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Feste Strukturen aufbrechen

Rund 1000 Schülerinnen nahmen am Girls’ Day an der Freien Universität Berlin teil

12.05.2016

Spielerisches Entdecken statt Frontalunterricht: Rund 130 Schülerinnen unternahmen beim diesjährigen Girls' Day eine "Reise durch die Physik".

Spielerisches Entdecken statt Frontalunterricht: Rund 130 Schülerinnen unternahmen beim diesjährigen Girls' Day eine "Reise durch die Physik".
Bildquelle: Nora Lessing

Physik zum Anfassen: Viele der Schülerinnen haben Spaß daran, knifflige Rätsel zu lösen - und sind damit im Physiklabor genau richtig.

Physik zum Anfassen: Viele der Schülerinnen haben Spaß daran, knifflige Rätsel zu lösen - und sind damit im Physiklabor genau richtig.
Bildquelle: Nora Lessing

Neues entdecken, spielerisch dazu lernen und die Weichen für die eigene Zukunft stellen: Mehr als 60 Workshops an der Freien Universität sollten rund 1000 Schülerinnen ab Klassenstufe 5 unter anderem dazu ermutigen, sich in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern auszuprobieren. Organisiert wurde der Girls’ Day vom zentralen Frauenbüro der Freien Universität, die sich bereits zum sechzehnten Mal am bundesweiten „Mädchen-Zukunftstag“ beteiligte.

„Beim Girls’ Day geht es insbesondere darum, die berufliche Perspektive der Mädchen zu erweitern“, erklärt Jörg Fandrich, der Leiter des „Schüler/innen/labors PhysLab“. „Fächer wie beispielsweise Physik oder Informatik werden vergleichsweise selten von Frauen studiert, bieten aber hochinteressante Tätigkeitsfelder mit großer gesellschaftlicher Relevanz.“ Bei dem diesjährigen Girls’ Day begleiten er und sein Team rund 130 Schülerinnen auf einer Reise durch die Physik. Etwa 150 physikalische Experimente, optische Täuschungen und Knobelaufgaben laden dazu ein, die Welt der Physik spielerisch zu entdecken.

Spielerisches Entdecken statt Frontalunterricht – gemeinsam mit ihrer Freundin Cécile steht die Fünftklässlerin Stella in einem der Räume der Reise durch die Physik und schüttelt ein Glasröhrchen, in das unterschiedlich große und schwere Perlen eingefüllt sind. „Was ist zu sehen?“, fragt PhysLab-Tutorin Alice Wimmer die Mädchen. „Die große Kugel ist am Ende immer oben“, entgegnet Stella. Sie beobachtet, was die Tutorin lachend als „Knuspermüsli-Effekt“ bezeichnet. Durch längeres Schütteln gelangen die größeren Bestandteile an die Oberfläche.

Neugier und Interesse wecken

„Ich glaube, dass die Mädchen sich mehr trauen, wenn sie unter sich sind“, sagt Alice Wimmer. Die Lehramtsstudentin und ihre Kommilitonin Julia Voigt sind bereits zum zweiten Mal als Betreuerinnen beim Girls’ Day dabei. Sie helfen den Mädchen, die Physik-Experimente zu verstehen und durchzuführen. Julia Voigt hat in ihrer Schulzeit selbst am Girls’ Day teilgenommen und war begeistert. „Die sogenannten MINT-Berufe – also Tätigkeiten in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – sind zwar nach wie vor ziemlich unbeliebt, ich glaube aber, dass der Girls’ Day ein Anfang sein kann, um Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken“, so die 21-Jährige.

„Wir wollen, dass die Schülerinnen neugierig werden und sehen, dass Physik Spaß macht“, erklärt Jörg Fandrich. Zudem gehe es beim Girls’ Day natürlich auch darum, Schülerinnen mit der Universität vertraut zu machen und etwaige Ängste zu nehmen. „Wir wünschen uns, dass wir so mehr Mädchen für die Naturwissenschaften begeistern können.“

Schon Aristoteles wusste, wie man den Nachwuchs für Naturwissenschaften motiviert.

Schon Aristoteles wusste, wie man den Nachwuchs für Naturwissenschaften motiviert.
Bildquelle: Nora Lessing

Unterstützung bekamen die Mädchen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Schüler/innen/labors PhysLab“ vom Fachbereich Physik.

Unterstützung bekamen die Mädchen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Schüler/innen/labors PhysLab“ vom Fachbereich Physik.
Bildquelle: Nora Lessing

„Ich verstehe einfach gern, wie Sachen funktionieren, und mag es, wenn ich nachdenken muss“, erklärt Stella unterdessen ihre Kurswahl. Für die Reise durch die Physik hat sie sich entschieden, nachdem sie das komplette Girls’-Day-Programm durchgelesen hatte. „Knifflige Rätsel zu lösen macht mir Spaß“, sagt die 10-Jährige. Dass sie später einmal ein naturwissenschaftliches Fach studieren wird, kann sie sich durchaus vorstellen.

Mit Feuereifer dabei

Begeisterung ist auch am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft deutlich zu spüren. Hier setzen sich beim Workshop „Der Weg eines T-Shirts – von der Planung bis zum Verkauf. Erste Einblicke in die Betriebswirtschaftslehre.“ 25 Schülerinnen intensiv mit den betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen in der Textilindustrie auseinander. Keine leichte Aufgabe, denn diese sind komplex. „Da geht es sowohl darum, wo, von wem und zu welchem Preis die Baumwolle angebaut wird, als auch darum, wie sie nach Europa gelangt, verarbeitet und schließlich verkauft wird“, erklärt Nora Lohmeyer, eine der Initiatorinnen des Workshops. „Es ist schön zu sehen, mit welchem Feuereifer die Mädchen dabei sind und auch kritische Fragen stellen.“

Weibliche Vorbilder in den Naturwissenschaften sind wichtig

„Der Girls’ Day wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als ein sehr viel restriktiveres Geschlechterbild vorherrschte als heutzutage. Dennoch finde ich, dass es sich auch heute noch um eine sinnvolle Einrichtung handelt“, ist Jörg Fandrich überzeugt. Mögliche Berufsfelder sichtbar zu machen, sei schlicht ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit. „Es hat sich schon viel getan, aber wir sehen heute immer noch große Unterschiede in der Berufswelt von Männern und Frauen – etwa in der Bezahlung. Das muss sich dringend ändern.“

Die Frauenbeauftragte des Fachbereichs Physik, Beate Schattat, kann dem nur beipflichten: „Ich beobachte immer wieder, dass Mädchen kaum ermuntert werden, sich mit den Naturwissenschaften zu befassen.“ Es sei sowohl wichtig, Mädchen dabei zu helfen, die naturwissenschaftlichen Fächer für sich zu entdecken, als auch weibliche Vorbilder zu präsentieren, so Schattat. „Eine einzelne Veranstaltung wie der Girls’ Day reicht zwar nicht aus, um gesamtgesellschaftlich etwas zu verändern, denn das sind sehr feste Strukturen, die wir da versuchen, aufzubrechen. Doch je mehr solcher Angebote es gibt, desto selbstverständlicher wird es für Mädchen, sich in diesen Bereichen zu behaupten.“