimmen, die auch Widersprüche auszuhalten vermochte, den Congrès international des écrivains pour la défense de la culture zu einem Schlüsselereignis der europäischen Geschichte macht, das heute fast vergessen ist. Wenn nicht der Historiker und Romanist Wolfgang Klein 1982 eine erste Ausgabe mit einer beeindruckenden Anzahl an damals gehaltenen Reden herausgegeben hätte, wäre uns dieser Kongress wahrscheinlich völlig abhandengekommen. Ich hoffe sehr, dass Wolfgang Klein zu unserer Veranstaltung kommen wird.

Wer diskutiert auf dem Podium?

Die französische Autorin Lydie Salvayre hat 2014 für ihren Roman „Pas pleurer“ den wichtigsten französischen Literaturpreis erhalten, den Prix Goncourt. Gemeinsam mit Leslie Kaplan gehört sie zu den engagiertesten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Frankreichs. Beide sind Intellektuelle, die sich in ihrem Schreiben historischen Fragen zuwenden. Die Schriftsteller Sherko Fatah und Christoph Hein sind in Deutschland sehr bekannt. Gerade auch wegen ihrer Unterschiedlichkeit sind sie zwei spannende Vertreter der deutschen Gegenwartsliteratur.

Die Podiumsdiskussion ist das, worauf ich mich an dem Abend am meisten freue. Ich bin gespannt, wie sich diese vier zeitgenössischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller zum Verhältnis von Literatur und Engagement heute verhalten werden.

Die Kooperation kam zustande dank der Initiative von Cécile Wajsbrot, der Präsidentin der MEL, die den Abend eröffnen wird. Sie kennen sich seit fast zehn Jahren. Was ist für Sie das Besondere an ihrem Werk?

Für mich ist sie eine der anregendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen. Kürzlich wurde ihr der Prix de l’Académie de Berlin 2016 verliehen. In der Laudatio von Patricia Oster-Stierle hieß es sehr treffend, dass Cécile Wajsbrot in eindringlicher und poetischer Sprache ihren Lesern die Augen für die vielfach überschriebenen Spuren der Vergangenheit in Paris und in Berlin öffne. Cécile Wajsbrot befasst sich in ihrem literarischen Werk mit Fragen des historischen Gedächtnisses, und zwar aus Sorge um Gegenwart und Zukunft. Das betrifft auch die verschiedenen literarischen Genres, denen sie sich zuwendet. Sie verfasst Erzählungen und Romane, macht aber auch atemberaubende Hörspiele über die Frage, wie wir Geschichte wahrnehmen und ihr begegnen.

An wen richtet sich die Veranstaltung am 2. Februar?

An alle, die mit offenen Augen durch unsere Stadt, durch unser Land, durch Europa gehen und sehen, welchen Herausforderungen sich die Demokratie ausgesetzt sieht. Und natürlich an Menschen, die gerne lesen und wissen wollen, was Schriftsteller, was Intellektuelle über die politische Situation denken. Wir freuen uns über jeden Gast. Denn Demokratie verteidigt sich auch über Gespräche, über den Austausch, übers Zuhören. Das ist zugleich die Idee der Veranstaltung: das Sich-Austauschen als grundlegende Tugend von demokratischem Miteinander.

Sollte man sich auf den Abend vorbereiten?

Man braucht keinerlei Vorwissen. Man muss weder die Romane und Texte gelesen haben noch die einzelnen Akteure kennen noch etwas über Paris 1935 wissen. Die Veranstaltung ist ja dafür da, dieses Ereignis wieder bekannt zu machen. Und man kann sich überraschen lassen von den Chronistinnen und Chronisten unserer Gegenwart, die dort miteinander auf der Bühne sitzen werden. Wenn man dann um 22 Uhr das Institut français verlässt, kennt man die vier zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, weiß etwas über Paris ‘35 und hat mit Cécile Wajsbrot eine Schriftstellerin erlebt, die ihr eigenes Werk, ihr Schreiben und ihr Tun auf das Engste verbunden sieht mit den Fragen unserer Gegenwart. Das kann man nicht von jedem Donnerstagabend sagen.

Die Fragen stellte Marina Kosmalla

Weitere Informationen

Die Veranstaltung „Literatur und Engagement heute“ findet in deutscher und französischer Sprache mit Simultanübersetzung statt; sie gehört zur Kultursaison „Frankfurt auf Französisch“, mit der das Gastland Frankreich die Frankfurter Buchmesse im Oktober 2017 begeht. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei.

Zeit und Ort

  • Donnerstag, 2. Februar 2017, 19 Uhr
  • Institut français Berlin, Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin, U-Bhf. Uhlandstraße (U1)