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Gegenstand + Minicomputer + Netz = IoT

Matthias Wählisch eröffnete mit einem Vortrag zum „Internet der Dinge“ die neue Veranstaltungsreihe „made in Dahlem: Junge Forschung aus der Freien Universität“, eine Kooperation mit der Urania / nächster Termin: 11. April

20.03.2019

Informatikprofessor Matthias Wählisch vermittelte Basiswissen zu IoT und stellte „RIOT“ vor, ein Betriebsprogramm für smarte Geräte, das er mit seinem Team entwickelt hat.

Informatikprofessor Matthias Wählisch vermittelte Basiswissen zu IoT und stellte „RIOT“ vor, ein Betriebsprogramm für smarte Geräte, das er mit seinem Team entwickelt hat.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Kühlschränke überprüfen, was sich in ihrem Inneren befindet und bestellen Lebensmittel, die zur Neige gehen, eigenständig nach. Die Heizung im Keller wird von einem Computer gesteuert, Lampen und Staubsauger werden per Smartphone bedient. Was noch vor Kurzem nach Science Fiction klang, ist längst Realität: „Das ‚Internet of Things‘, besser bekannt unter der Abkürzung IoT, bestimmt schon heute das Leben vieler Menschen – in naher Zukunft wird es aber wohl zu einer IT-Revolution kommen“, eröffnete Matthias Wählisch, Juniorprofessor für Informatik an der Freien Universität, seinen Vortrag im Bildungszentrum Urania.

Thema war das „Internet der (kleinen) Dinge“, wie die clevere Vernetzung von Gegenständen auf Deutsch heißt. Es sei sinnvoll, mehr über IoT zu wissen, bevor man es im Alltag einsetze, riet der Informatiker den Zuhörerinnnen und Zuhörern. In seiner Präsentation vermittelte der Informatiker an diesem Abend Grundkenntnisse, gab nützliche Tipps und erklärte, warum eine Open Source Software am besten als Betriebsprogramm für smarte Geräte geeignet ist.

„made in Dahlem: Junge Forschung aus der Freien Universität“

„Es ist wichtig, wissenschaftliche Erkenntnisse für alle verständlich zu machen“, betont Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin. „Deshalb freue ich mich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität künftig die Gelegenheit haben, ihre Forschung in der Urania nicht nur Fachleuten, sondern einem breiten interessierten Publikum vorzustellen.“ „made in Dahlem: Junge Forschung aus der Freien Universität“ heißt die neue Veranstaltungsreihe, deren Anfang  Matthias Wählisch mit seinem Vortrag machte.

Mit diesem Format möchte die Urania einlösen, was schon ihren Gründern ein „Herzensanliegen“ gewesen sei, sagt Ulrich Weigand, der Geschäftsführer und Programmdirektor des Kultur- und Bildungsvereins: „Neues Wissen für eine breite Öffentlichkeit erlebbar machen – und das aus erster Hand.“ 1888 auf Impuls von Alexander von Humboldt gegründet, habe sich das Bildungszentrum in Schöneberg bis heute auf die Fahnen geschrieben, die „Potenziale der Wissenshauptstadt Berlin sichtbar in der Stadtgesellschaft zu verankern“.

Vernetzung von smarten Gegenständen

Matthias Wählisch forscht seit Längerem zu Internet-Technologien und Netzwerksicherheit und hat mit seinem Team an der Freien Universität ein IoT-Betriebsprogramm entwickelt. Doch zunächst vermittelte er an diesem Abend Basiswissen über das Internet der Dinge. Das technische Prinzip lasse sich auf eine simple Gleichung herunterbrechen, erklärte er: Gegenstand + Minicomputer + Netz = IoT.

Wie das in der Praxis aussehen kann, demonstrierte der Wissenschaftler an einem kleinen Spielzeug-Dinosaurier, dessen bewegliche Vorderbeine durch einen Kleincomputer gesteuert werden. Sowohl das Plastiktier als auch die separate Steuerbox tragen kleine Chips in sich, die über das Netz miteinander verbunden sind. In einem modernen, selbstfahrenden Auto würden künftig etwa 20000 solcher Chips verbaut, die ihre Daten an einen zentralen Bordcomputer senden, der auf dieser Basis seine Steuerungsbefehle gebe, so der Informatiker. So könne alles überprüft und gesteuert werden – von den Sicherheitsgurten bis zum automatischen Bremssystem.

„Man könnte nun meinen, da seien die neuesten High-End-Chips verbaut“, sagte Matthias Wählisch. Das sei aber nicht so: Die Hersteller bevorzugten im Gegenteil sogenanntes Low-end-IoT. Die dabei verwendeten Chips hätten eine Speicherkapazität von nur wenigen Kilobyte und verbrauchten nur Milliwatt an Energie. Für die Verbraucher mache sich die „Sparvariante“ auch im Preis bemerkbar: Wenn die einzelnen Sensoren nur zehn Cent günstiger seien als die hochtechnisierte Variante, mache das für ein gesamtes Auto einen Preisunterscheid von etwa 2000 Euro, erläuterte Matthias Wählisch.

Smarte Erdölraffinerien

Aber nicht nur Fahrzeuge werden in Zukunft smart. Matthias Wählisch leitet ein Projekt, bei dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe in Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der Sicherheitsfirma „Safety io“ neuartige Vernetzungen für Gas-Sensoren erforschen. „Bei einem Leck in einer Erdölraffinerie können die IoT-Chips, die an verschiedenen Stellen angebracht sind, miteinander kommunizieren und einen zentralen Fluchtplan vorgeben“, erklärte der Informatiker.

Die Reihe „made in Dahlem“ findet in der Urania statt, die Vorträge sind öffentlich und Studierende aller Fachrichtungen willkommen.

Die Reihe „made in Dahlem“ findet in der Urania statt, die Vorträge sind öffentlich und Studierende aller Fachrichtungen willkommen.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Standards für IoT

20 bis 30 Milliarden IoT-fähige Geräte werde es 2020 weltweit geben, schätzt der Informatiker, die meisten davon seien dann vermutlich Mikro-Controller, die auf einem einzigen Chip Speicher, Netzwerk und Prozessor besitzen. Dabei sei es wichtig, hersteller- und länderunabhängige Standards einzuführen, betonte Wählisch. Der Informatikprofessor empfiehlt Open Source Software nach Art des kostenfreien Linux-Betriebsprogramms für Computer oder des Browsers Firefox.

Durch das offene Prinzip kann die Schwarmintelligenz der User genutzt werden, weil die ihre Ideen zur Weiterentwicklung einbringen können. Auch die „Internet Engineering Task Force (IETF)” sieht Wählisch als Vorbild für die IoT-Standardisierung. „Teilweise sind das Althippies aus San Francisco mit Rauschebärten und Sandalen“, beschrieb er amüsiert – „aber dieser unabhängige und für alle offene Arbeitskreis standardisiert seit 1986 erfolgreich die Internet-Kommunikation.“ So habe die IETF etwa dazu beigetragen, dass Web-Seiten von überall auf der Welt abgerufen werden können.

Das heutige Internet der Dinge sehe allerdings noch anders aus, kritisierte Wählisch: „Es kursieren Softwares von verschiedenen Anbietern, die teilweise nur die eigenen Geräte erkennen; außerdem gibt es konkurrierende Netzwerke und Funkstandards.“ Das binde die Verbraucher nicht nur an eine Produktmarke, die Vielfalt biete auch Sicherheitslücken, die Hacker ausnutzen könnten. Zudem hätten die Käufer keine Einsicht in das verwendete Programm und dessen Umgang mit ihren privaten Daten. Wählisch sprach sich deshalb für ein Betriebssystem aus, das der Verbraucher frei wählen und personalisieren könne und dessen Software laufend aktualisiert werde. Zudem mangele es vielen Herstellern von smarten Geräten heute noch an Technik- und IT-Kompetenz.

Das Betriebssystem „RIOT“

Vor dem Hintergrund der Unzulänglichkeiten bestehender IoT-Plattformen hat Matthias Wählisch 2013 gemeinsam mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der staatlichen französischen Forschungseinrichtung „Inria“ (Institut national de recherche en sciences du numérique) das Open-Source-Betriebssystem „RIOT“ ins Leben gerufen.

Gefördert wurde RIOT – auf Deutsch: Revolte, Aufstand, der Name spielt aber auch mit der Abkürzung IoT – ursprünglich vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen eines Forschungsprojekts, das der Informatikprofessor leitete. Jetzt hat sich darum erfolgreich eine internationale Open-Source-Gemeinschaft gebildet. Das Programm ist frei auf dem Markt verfügbar. Es bietet Sicherheit gegen Datenmissbrauch und unterstützt alle gängigen IETF-Technologien. Als offene Software nach den IETF-Standards kann jeder RIOT nutzen und weiter programmieren, ohne aber den Quellcode im Kern zu verändern. Jährlich finden öffentliche Konferenzen statt, um das „freundliche Betriebssystem für das Internet der Dinge“, so der Slogan von RIOT, zu diskutieren und zu optimieren. „Momentan entsteht ein eigener App-Store“, sagte Wählisch, der sich über den „hohen Praxiswert“ seiner Forschung freut.

Mikro-Controller besitzen auf einem einzigen Chip Speicher, Netzwerk und Prozessor.

Mikro-Controller besitzen auf einem einzigen Chip Speicher, Netzwerk und Prozessor.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Fragen aus dem Publikum

Auch die anschließenden Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer drehten sich um den praktischen Einsatz von IoT im eigenen Alltag. Ob das W-Lan überlastet sei, wenn sich Stereoanlage, Rollläden und Lampen dort einloggten, wollte eine Zuhörerin etwa wissen. Doch der IT-Experte konnte beruhigen: „Jedes Katzenvideo verbraucht mehr Daten als IoT.“

Weitere Informationen

Die nächsten Veranstaltungen in der Reihe „made in Dahlem: Junge Forschung aus der Freien Universität":

„Unterwegs mit den Bienenrobotern"  – Vortrag von Informatikprofessor Dr. Tim Landgraf, Leiter des Biorobotic Labs an der Freien Universität Berlin

Bienen sind erstaunlich intelligent: Sie können ihre Futterquellen in mehreren Kilometern Entfernung wiederfinden und geben genaue Reiseinstruktionen an ihre Kolleginnen weiter, um diese zum Futter zu leiten. Die Arbeitsgruppe von Prof. Tim Landgraf nutzt modernste Methoden, um herauszufinden, wie das Gehirn einer Biene eine Karte seiner Umgebung aufbaut, und wie das Miteinander im Bienenstock funktioniert. Gemeinsam mit seinem Team an der Freien Universität baut er Bienenroboter und schleust sie ins Volk ein oder nutzt Quadrocopter, um die Gehirnaktivität von Bienen im Flug abzulesen. Was das mit Fischschwärmen und elektrischen Autos zu tun hat, erklärt der Leiter und Gründer des Biorobotic Labs in seinem Vortrag.

Zeit und Ort

  • Donnerstag, 11. April, 17.30 Uhr
  • Urania Berlin, An der Urania 17, 10787 Berlin
  • Eintritt: 11,50 Euro, für Studierende ermäßigt 6 Euro, telefonische Reservierung: +49 30 218 90 91
  • Webseite der Urania für den Kauf der elektronischen Tickets

Am 6. Juni um 17.30 Uhr wird Dr. Christine Knaevelsrud, Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention, über Online-Therapien bei Depressionen sprechen. Weitere Informationen in Kürze. 

Die Veranstaltungen der Reihe „made in Dahlem“ werden zukünftig hier veröffentlicht.