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Integration fängt in der Kita an

Der Verein Papilio e.V. und Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer von der Freien Universität haben eine Fortbildungsmaßnahme zur Integration von Flüchtlingskindern gestartet

27.06.2017

Hautfarbe muss nicht immer Schweinchenrosa sein: Wenn Kinder schon im Kindergarten Vielfalt erleben, fällt es ihnen leichter, ihren eigenen Platz zu finden und andere zu integrieren.

Hautfarbe muss nicht immer Schweinchenrosa sein: Wenn Kinder schon im Kindergarten Vielfalt erleben, fällt es ihnen leichter, ihren eigenen Platz zu finden und andere zu integrieren.
Bildquelle: flickr / Elle* (CC By 2.0)

Dass Integration in der Kita beginnt, davon sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins Papilio überzeugt: Sie erweiterten das Grundkonzept von Papilio – das darauf abzielt, die sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern zu stärken – um die Fortbildungsmaßnahme „Papilio Integration“. Geleitet werden die Fortbildungskurse von Katharina Hepke, wissenschaftlich unterstützt werden sie von Professor Herbert Scheithauer, Entwicklungspsychologe an der Freien Universität. Der Ansatz des Programms: Integration kann nur gelingen, wenn auch Einheimische ihre kulturellen Vorstellungen hinterfragen.

Integration ist Prävention: Justizminister Heiko Maas bei der Vorstellung der neuen Fortbildung „Papilio Integration“ im AWO Familienzentrum (FZ) Brückenstraße Gelsenkirchen.

Integration ist Prävention: Justizminister Heiko Maas bei der Vorstellung der neuen Fortbildung „Papilio Integration“ im AWO Familienzentrum (FZ) Brückenstraße Gelsenkirchen.
Bildquelle: Papilio e. V.

Herr Professor Scheithauer, Frau Hepke, was macht der Verein Papilio?

Katharina Hepke: Unser Verein möchte die sozialen und emotionalen Kompetenzen von Kindern stärken. Es geht dabei auch darum, Risikofaktoren wie zum Beispiel Verhaltensprobleme, die zu einem späteren Sucht- oder Gewaltverhalten führen könnten, möglichst früh zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Daher arbeiten wir mit Kitas und Kindergärten zusammen.

Herbert Scheithauer: Papilio ist 2002 als Präventionskonzept in Augsburg gestartet, 2010 ist daraus der Verein entstanden. Ich habe die Entwicklung von Beginn an wissenschaftlich begleitet und zusammen mit den Projektleiterinnen und -leitern das Kernprogramm entwickelt und evaluiert. Bei dem neuen Fortbildungsprogramm „Papilio Integration“ war ich als Kooperationspartner und wissenschaftlicher Berater involviert.

Wie sieht der wissenschaftliche Ansatz von „Papilio Integration“ aus?

Herbert Scheithauer: Als vor zwei Jahren eine so große Zahl an Flüchtlingen nach Deutschland gekommen ist, sind Integrationsansätze wie Pilze aus dem Boden geschossen. Damals ist die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention auf Papilio zugekommen und fragte, ob wir einen wissenschaftlich fundierten Beitrag leisten könnten. Wir haben daraufhin unseren Papilio-Ansatz der frühkindlichen Prävention und Förderung um ein Integrationskonzept ergänzt.

Katharina Hepke: Was wir anbieten, ist eine zweitägige Fortbildung für Erzieherinnen und Erzieher in Kitas und Kindergärten. Wir arbeiten dabei nach dem Multiplikatorensystem: An unserem Hauptsitz in Augsburg werden die Trainerinnen und Trainer ausgebildet, die dann das Erziehungspersonal fortbilden. Um zu wissen, wo Bedarf ist, arbeiten wir intensiv mit verschiedenen Trägern von Kitas und Behörden zusammen.

Inhaltlich umfasst die Fortbildung drei Themenbereiche: Interkulturelles Wissen, die Vermittlung einer kultursensitiven Haltung und des daraus resultierenden pädagogischen Handelns. Zunächst vermitteln wir also Wissen über kulturelle Unterschiede, dann geht es darum, die eigene kulturelle Prägung zu hinterfragen, und schließlich zeigen wir auf, wie kultursensitives Handeln im Kita-Alltag aussehen kann. Wie reagiert man beispielsweise als Erzieherin oder Erzieher, wenn ein traumatisiertes Kind plötzlich nachspielt, wie jemand geköpft wird? Oder ganz grundsätzlich, wenn Kinder sich zurückziehen? Erste Evaluationsergebnisse zeigen, dass durch „Papilio Integration“ tatsächlich Handlungsunsicherheiten auf Seiten der Erzieherinnen und Erzieher abgebaut werden konnten und auch ihre Sprache sensibler geworden ist.

Prof. Dr. H. Scheithauer, Freie Universität (r.), Katharina Hepke, Papilio e.V. (2.v.r.) mit Justizminister Heiko Maas, dessen Ministerium „Papilio Integration“ fördert. Links: Dr. Charlotte Peter, Papilio e.V.

Prof. Dr. H. Scheithauer, Freie Universität (r.), Katharina Hepke, Papilio e.V. (2.v.r.) mit Justizminister Heiko Maas, dessen Ministerium „Papilio Integration“ fördert. Links: Dr. Charlotte Peter, Papilio e.V.
Bildquelle: Papilio e. V.

Können Sie ein konkretes Beispiel für frühkindliche Integration geben?

Katharina Hepke: Wenn einheimische Kinder Menschen malen, dann nehmen sie für die Hautfarbe meist „Schweinchenrosa“, weil helle Haut in Deutschland als „Norm“ gilt. Wir empfehlen den Erzieherinnen und Erziehern, den Kindern auch Stifte in anderen Hautfarbtönen zur Verfügung zu stellen, damit sie eine Auswahl haben und Diversität für sie selbstverständlich wird. Insgesamt wollen wir den Erziehern vermitteln, dass sowohl geflüchtete als auch einheimische Kinder eines gemeinsam haben: Sie brauchen Stabilität, Sicherheit und Vertrauen, ungeachtet dessen, was sie erlebt haben. Die Kita soll als sicherer Ort und als Begegnungsstätte für geflüchtete und einheimische Familien verstanden werden.

Herbert Scheithauer: Unser Ziel ist es, Eltern, Erzieherinnen und Erziehern interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. Man kann von fremden Menschen nicht erwarten, dass sie unsere Kultur zu 100 Prozent übernehmen. Es geht vielmehr darum, sich und einander Fragen zu stellen, sich selbst zu reflektieren und einander anzunähern, also Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln wertschätzend gegenüberzutreten und die Bereitschaft zu zeigen, von ihnen lernen zu wollen.

Die Fragen stellte Peter Schraeder