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Vortrag | Jonas Sültmann: „Homers Ilias. Ein Epos über einen Krieg?“

03.06.2024 | 18:15 - 19:45

10. Literaturwissenschaftliches Propädeutikum – Krieg. Darstellungen und Reflexionen in der antiken Literatur

Oft begegnet man der Meinung, ein Dichter namens Homer stehe mit seinen beiden Epen Ilias und Odyssee am Anfang griechischer Literatur. Klar ist, dass diese beiden Texte das Leben und Denken (nicht nur) der Griechen beispiellos geformt haben. Und so gibt es bis heute wohl kaum eine Bibliothek, in der sich nicht wenigstens eine Ausgabe dieser Epen findet. Die Ilias, anhand derer man lange Zeit in der Antike lesen und schreiben lernte, galt dabei gegenüber der Odyssee den Großteil ihrer Rezeptionsgeschichte hindurch als der weit bedeutendere Text. Seit einigen Jahren scheint sich dieses Verhältnis jedoch allmählich umzukehren, und eher die märchenhafte Welt der Odyssee mit ihren Geschichten von Monstern, Magie und Abenteuern heutige Leser*innen zu beeindrucken. Nicht selten stößt man in diesem Zusammenhang auf ein Vorurteil: ‚Die Ilias handelt von Krieg und Gewalt.‘ Solche Ansichten, die sich sicherlich auch auf populäre Darstellungen des Troischen Kriegs wie den Film „Troja“ von Wolfgang Petersen stützen, suggerieren, man müsse ein Faible haben für blutrünstige Geschichten, für Tod und Leid, um an den fast 16.000 Versen der Ilias Gefallen finden zu können. Wer so denkt, übersieht neben den Schlachtszenen zahlreiche anders geartete Episoden: So enthält dieser Text z.B. auch ausführliche Beschreibungen kunstvoll gefertigter Objekte, detailverliebte Gleichnisse, Charakterstudien entgrenzter Menschen oder Reflexionen über das Verhältnis von individueller Freiheit und dem durch Götter beeinflussten Schicksal.

Diese Dinge am Text nachzuzeichnen und der Ilias so eine klarere Kontur zu verleihen, ist ebenso Anspruch dieses Vortrags wie die Frage zu stellen, in welcher Weise der troische Krieg tatsächlich in dieses Epos integriert ist. Diese Frage zu stellen bedeutet auch, über die Entstehung dieses Texts nachzudenken, von der man bedeutend weniger wissen kann, als es zuweilen auch in wissenschaftlichen Arbeiten den Anschein hat.

Zur Veranstaltungsreihe

Die Philosophischen und Literaturwissenschaftlichen Propädeutika, veranstaltet von der Klassischen Gräzistik, finden seit 2010 an der Freien Universität Berlin traditionell im Frühjahr (Februar bis März) und Winter (November bis Dezember) als Vorlesungs- und Seminarreihe statt und werden in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 980 „Episteme in Bewegung“ und dem Aristotelismus-Zentrum Berlin veranstaltet. Sie bieten mit Diskussionen an konkreten Texten und Vorträgen zu komplexeren Fragestellungen aus der Antike und Spätantike Einführungen in geisteswissenschaftliche Kernthemen aus der Literaturwissenschaft und Philosophie. Neben Schülerinnen und Schülern der Oberstufe sind interessierte Studierende und Gäste herzlich eingeladen.

Zeit & Ort

03.06.2024 | 18:15 - 19:45

Hörsaal 1a
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin