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Was macht das Wetter in der Literatur?

29./30. November: Öffentlicher Workshop „Literarische Meteorologie/Meteopoetologie“ am Peter-Szondi-Institut der Freien Universität Berlin

22.11.2018

Adalbert Stifters "Wolkenstudie" (um 1840).

Adalbert Stifters "Wolkenstudie" (um 1840).
Bildquelle: Gemeinfrei / www.zeno.org/nid/20004312643

Wetter ist heute vor allem ein beliebtes Small-Talk-Thema. Für Johann Wolfgang von Goethe war es jedoch keineswegs trivial. Und er war nicht der einzige Dichter, der sich für Meteorologie interessierte. Michael Gamper, Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft am Peter-Szondi-Institut, hat untersucht, wie sich Literatur und Wetterkunde gegenseitig beeinflusst haben. Am 29. und 30. November findet dazu ein öffentlicher Workshop statt, den er gemeinsam mit Urs Büttner vom Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf organisiert hat.

Herr Professor Gamper, ihr Forschungsprojekt zur „Literarischen Meteorologie“ geht in diesem Herbst nach vier Jahren zu Ende. Zum Abschluss gibt es einen Workshop, der für jeden offen ist. Was erwartet Interessierte dort?

Es gibt verschiedene Vorträge zum Verhältnis von Wetter und Literatur, die nochmal deutlich machen, wie vielfältig das Thema ist. Sie zeigen einerseits, dass Literatur rezeptiv und produktiv an wetterkundlichen Wissenszusammenhängen beteiligt war, was wir als ‚literarische Meteorologie‘ bezeichnen, andererseits, wie Autoren Begriffe aus der Meteorologie aufgreifen, um damit eigene Poetiken zu entwickeln. Das nennen wir dann Meteopoetologie.

Warum haben sich Schriftsteller überhaupt für Meteorologie interessiert?

Dazu muss man wissen, dass sich die Meteorologie als Wissenschaft erst spät herausgebildet hat. Lange Zeit war das, was am Himmel passierte, für die Menschen einfach nur unberechenbar, unbeherrschbar und unerklärlich.

Als man um etwa 1800 begann, durch systematische Wetterbeobachtung die Erdatmosphäre zu erforschen, war das auch für Dichtung und bildende Kunst ein faszinierendes Thema. Und Künstler wie Goethe waren damals noch selbst aktiv an der Produktion von Wissen beteiligt.

Wie sah das aus?

Goethe war zum Beispiel fasziniert von Wolken. In seinen Wolkendiarien hat er täglich notiert, was er am Himmel beobachtet hat. Er war begeistert von den Schriften des britischen Forschers Luke Howard, der 1803 erstmals erfolgreich Wolken in verschiedene Typen eingeteilt hat.

Als Dichter war er allerdings auch der Meinung, dass man die Bewegungen der Wolken noch lebendiger beschreiben müsste. Er wollte eine neue Sprache finden, die so geschmeidig ist, dass sie den flüchtigen, vergänglichen Wolkenvorgängen gerecht wird.

Naturwissenschaftlich erklären konnte er Gewittervorgänge oder Hagel aber noch nicht.

Nicht nur er konnte das nicht. Die Meteorologie hat sich sehr langsam entwickelt. Erste verlässliche Wettervorhersagen gab es erst nach 1850. Autoren wie Adalbert Stifter haben diese heterogenen Wissenszusammenhänge wahrgenommen und gerade das Nicht-Wissen der Wissenschaften für ihre Erzählungen fruchtbar gemacht.

Stifters Erzählung „Bergkristall“ entwickelt sich beispielsweise aus einer misslungenen Wetterprognose. Die Figuren sehen die Anzeichen auf einen Wetterumschwung, deuten diese aber falsch und geraten in einen Schneesturm.

Um welche Autoren und Wetterphänomene wird es bei dem Workshop gehen?

Wir sind mit unseren Themen sehr breit aufgestellt. Die beteiligten Literaturwissenschaftler sprechen zum Beispiel über Wetterwechsel bei Virginia Woolf, Schneegestöber im Text bei Walter Benjamin oder Revolution und Witterungslehre bei Johann Wolfgang von Goethe.

Weitere Informationen

Workshop „Literarische Meteorologie/Meteopoetologie“, am 29.11. von 13 bis 19 Uhr und am 30.11. von 9.30 bis 17.30 Uhr.