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Warum hilft Wärme gegen Tumore?

Forschende der Freien Universität, der Charité – Universitätsmedizin und des Start-Ups Omiqa untersuchen gemeinsam, wie Wärme als Ergänzung zur Tumortherapie genutzt werden kann

05.12.2022

Die Forschenden analysieren Proben von Tumorzellen aus der Biobank der Charité, um molekulare Merkmale von Tumoren zu identifizieren, die gut auf Thermotherapie angesprochen haben.

Die Forschenden analysieren Proben von Tumorzellen aus der Biobank der Charité, um molekulare Merkmale von Tumoren zu identifizieren, die gut auf Thermotherapie angesprochen haben.
Bildquelle: Michael Fahrig

Wärme wurde bereits im alten Griechenland angewendet, um Krankheiten zu kurieren, und sie spielt auch in der traditionellen Heilkunst anderer Kulturen eine wichtige Rolle. In der modernen Medizin wird die Thermotherapie hauptsächlich in der Onkologie eingesetzt. Schon lange ist bekannt, dass manche Tumore mit einer Kombination aus Chemotherapie und Wärme, etwa einer lokalen Erwärmung des Gewebes auf 40 Grad Celsius, besser behandelt werden können, als mit Chemotherapie allein. Warum Wärme nur gegen manche Tumore wirkt und was sich dabei auf molekularer Ebene in den Krebszellen abspielt, ist jedoch noch weitgehend unverstanden.

„Wenn wir dieses Rätsel lösen und die Mechanismen verstehen“, sagt Florian Heyd, „lässt sich die Thermotherapie sehr wahrscheinlich gezielter und erfolgreicher einsetzen. Die Arbeitsgruppe des Biochemieprofessors am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität forscht schon lange an den molekularen Auswirkungen geringfügiger Änderungen der Körpertemperatur. Diese Grundlagenforschung lieferte auch Anhaltspunkte dafür, dass zentrale Regulatoren der Tumorentwicklung durch Temperaturänderungen beeinflusst werden.

Eine höhere Körpertemperatur könnte Tumoren generell eher schaden

So konnte sein Team zeigen, dass die Aktivität des Proteins Phosphatase PP2A, ein bekannter Tumorsuppressor, stark auf Veränderungen im Temperaturbereich zwischen 35 und 40 Grad Celsius reagiert: Je höher die Temperatur, desto aktiver wird das Protein. „In manchen Zelltypen führt die gesteigerte Phosphatase-Aktivität zu einer erhöhten Expression des Tumorsuppressors p53 und einer verminderten Expression des Onkogens Myc“, erklärt der Biochemiker. Da p53 und Myc zu den wichtigsten Akteuren bei der Entstehung von Krebszellen gehören, vermutet er, dass eine höhere Körpertemperatur Tumoren generell eher schaden und eine niedrigere Körpertemperatur ihr Wachstum begünstigen könnte.

Biochemieprofessor Florian Heyd will die Wirkmechanismen der Thermotherapie aufklären..

Biochemieprofessor Florian Heyd will die Wirkmechanismen der Thermotherapie aufklären..

„Durch diese Beobachtung hat unsere Grundlagenforschung plötzlich einen klinischen Bezug bekommen“, sagt Florian Heyd. Gemeinsam mit Pirus Ghadjar, Professor am Hyperthermie-Zentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin, untersucht seine Arbeitsgruppe nun in einem neuen Forschungsprojekt, ob sich die Laborergebnisse für die Behandlung von Krebspatient*innen nutzen lassen und ob anhand der molekularen Zusammensetzung von Tumoren bereits im Voraus erkennbar ist, ob eine Hyperthermie-Behandlung Erfolg verspricht.

Molekulare Merkmale identifizieren

Dazu wollen die Forschenden unter anderem Proben von Tumorzellen aus der Biobank der Charité analysieren. Über diese Proben ist bereits bekannt, ob sie positiv auf eine Thermotherapie reagiert haben oder nicht. „Wir hoffen, molekulare Merkmale von Tumoren zu identifizieren, die auf die Behandlung gut oder gar nicht angesprochen haben“, erklärt Alexander Neumann. Der promovierte Biochemiker ist Gründer und Geschäftsführer der Start-ups Omiqa Bioinformatics, das Teile der komplexen bioinformatischen Analysen durchführen wird.

Das Projektteam nutzt Next Generation Sequencing, um eine große Kollektion von Tumoren zu analysieren. Im Gegensatz zu bisher bekannten Sequenzierungsverfahren können damit simultan mehrere hundert Millionen DNA-Fragmente in einer Probe sequenziert werden. „Unser Augenmerk liegt dabei auf den bereits bekannten Faktoren PP2A, p53 und Myc, aber wir werden auch noch weiteren, möglicherweise noch unbekannten Faktoren Ausschau halten“, sagt Florian Heyd.

Bessere Krebsbehandlung ist das Ziel

Basierend auf diesen Merkmalen könnten Ärzt*innen in Zukunft entscheiden, ob ein Tumor zusätzlich zur Chemotherapie auch mit Wärme behandelt werden sollte. „Solche individuellen Therapieentscheidungen, auch personalisierte Medizin genannt, werden schon bald zur klinischen Praxis gehören und könnten in vielen Bereichen, auch der Thermotherapie, zur besseren Behandlung von Patient*innen beitragen“, sagt Pirus Ghadjar.

„Bei diesem Projekt kann der Wissenschaftsstandort Berlin seine Stärken voll ausspielen“, freut sich Florian Heyd. Die Kompetenzen seiner Arbeitsgruppe aus der akademischen Grundlagenforschung ergänzten sich ideal mit denen der klinisch forschenden Kolleginnen und Kollegen der Charité und dem Know-how des Start-ups Omiqa Bioinformatics.

Die Omiqa-Gründer Tom Haltenhof, Alexander Neumann und Didrik Olofsson hatten mehrere Jahre gemeinsam am Institut für Biochemie der Freien Universität geforscht. In ihrem Start-up kombinieren sie moderne Bioinformatik mit einem kundenorientierten Ansatz, um maßgeschneiderte Analyselösungen zu entwickeln. Das Team ist 2020 mit einem EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gestartet und wurde von der Gründungsförderung der Freien Universität Berlin betreut.

Das Projekt zur Charakterisierung von molekularen Mechanismen der Tumor-Thermotherapie wird von der Deutsche Forschungsgemeinschaft mit insgesamt rund 500.000 Euro gefördert.

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