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Von RoboFish und Baybie für die Zukunft lernen

Lernende Roboter, selbstfahrende Autos und Maschinen, die Gottesbeweise prüfen – ein Einblick in den Forschungsalltag am Dahlem Center for Machine Learning and Robotics.

02.07.2019

RoboFish ist ein falscher Fisch. Er sieht zwar aus wie ein Guppy, aber seine Augen sind nur auf einen Kunststoffkörper aufgeklebt. Mit anderen, echten Guppys schwimmt er in einem quadratmetergroßen Becken. Unter dem Becken befindet sich ein fahrender Roboter, der mit dem falschen Fisch über einen Magnet verbunden ist. Der Roboter wiederum wird von einem externen Computer gesteuert. RoboFish ist eines der Projekte, mit denen Tim Landgraf  am Dahlem Center for Machine Learning and Robotics (DCMLR) die Intelligenz von Tieren untersucht.

Mithilfe des künstlichen Guppys RoboFish will Juniorprofessor Tim Landgraf mehr über das Sozialverhalten der Fische herausfinden.

Mithilfe des künstlichen Guppys RoboFish will Juniorprofessor Tim Landgraf mehr über das Sozialverhalten der Fische herausfinden.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Seit dreißig Jahren wird am DCMLR zu künstlicher Intelligenz und Robotik geforscht. Mithilfe des eingeschleusten Fisches will der Juniorprofessor für Informatik mehr über das Sozialverhalten der Guppys herausfinden. Wie der Mensch, so würden auch Fische ein individuelles Verhalten zeigen: Es gebe mutige, schüchterne und sozialere Fische. An dieses Verhalten seiner Beckengefährten passt sich RoboFish an – indem er zum Beispiel langsamer an einen ängstlichen Fisch heranschwimmt.

Mathematische Modelle direkt im System testen 

Die Messungen hätten gezeigt, dass die Fische schneller eine soziale Bindung mit RoboFish aufbauen, wenn er auf ihr individuelles Verhalten Rücksicht nimmt: Sie folgen ihm bis zu dreimal länger. „Um soziale Systeme besser zu verstehen, gab es bisher vor allem zwei Wege“, sagt Tim Landgraf. „Biologen beschreiben Verhalten, Mathematiker stellen Modelle auf. Mithilfe von Robotern können wir nun ein mathematisches Modell direkt im System testen. Das ist sozusagen der Königsweg.“

Für ein anderes Projekt arbeitet Landgraf mit Bienen. Genauer gesagt mit einer ganzen Wabe, in der fast 1500 Bienen leben. Eine Kamera filmt die Wabe von beiden Seiten. Infrarotlicht sorgt dafür, dass die Bienen die Kameras nicht sehen. Jede einzelne Biene ist registriert, sie tragen Namen wie Cambee, Baybie oder Ybie. In einem früheren Projekt untersuchte er mithilfe von RoboBee, einem eingeschleusten Roboter, den Bienentanz der Honigbiene. Mit dem Tanz übermitteln Bienen Informationen, wo sich Futterstellen befinden. Aktuell untersucht er, wie sich Bienen in ihrer Umgebung lokalisieren können.

Juniorprofessor Tim Landgraf (rechts) und Mathis Hocke, studentischer Projekt-Mitarbeiter.

Juniorprofessor Tim Landgraf (rechts) und Mathis Hocke, studentischer Projekt-Mitarbeiter.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Wie leben Individuen in einem biologischen System intelligent zusammen?

Spione einschleusen und das Verhalten von Gruppen manipulieren, eine ganze Bevölkerung und ihre Interaktion miteinander nachverfolgen oder Elektronen ins Gehirn einsetzen – das sind Untersuchungen, die beim Menschen aus ethischen Gründen nicht möglich seien. Die Forschung mit Fisch- oder Bienenkolonien sei deshalb ein sehr guter Weg, um zu lernen, wie Individuen in einem biologischen System intelligent zusammenleben können.

Auch Christoph Benzmüller lässt sich in seiner Forschung von Maschinen helfen: Mit einem Computerprogramm hatte er bereits 2013 dargestellt, dass verschiedene, in der Modallogik formulierte Varianten des Gottesbeweises des Mathematikers Kurt Gödel logisch gültig sind; bei einigen Varianten hatte er aber auch Fehler aufgedeckt. Mit Benzmüllers Computerprogramm könne man beispielsweise auch vorher formalisierte Gesetzestexte oder ethische Regelwerke auf ihre Kohärenz prüfen.

Mit einem Computerprogramm hat Christoph Benzmüller bereits 2013 den Gottesbeweis des Mathematikers Kurt Gödel überprüft und bestätigt.

Mit einem Computerprogramm hat Christoph Benzmüller bereits 2013 den Gottesbeweis des Mathematikers Kurt Gödel überprüft und bestätigt.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Ein Anwendungsfeld dafür ist das autonome Fahren: Die fahrenden Computer müssen mit Informationen gefüttert werden, um in jeder Situation Entscheidungen treffen zu können – auch in drohenden Unfallsituationen, wenn beispielsweise ein Kind plötzlich auf die Fahrbahn rennt. „Mit dem autonomem Fahren verbunden ist die Frage, welche Handlungsmaximen wir an autonome Systeme übergeben wollen“, sagt Benzmüller. Wir müssen jetzt Vorgaben definieren, wie sich eine Maschine in gewissen Situationen entscheiden soll. Das ist etwas ganz Neues.“

"Unsere Infrastruktur ist noch zu wenig digital"

Dass das autonome Fahren keine Science-Fiction mehr ist, auch das beweisen die Forscherinnen und Forscher am DCMLR. Zwei selbstfahrende Autos, davon eines mit Elektromotor, wurden an der Freien Universität entwickelt. Bereits seit 2011 fährt eines davon autonom durch den Berliner Straßenverkehr. Beide Fahrzeuge haben auf dem Dach und an den Seiten Laser, die bei der Lokalisierung helfen. Daniel Göhring, Leiter der Gruppe „Autonomous Cars“, untersucht derzeit, wie man Karten möglichst aktuell halten kann. In diesen Karten seien nicht nur Straßen eingezeichnet, sondern auch Baustellen, Schlaglöcher, freie Parkplätze und Bäume.

„Das Problem ist, dass die Infrastruktur noch zu wenig digital ist", sagt Göhring. „Für die Zukunft wäre es vorstellbar, dass Autos zum Beispiel mit Ampeln kommunizieren. Dies geschieht bereits versuchsweise an einigen wenigen Kreuzungen Berlins. Über sogenannte Road-Side Units überspielen die Fahrzeuge ihre Informationen zu Hindernissen oder Parkplätzen in der Umgebung, die sie während der Fahrt gesammelt haben. Die Informationen von den computergesteuerten Autos würden dann fusioniert, die Karten mit den neuen Daten abgeglichen und die Änderungen an die Autos zurückgespielt.“

Wann autonom fahrende Autos den Straßenverkehr bestimmen, das hängt unter anderem davon ab, wie schnell eine solche kommunizierende Infrastruktur entwickelt werde. Ein bisschen dauere das wohl noch. Daniel Göhring wagt eine Prognose: In zwanzig Jahren könnten erste selbstfahrende Autos auf Berlins Straßen unterwegs sein.