Springe direkt zu Inhalt

Wissen über das zeitgenössische Asien bündeln

Interview mit dem neuen Vorstand der Graduate School of East Asian Studies / Nächster Vortrag der GEAS Digital Lecture Series am 25. Februar, 12 Uhr: „Remembering the 3.11 triple disaster in Japan“

02.02.2021

Die Professorinnen Elena Meyer-Clement, Eun-Jeung Lee und Cornelia Reiher (v. l. n. r.) bilden den neuen Vorstand der Graduate School for East Asian Studies. Dort wird die wissenschaftliche Expertise an der Freien Universität zu Asien gebündelt.

Die Professorinnen Elena Meyer-Clement, Eun-Jeung Lee und Cornelia Reiher (v. l. n. r.) bilden den neuen Vorstand der Graduate School for East Asian Studies. Dort wird die wissenschaftliche Expertise an der Freien Universität zu Asien gebündelt.
Bildquelle: Marcus Reichmann

Sie bündeln ihre asienspezifische Expertise und bilden den neuen Vorstand der Graduiertenschule Ostasienstudien (GEAS): die Professorinnen Eun-Jeung Lee (Koreastudien), Elena Meyer-Clement (Chinastudien) und Cornelia Reiher (Japanstudien). Im campus.leben-Interview erläutern die Wissenschaftlerinnen, warum eine Plattform wie die GEAS für die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit wichtig ist. Außerdem stellen sie die laufende Vorlesungsreihe zum Krisenmanagement in Ostasien und eine neue Working Paper Series vor und erklären die Bedeutung der Forschung zu Ostasien, der Regionalwissenschaften und der Vermittlung methodologischen Werkzeugs.

Frau Professorin Lee, Frau Professorin Reiher und Frau Professorin Meyer-Clement, wie setzt sich der neue Vorstand der Graduiertenschule Ostasienstudien zusammen?

Eun-Jeung Lee: Er bildet – wie der ehemalige Vorstand – die Ostasienwissenschaften an der Freien Universität ab: Cornelia Reiher vertritt die Japanologie, Elena Meyer-Clement die Chinastudien und ich die Koreastudien.

Wir haben einen Schwerpunkt in der sozialwissenschaftlichen Asienforschung beziehungsweise in Politik und Gesellschaft und kooperieren an der GEAS mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität aus der Geschichte, den Kulturwissenschaften, der Politikwissenschaft, der Kultur- und Sozialanthropologie und den Wirtschaftswissenschaften.

Außerdem arbeiten wir eng mit Kolleginnen und Kollegen außeruniversitärer Forschungseinrichtungen zusammen wie der Stiftung Wissenschaft und Politik und der anderen Berliner Universitäten, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit voranzutreiben.

Cornelia Reiher: Es ist uns ein besonderes Anliegen, auch den Studierenden, die vorher womöglich Regionalwissenschaften allgemein studiert haben, sozialwissenschaftliches methodisches Werkzeug an die Hand zu geben, um die aktuellen globalen Herausforderungen im Kontext von Ostasien untersuchen zu können. In unseren Kursen an der GEAS spielt die Methodenausbildung daher eine besondere Rolle. Aus den Erfahrungen an der GEAS ist zum Beispiel auch ein Methodenhandbuch für die Japanforschung hervorgegangen, das gerade erschienen ist.

Welche Rolle spielt die GEAS für die deutsche Ostasienforschung?

Elena Meyer-Clement: Traditionell sind die ostasiatischen Fächer an deutschen Universitäten im Bereich der außereuropäischen Sprache und Kultur angesiedelt. International hingegen gibt es bereits seit den 1950er Jahren den Trend, sogenannte Asienzentren zu schaffen, in denen Forscherinnen und Forscher, die in unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Fächern zu Asien arbeiten, zusammenkommen. Um auch bei uns an der Freien Universität das Wissen über das zeitgenössische Asien bündeln zu können, und auch um noch besser mit unseren internationalen Partnern in Kontakt treten zu können, ist die GEAS als Plattform so wichtig.

Eines Ihrer ersten Projekte als neuer Vorstand war die Organisation einer Vortragsreihe, die sich mit Krisenmanagement in Ostasien beschäftigt. Was hat Sie dazu veranlasst?

Meyer-Clement: Wir möchten damit zeigen, wie wichtig die Verbindung von Sozialwissenschaften und Regionalstudien ist, insbesondere für das Verständnis von Ostasien.

Mit Blick auf die Region lassen sich unterschiedliche Reaktionen auf globale Herausforderungen untersuchen, etwa am Beispiel der gegenwärtigen Pandemie, bei der Ostasien in verschiedener Hinsicht eine wichtige Rolle spielt: zum einen, weil ostasiatische Staaten zum Teil mit anderen Mitteln auf die Corona-Krise reagieren als europäische. Zum anderen, weil unsere Reaktionen darauf viel über unsere Gesellschaft und unser Verhältnis zu Ostasien aussagen.

Nehmen Sie zum Beispiel die hiesige Berichterstattung in den Medien, in denen asiatische Antworten auf die Pandemie wenig Beachtung erfahren oder eher als Negativbeispiele dargestellt werden.

Reiher: Da die Vortragsreihe als Online-Format konzipiert ist, können sich Menschen aus aller Welt einloggen. So hatten wir bei den ersten beiden Vorträgen bereits Zuhörerinnen und Zuhörer aus Asien und Nordamerika.

Frau Professorin Lee, worum ging es in Ihrem Vortrag, mit dem Sie im vergangenen November die Vorlesungsreihe eröffnet haben?

Lee: Ich habe über die Reaktion ostasiatischer Länder auf die Pandemie gesprochen und Südkorea als Beispiel genommen. Allgemein kann man sagen, dass die Antwort dort sehr rational ausfiel, während sie in Deutschland doch auch emotional gefärbt war.

Ich als Ostasiatin habe in Deutschland fast einen „pandemischen Orientalismus“ erlebt: Das Virus wurde als „China-Virus“ bezeichnet, und die asiatische Pandemiebekämpfung wurde von manchen als irrational dargestellt, obwohl man in Asien ja tatsächlich mehr Pandemieerfahrungen hat als in Europa und das Krisenmanagement dementsprechend effektiv war.

Einen ganz anderen Schwerpunkt hatte Ihr Vortrag, Frau Professorin Reiher.

Reiher: In meinem Vortrag ging es um Japanerinnen und Japaner, die in Berlin in der Gastronomie arbeiten. Während viele Gastronomen schon vor der Pandemie gute Strukturen etabliert hatten und so auch während des Lockdowns Abhol- oder Lieferdienste anbieten konnten, hatten einige japanische Unternehmen komplett geschlossen. Sie waren der Überzeugung, ihr Essen ließe sich nicht transportieren, da es dann nicht mehr schmecken würde.

Diese unterschiedlichen Praktiken geben Einblicke in den Umgang mit Risiken und Unsicherheiten und deren Ursachen.

Was erwartet Interessierte beim nächsten Vortrag am 25. Februar?

Reiher: Im Februar werde ich zusammen mit einer Kollegin über die sogenannte Dreifachkatastrophe (Erdbeben, Tsunami und Unfall im Atomkraftwerk Fukushima) sprechen, die sich im März 2021 zum zehnten Mal jährt.

Die ehemalige GEAS-Absolventin Julia Gerster von der Tohoku Universität in Sendai und ich werden mit Studierenden der Japanologie und Gästen aus Japan darüber sprechen, wie Japanerinnen und Japaner die Dreifachkatastrophe und die Zeit danach erlebt haben. Ein besonderer Fokus wird auf Lebensmittelsicherheit in Japan nach Fukushima liegen.

Welche weitere Pläne für die GEAS haben Sie?

Meyer-Clement: Neben der weiteren Verbesserung unseres Promotionsprogramms planen wir konkret im Sommersemester eine Fortführung der Vortragsreihe zu den asiatischen Antworten auf Herausforderungen der Pandemie.

Außerdem werden wir eine neue Working paper-Reihe starten, durch die die Forschung an der GEAS einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden soll.

Die Fragen stellte Leon Holly

Weitere Informationen

GEAS Lecture Series: East Asian Responses to Crisis