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„Hoffen hat auch viel mit Handeln zu tun“

4. Teil der Advent-Serie „Wissen, das Hoffnung macht“: Philosoph Jakob Huber über politische Kontexte des Hoffens

16.12.2022

Warum wir selbst dafür verantwortlich sind, dass sich unsere Hoffnungen erfüllen, erläutert Jakob Huber.

Warum wir selbst dafür verantwortlich sind, dass sich unsere Hoffnungen erfüllen, erläutert Jakob Huber.
Bildquelle: KuM

Nicht zuletzt die Coronakrise hat unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert. Doch worauf sollen wir in der Demokratie hoffen, wenn es an einer gemeinsamen Zukunftsvision mangelt? Ein Gespräch mit Jakob Huber, Philosoph an der Freien Uninversität Berlin.

Herr Huber, „Democratic Hope“ lautet der Name der Nachwuchsforschergruppe, die Sie leiten. Was genau erforschen Sie?

Jakob Huber:Wir wollen aus der Perspektive der politischen Philosophie untersuchen, welche Rolle Hoffnung in Demokratien spielt. Welche Bedeutung hat sie und wo liegen möglicherweise Gefahren? Ausgangspunkt unseres Projekts ist die Beobachtung, dass wir in einer Zeit der Krisen leben – neben der Klimakrise, die in aller Munde ist, wird auch immer wieder die Demokratiekrise genannt. In schwierigen Zeiten ist Hoffnung besonders wichtig: Sie motiviert und gibt Orientierung. Gleichzeitig wird Hoffnung häufig verdächtigt, zu Passivität und Wunschdenken zu führen. Wir wollen herausfinden, worauf Bürger*innen in demokratischen Gesellschaften hoffen können.

Wie definieren Sie Hoffnung?

Jakob Huber: Für viele Philosophen setzt sich Hoffnung zusammen aus einem Wunsch und der Überzeugung, dass dessen Realisierung möglich, aber nicht sicher ist. Ob sich aber tatsächlich eine erschöpfende Definition finden lässt, die der vielfältigen Rolle der Hoffnung in unserem Leben gerecht wird, bleibt eine offene Frage. Abstrakt würde ich sagen, dass Hoffnung unser Sinn für die Möglichkeit des Guten ist. Wer hofft, versteht die Zukunft als offen, das unterscheidet Hoffnung von anderen Einstellungen wie etwa dem Optimismus.

Jakob Huber leitet die Nachwuchsforschergruppe "Democratic Hope".

Jakob Huber leitet die Nachwuchsforschergruppe "Democratic Hope".
Bildquelle: Xaver Böhm

Die Wahlbeteiligung sinkt, in vielen Ländern gewinnen populistische Parteien an Stärke: Worauf sollten wir in der Demokratie hoffen?

Jakob Huber: Genau das möchten wir herausfinden: Wie müssten Institutionen aufgebaut und demokratische Diskurse gestaltet sein, damit die Menschen der Zukunft hoffnungsvoll und nicht ängstlich oder unsicher entgegenblicken? Die Demokratie ist eine Lebensform, die nicht auf ein finales Ziel ausgerichtet ist.

Dies macht es besonders schwierig, weil wir unsere Hoffnung nicht auf einen konkreten Zustand richten können. Wer in einer Demokratie lebt, muss das Objekt der Hoffnung immer wieder neu aushandeln, es ist ein fortlaufender Prozess. Teilweise sind Gesellschaften aber derart polarisiert, dass sich die Menschen gar nicht mehr auf eine gemeinsame Zukunftsvision einigen können und dementsprechend auch keine Hoffnungen mehr teilen.

Haben Sie persönlich Hoffnung, dass sich diese Situation ändern wird?

Jakob Huber: Hoffen hat auch viel mit Handeln zu tun. Wir sollten wegkommen von der Idee, dass wir als passive Beobachter dieser Welt einfach ablesen können, ob es Grund zur Hoffnung gibt oder nicht. Wir sind als politische Gemeinschaft selbst dafür verantwortlich, dass sich unsere Hoffnungen verwirklichen.

Es ist aber wichtig, dass die Demokratie Foren und Strukturen bereitstellt, die es den Menschen ermöglichen, sich über geteilte Hoffnungen zu verständigen. Das fehlt aktuell. Ich denke, die Antwort auf die Krise der Demokratie muss sein, mehr Demokratie zu wagen: Es müssen auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene neue Strukturen geschaffen werden, innerhalb derer sich Menschen begegnen und austauschen können, um Zukunftsvisionen zu entwickeln.