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„Unsere Stadtbäume vertrocknen“

Beim Berliner Baumforum diskutierten Experten die Folgen des Klimawandels für das Stadtgrün / Biologe Manfred Forstreuter fordert schnelles Handeln

31.10.2019

Sommer in Berlin: Das Bild aus dem Juli 2018 zeigt den Baumstumpf einer Linde in Friedrichshagen, dessen neue Triebe vertrocknen. Bei der starken Trockenheit werfen viele Straßenbäume ihr Laub vorzeitig ab.

Sommer in Berlin: Das Bild aus dem Juli 2018 zeigt den Baumstumpf einer Linde in Friedrichshagen, dessen neue Triebe vertrocknen. Bei der starken Trockenheit werfen viele Straßenbäume ihr Laub vorzeitig ab.
Bildquelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Nach zwei extrem trockenen Sommern geht es den Berliner Stadtbäumen dramatisch schlecht. Schuld ist der Klimawandel: Betrachtet man allein die Durchschnittstemperatur im Jahr 2018, so lag diese in Berlin-Dahlem um 2,3 Grad über dem langjährigen Jahresmittelwert von 1961 bis 1990. Die Niederschlagsmenge hat sich vom Normalwert 598,2 Liter auf 359,3 Liter pro Quadratmeter verringert. Wenn Privatdozent Manfred Forstreuter vom Institut für Biologie der Freien Universität über den Baumbestand Deutschlands spricht, hört man ihm die Besorgnis deutlich an.

PD Dr. Manfred Forstreuter vom Institut für Biologie der Freien Universität.

PD Dr. Manfred Forstreuter vom Institut für Biologie der Freien Universität.
Bildquelle: Privat

Herr Forstreuter, wie geht es den Bäumen in Berlin?

Unsere Stadtbäume vertrocknen. Etliche Bäume sterben ab. Junge Bäume verdursten sehr leicht, bei alten Bäumen sterben weite Teile der Baumkronen ab. Und wenn es im Sommer doch mal regnet, dann so stark, dass der Boden das Wasser nicht aufnehmen kann. Noch hat Berlin einen Gesamtbestand von 431.000 Bäumen. Durch den Klimawandel gehen aber schon jetzt mehr Bäume verloren als nachwachsen. Im vergangenen Jahr gab es rund 4900 Fällungen aber nur 2400 Neupflanzungen. Knapp 43 Prozent der Bäume in Berlin sind älter als 40 Jahre. Die Frage ist: Kann man sie retten?

Was ist das Baumforum?

Eine Tagung für alle, die sich mit der Planung und Pflanzung, Erfassung und Pflege von Bäumen beschäftigen. Die Veranstaltung richtet sich an ein breites Publikum. Zu Gast waren Fachkräfte aus Kommunen, Park-, Friedhofs- und Hausverwaltungen, Wohnungsbaugesellschaften, Freizeitparks sowie Architekten und Ingenieure.

Beim diesjährigen Baumforum ging es schwerpunktmäßig um die Auswirkung des Wassermangels auf den Berliner Baumbestand.

Wie setzt der Klimawandel den Bäumen außerdem zu?

Auf dem Baumforum haben einige Teilnehmer vom Asiatischen Laubholzbockkäfer berichtet, der sich aufgrund des milden Klimas in Deutschland ausbreitet. Dieser Käfer kann fast alle Laubbaumarten wie Ahorn, Rosskastanie, Birke, Pappel und Weide befallen und sie zum Absterben bringen. Findet man auch nur ein Tier, müssen Dutzende von Quadratkilometern im Umkreis abgesucht werden, um die Ausbreitung zu verhindern. Sollte der Käfer in Berlin auftauchen, wäre das eine Katastrophe.

Auch die Ausbreitung des Borkenkäfers ist eine Folge des Klimawandels. Er ist ein Folgeschädling, der sich auf geschwächte Bäume konzentriert, gesunden kann er eigentlich nichts anhaben. Und die Thuja-Hecken der Kleingärtner sind in diesem Sommer trotz täglichen Gießens verbrannt.

Leider sind die Grünflächenämter nicht auf diese Trockenheit vorbereitet. Sie haben zu wenig finanzielle Mittel und Personal, um die Bäume wenigstens im Rahmen des Möglichen zu schützen. Problematisch ist auch der frühe Frühling: Die Bäume schlagen aus, dann kommt ein Spätfrost und die Knospen und Blätter erfrieren.

Was lässt sich gegen das Baumsterben unternehmen?

Es gibt zum einen kleinere Sofortmaßnahmen. Auf dem Baumforum haben 28 Fachaussteller verschiedene Produkte präsentiert. Bäume können etwa mit Kalk angestrichen werden, die weiße Farbe reflektiert das Sonnenlicht. Es gibt auch Präparate für die Wurzeln junger Bäume. Sie sollen die Mykorrhiza des Baums stärken, eine Symbiose aus Wurzeln und Pilzen, die der Pflanze bei der Wasseraufnahme hilft.

Ganz grundlegend muss aber das Wassermanagement verbessert werden. Die Richtlinien bei Bauvorhaben müssen so gestaltet werden, dass nicht alle Flächen zubetoniert werden dürfen, sonst bekommen die Bäume nicht genügend Wasser. Um Regenwasser zu sammeln, sollten Gemeinden und Städte Zisternen bauen, wie in südeuropäischen Ländern.

Vor allem junge Bäume müssen verstärkt beobachtet werden. Im Berliner Stadtteil Neukölln gibt es ein Pilotprojekt, bei dem Sensoren den Wassergehalt des Bodens messen. Man könnte zusätzlich eine App entwickeln, die bei akutem Wassermangel Alarm schlägt. Aber die Entwicklung dieser Technik muss natürlich auch bezahlt werden.

Im vergangenen Frühjahr rief der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Bevölkerung dazu auf, Bäume zu gießen. Bringt das was?

Große Bäume verdunsten zu viel Wasser, so viel kann man gar nicht gießen. Jungen Bäumen kann es aber helfen, eine Durststrecke zu überstehen. Es wird auch immer wieder überlegt, andere Baumarten zu pflanzen, die die Hitze besser vertragen. Wir dürfen die Vielfalt der einheimischen Bäume aber nicht aufgeben.

Klar ist: Wir müssen jetzt etwas tun. Bisher reagieren die Städte nur. Das Ziel muss aber sein, proaktiv zu handeln und das Wassermanagement besser zu organisieren. Bisher beneiden viele Städte Berlin für den großen Baumbestand, er trägt erheblich zur Verbesserung des innerstädtischen Klimas bei. Natürlich kostet Baumschutz Geld, aber wenn nichts getan wird, sind die Folgekosten noch viel höher.

Die Fragen stellte Peter Schraeder

Weitere Informationen

Das Berliner Baumforum findet jährlich und seit 16 Jahren in Zusammenarbeit mit der Datenbankgesellschaft mbH aus Falkensee statt.

Engagement für den Wald: „Klimawald mit europäischen Rotbuchen-Provenienzen“

Manfred Forstreuter unterstützt Schülerinnen, Schüler und Studierende, die sich im Rahmen von Projekten oder angewandten Arbeiten wie zum Beispiel Praktika oder Bachelor- und Masterarbeiten im Themengebiet „Klimawandel und Stadtbäume“ engagieren möchten.

Ein solches angewandtes Projekt findet im laufenden Wintersemester von November bis Dezember statt. Das Institut für Biologie wird einen sogenannten „Klimawald mit europäischen Rotbuchen-Provenienzen“ im Berliner Grunewald anpflanzen. Dafür werden etwa 1500 Rotbuchen (Fagus sylvatica) aus dem europäischen Verbreitungsgebiet auf eine Klimawald-Forschungsfläche in den Grunewald umgesetzt. In Zusammenarbeit mit den Berliner Forsten und dem Waldmuseum der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald werden die verschiedenen europäischen Rotbuchen auf ihre Anpassungsfähigkeit in Bezug auf den Klimawandel untersucht. Aufgewachsen sind die Buchen auf einer Forschungsfläche im Botanischen Garten Berlin, einige sind bereits bis zu sechs Meter hoch.

Beim Pflanzen der Bäume ist jede Unterstützung willkommen. Wer sich an dem Projekt beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen. Kontakt: manfred.forstreuter@fu-berlin.de