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Career Development Award: „Eine super Chance, meine Forschung voranzutreiben“

Bewerben bis 9. März / Interview mit dem Lateinamerika-Historiker Nino Vallen, der als einer der ersten Nachwuchsforschenden an der Freien Universität die Auszeichnung der Berlin University Alliance (BUA) erhalten hat

04.02.2022

Zeitfenster für die Forschung: Der Lateinamerika-Historiker Nino Vallen hat vom Career Development Award profitiert.

Zeitfenster für die Forschung: Der Lateinamerika-Historiker Nino Vallen hat vom Career Development Award profitiert.
Bildquelle: Jaap Baarends

Eine sechsmonatige Auszeit zugunsten der Forschung – das will der von der BUA ausgelobte Career Development Award herausragenden jungen Postdoktorandinnen und Postdoktoranden bieten. Wie die Auszeichnung Nino Vallen dabei geholfen hat, seine Forschung voranzutreiben, und warum er selbst aus Berkeley, wohin seine Arbeit ihn in diesem Frühjahr führen wird, wieder nach Berlin zurückkehren will, erzählt er im Interview.

Herr Vallen, warum haben Sie sich für den Career Development Award der Berlin University Alliance beworben?

Die Bewerbung hatte auch mit den vergangenen zwei Jahren zu tun: Durch die Pandemie war der Aufwand für die Lehre deutlich erhöht, hinzu kam die unsicher gewordene Kinderbetreuung. Meine Frau und ich mussten uns verstärkt um unsere Tochter kümmern. Auch meine Forschungsprojekte gerieten dadurch ins Stocken. Als ich die Ausschreibung für den Career Development Award der Berlin University Alliance sah, dachte ich: Wow, das ist eine super Chance, meine Forschung voranzutreiben. Die sechsmonatige Förderung kam genau im richtigen Moment.

Welches Forschungsprojekt haben Sie mit dem Career Development Award vorangetrieben?

Mein Projekt heißt „Living Well. World Making and the Struggle over Natural Resources in Latin America, 1830-1910”. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Länder Lateinamerikas unabhängig von Spanien. Um sich wirtschaftlich zu entwickeln, warben sie um Migranten und Kapital aus Europa. Die Einnahmen aus dem Abbau von Rohstoffen sollten helfen, die wirtschaftliche und soziale Entwickelung voranzutreiben. Doch von Anfang an blieb viel Geld bei ausländischen Konzernen und einheimischen Eliten hängen. In den Abbauregionen begann sich Widerstand zu regen, auch unter Indigenen.

Mich interessiert, welche Weltentwürfe aus diesen Konflikten entstanden sind; wie sich in Abgrenzung vom westlichen Modernisierungsprogramm Vorstellungen von Entwicklung in Harmonie mit der Umwelt, mit Tieren, Pflanzen und Landschaften herauskristallisiert haben.

Ideen, die in Europa inzwischen vertraut erscheinen, die aber Wenige mit Lateinamerika in Verbindung bringen.

Wir in Europa haben oft das Bild, dass internationale Ordnung aus Europa oder den USA kommt; zum Beispiel die Regeln der Globalisierung. Aber wir erkennen mehr und mehr, dass auch Akteure aus Lateinamerika eine aktive Rolle spielen, die wir besser verstehen sollten.

Wie genau hat Ihnen der Career Development Award bei der Erforschung geholfen?

Ich bin Kolonialhistoriker, das heißt, ich habe mich vor allem mit Mexiko im 16. und 17. Jahrhundert beschäftigt. Nun arbeite ich stärker über die Moderne, also die Zeit des frühen 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. In diese Literatur musste ich mich einlesen. Der Award gab mir Zeit dazu. Außerdem konnte ich Kontakte nach Lateinamerika knüpfen.

Konnten Sie dorthin reisen?

Das war natürlich geplant, aber wegen der Pandemie läuft das leider alles online. Aktuell arbeite ich über Videotelefoniedienste mit Historikerinnen und Historikern in Argentinien, Ecuador und Peru zusammen. Ich erläutere meine Forschungsfragen; die Mittel aus dem Career Award nutze ich, um einige Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdoktorandinnen und Postdoktoranden damit zu beauftragen, in den Archiven nach Quellen zu suchen.

Klingt nach hohem Kommunikationsaufwand.

Das ist es auch. Die Forschungsreisen waren als Erkundung gedacht: Ich wollte herausfinden, welche Quellen es gibt und ob ich damit so arbeiten kann, wie ich es vorgeschlagen hatte. Wegen der Pandemie bin ich auf die Partner vor Ort angewiesen. Mit manchen spreche ich jeden Tag. Es ist wichtig, dass ich mitbekomme, was sie in den Archiven finden: Ist es sinnvoll, dass ich mir diese Dokumente ansehe? Wie gehen wir weiter vor? Das sind Fragen, die sich stellen. Wichtig für mich ist auch zu erfahren, wie die Forschungsbedingungen in den Archiven vor Ort sind. Ob man beispielsweise fotografieren darf.

Und wenn die Pandemie vorüber ist, geht’s dann richtig los?

Was meine Partner jetzt leisten, hilft mir abzuschätzen, ob es sich lohnt, in ein Archiv zu fahren und wie viel Zeit ich einplanen sollte. Ich arbeite aktuell intensiver und in einer größeren Gruppe, als das ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Die Kontakte und Zugänge werden mir die Arbeit vor Ort erleichtern.

Wie wichtig ist der Career Development Award in dieser Phase Ihrer Forschung unter Pandemiebedingungen?

Der Aufbau von Kontakten in Lateinamerika aus der Ferne hat sehr viel Zeit gekostet. Für mein Forschungsvorhaben musste ich ein Netzwerk aufbauen, das über die Hauptstädte und Nationalarchive hinausreicht. Der Career Development Award hat mir dafür die Zeit und die Mittel verschafft. Ich kann junge Historiker beauftragen, für mich in Archiven zu recherchieren. Und ich kann zu diesen und weiteren Projekten veröffentlichen. Dass Zeit zum Forschen geschaffen wird, hat mich riesig gefreut. Das bringt so viel.

Wie geht es nach dem Projekt für Sie weiter?

Ich werde ab April für drei Jahre am Deutschen Historischen Institut in Berkeley, USA, forschen. Das Institut will eine transpazifische Forschungsperspektive auch auf Lateinamerika entwickeln. Dabei soll ich eine wichtige Rolle spielen, Tagungen organisieren und meine Projekte vorantreiben.

Ich werde auch die chinesische Migration in den Blick nehmen: Zwischen 1848 und den 1870er Jahren kamen Hundertausende aus China nach Peru, Kuba und in andere Länder. Sie sollten die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Chinesen galten als fleißige Arbeiter, aber es gab auch Widerstand gegen die Migration.

Wollen Sie nach dem Aufenthalt in Berkeley wieder nach Berlin zurückkehren?

Ich bin sehr glücklich an der Freien Universität. Die Regionalstudien hier arbeiten auf hohem Niveau. Wir tauschen uns untereinander aus. Gerade die Länder Lateinamerikas werden aus vielen verschiedenen Perspektiven erforscht. Die Auseinandersetzungen mit anderen Disziplinen wie die Kultur- und Sozialanthropologie, die Politikwissenschaft und Ökonomie sind unglaublich hilfreich. Außerdem gibt es in Berlin das Ibero-Amerikanische Institut, ein wahrer Schatz an Literatur, eine der größten Bibliotheken zu Lateinamerika in Europa.

Was ist Ihr Karriereziel?

Ich möchte sehr gerne eine Professur in lateinamerikanischer Geschichte erreichen. Dafür mache ich auch den themati-schen Sprung von der Frühen Neuzeit in die Moderne und erweitere meine Forschung über Mexiko hinaus auf ganz Lateinamerika. Die Auszeichnung mit dem Career Development Award hilft mir dabei sehr.

Die Fragen stellte Jonas Krumbein

Weitere Informationen

Über den Career Development Award
Mit den Career Development Awards will die Berlin University Alliance (BUA) herausragenden Postdoktorandinnen und Postdoktoranden ermöglichen, sich für insgesamt sechs Monate auf ein selbst gewähltes Projekt zu konzentrieren. Die Auszeichnung soll dazu dienen, in Vorbereitung für eine spätere Professur oder eine andere wissenschaftliche Leitungsposition das eigene akademische Profil zu schärfen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden für dieses Forschungssemester von der Lehre und weiteren Verpflichtungen freigestellt und erhalten weiter ihr Gehalt. Auch Auslandsaufenthalte sind möglich.

Derzeit nehmen in den vier BUA-Einrichtungen – neben der Freien Universität Berlin sind die Humboldt-Universität, die Technische Universität und die Charité – Universitätsmedizin Berlin am Verbund beteiligt – elf Postdoktorandinnen und -doktoranden ein solches Freisemester wahr; die Auszeichnung ist Teil der Aktivitäten des Verbundes, wissenschaftliche Karrieren in allen Phasen optimal zu unterstützen.

Bewerbung und Informationsveranstaltung

  • Das aktuelle Bewerbungsverfahren für das Wintersemester 2022/23 läuft noch bis 9. März 2022. Ausführliche Informationen, Ansprechpartner und alle notwendigen Unterlagen finden sich auf der Website Berlin University Alliance.
  • Am 9. Februar 2022 findet zu der aktuellen Ausschreibung von 13 bis 14 Uhr eine Online-Informationsveranstaltung in englischer Sprache statt. Bitte melden Sie sich vorher unter promoting-talent@berlin-university-alliance.de an.
Die Berlin University Alliance
Die Berlin University Alliance ist der Verbund der drei Berliner Universitäten Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Berlin sowie der Charité – Universitätsmedizin Berlin für die gemeinsame Gestaltung von Wissenschaft in Berlin. Im Zentrum der Zusammenarbeit stehen dabei die gemeinsame Erforschung großer gesellschaftlicher Herausforderungen, die Stärkung des Austauschs mit der Gesellschaft, die Nachwuchsförderung, Fragen der Qualität und Wertigkeit von Forschung sowie übergreifende Vorhaben in Forschungsinfrastruktur, Lehre, Diversität, Chancengerechtigkeit und Internationalisierung. Die Berlin University Alliance wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Land Berlin im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern.