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„Die Biodiversität in Städten ist überraschend groß“

4 x Wissen, das Hoffnung macht / Teil 2: Biodiversität

02.12.2022

Es ist nicht alles so düster, wie es scheint: In campus.leben stellen wir in der Adventszeit vier Forschungsthemen vor, die Hoffnung geben.

Es ist nicht alles so düster, wie es scheint: In campus.leben stellen wir in der Adventszeit vier Forschungsthemen vor, die Hoffnung geben.
Bildquelle: KuM

2. Teil unserer Adventsserie „4 x Wissen, das Hoffnung macht“: Interview mit der Biologin Rebecca Rongstock über positive Entwicklungen in der Stadtnatur und Schmetterlinge auf dem Campus.

Frau Rongstock, Sie sind Koordinatorin und Sprecherin der Initiative „Blühender Campus“ der Freien Universität. Welches Ziel verfolgt die Gruppe?

Wir wollen zeigen, dass eine gesellschaftliche Transformation möglich ist: Mensch und Artenvielfalt schließen sich nicht aus. Vielmehr ist es so, dass vom Menschen geprägte Lebensräume eine hohe Biodiversität haben können – dass also unter anderem eine Vielfalt an Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräumen besteht.

Gilt das auch für Städte?

Überraschenderweise ja. Berlin etwa verfügte noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs über große Brachflächen. Heute sind es oft Baustellen, die lange Zeit brach liegen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich diese und andere Grünflächen in der Stadt angeschaut und festgestellt, dass dort eine höhere Biodiversität herrscht als vermutet. Damit hat Berlin für die Entwicklung der Stadtökologie als Forschungsfeld eine wichtige Rolle gespielt.

Studien belegen, dass auch seltene Arten sich in der Stadt etablieren oder Arten, die man in der Stadt zunächst nicht vermuten würde. So gibt es in Berlin noch Pflanzenarten, die aus der Sumpfzeit der Stadt vor knapp 1000 Jahren stammen, etwa der Blutweiderich oder die Schwarzerle.

Natürlich trifft das nicht auf vollkommen zubetonierte Bereiche der Stadt zu. Aber es beweist, dass moderate Urbanisierung mit hoher Biodiversität einhergehen kann.

Rebecca Rongstock ist Koordinatorin und Sprecherin der Initiative „Blühender Campus“.

Rebecca Rongstock ist Koordinatorin und Sprecherin der Initiative „Blühender Campus“.
Bildquelle: Franziska Runge

Gibt es Ideen, wie Baumaßnahmen tier- und pflanzenschützend umgesetzt werden können?

Eine Maßnahme ist es natürlich, Grünflächen einzuplanen, die verschiedene Pflanzenarten beherbergen und selten gemäht werden. Ein relativ neuer Ansatz ist das sogenannte „Animal Aided Design“: Hier wird bereits bei der Gebäudeplanung einbezogen, wie der Lebensraum von Tieren, die in der Nähe leben, erhalten und unterstützt werden kann. So werden etwa Nistkästen für Vögel in Häuser integriert oder Igelbehausungen im Garten geschaffen.

Wichtig ist es bei allen Maßnahmen, die Bedürfnisse von Pflanzen und Tieren zu kennen: Insektenhotels etwa werden oft fälschlicherweise dort aufgehängt, wo sich keine Futterpflanzen für die Zielarten in der Nähe befinden.

Viele Berlinerinnen und Berliner haben keinen eigenen Garten, Parks und andere Grünflächen werden daher von vielen für die Erholung sehr geschätzt. Besonders beliebt bei der Berliner Bevölkerung ist die Brachfläche „Tempelhofer Feld“.

Es gibt interessante Studien dazu, wie die Akzeptanz wilder Flächen bei der Bevölkerung steigt. Die Unordnung solcher Flächen wird positiver wahrgenommen. Was toll ist, denn Unordnung bietet einfach mehr Lebensraum für Lebewesen.

Haben Sie einen Überblick, welchen Lebewesen Lebensraum geboten wird durch die nur selten beziehungsweise gar nicht gemähten Wiesen des „Blühenden Campus“?

Seit Mai 2020 etwa führen wir ein Tagfaltermonitoring durch, um die Entwicklung der Tagfalter-Population zu verfolgen. In diesem Jahr haben wir 40 Schmetterlingsarten gezählt, was großartig ist.

Die besonders geeigneten Flächen im Bereich der Van't-Hoff-Straße zeigte eine etwa 18-fache Zunahme an Insekten nach einer Saison, und eine fast 40-fache Zunahme nach zwei Jahren.