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Studienfahrt in Richtung ewiges Eis

Weltraumwissenschaftler der Freien Universität als Dozenten bei „Shipboard-Training“ auf dem Forschungsschiff „Polarstern“

10.05.2017

Studierende bei Messarbeiten auf der „Polarstern“.

Studierende bei Messarbeiten auf der „Polarstern“.
Bildquelle: Privat

Dass Studium und spätere Berufspraxis zwei verschiedene Dinge sind, lernt wohl jede Studentin und jeder Student im Lauf der Uni-Zeit. Doch während in manchen Fächern Praktika der späteren Berufspraxis sehr nahe kommen, wodurch eine Brücke zwischen Universität und Praxis geschlagen wird, ist die Simulation realer Bedingungen in anderen Bereichen schwieriger. Um Nachwuchswissenschaftlern aus dem Bereich der Meeresforschung Einblicke in den Alltag auf einer Forschungsexpedition zu verschaffen, veranstaltet das Alfred-Wegener-Institut (AWI) regelmäßige Sommerschulen, sogenannte Shipboard-Trainings, auf seinem Forschungsschiff „Polarstern“. Bei der Reise im vergangenen Herbst waren auch Weltraumwissenschaftler der Freien Universität an Bord: Therese Keck, Thomas Ruhtz, René Preusker und Ulrich Küster vom Fachbereich Geowissenschaften.

Normalerweise finden Sommerschulen in den Sommersemesterferien statt, um Studierenden in der vorlesungsfreien Zeit ein Weiterbildungsangebot zu unterbreiten. Weil die „Polarstern“ aber immer in den Wintermonaten in die Antarktis fährt – dann ist dort Sommer und sie kommt besser durch das Eis – fand dieses Shipboard-Training im November statt. Es war in fünf Einheiten gegliedert, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern hintereinander in Gruppen absolviert wurden: Klima, Ozeanografie, Fernerkundung, Atmosphärenforschung, maritimes Recht und Kunst als Mittel der Meeres- und Wetterbeobachtung.

Die Dozentinnen und Dozenten der Freien Universität waren für den Bereich Fernerkundung zuständig. Die satellitengestützte Fernerkundung des Ozeans ist aus der heutigen Meeresforschung nicht mehr wegzudenken, da nur sie globale Beobachtungen erlaubt. In einem Teilbereich, der sogenannten Ozeanfarbenfernerkundung, werden beispielsweise aus spektralen Messungen des vom Meer reflektierten Sonnenlichts Schlüsse über den Gehalt von Schwebstoffen, Chlorophyll und weiteren Inhaltsstoffen gezogen. Diese Ergebnisse müssen daraufhin in gezielten Experimenten überprüft werden. „So etwas vor Ort mitzuerleben, ist prägend für das ganze Leben, weil die Erfahrung in einem engen Raum auf hoher See in keiner Vorlesung vermittelt werden kann“, sagt Thomas Ruhtz. Dank der Erfahrung werde es den Studierenden bei den nächsten Expeditionen erheblich leichter fallen, noch mehr Verantwortung zu übernehmen.

Die „Polarstern“ macht sich jedes Jahr im November von Bremerhaven aus auf den Weg in die Antarktis, um das Südpolarmeer zu erforschen. Die Antarktis-Saison umfasst mehrere Expeditionen mit verschiedenen Schwerpunkten, im Winter 2016/17 waren dies zunächst ozeanografische Langzeituntersuchungen im Weddellmeer und anschließend geowissenschaftliche Arbeiten im Amundsenmeer. Außerdem versorgt die „Polarstern“ einmal jährlich die in der Antarktis gelegene deutsche „Neumayer-Station III“ mit Lebensmitteln, Treibstoff und neuen Geräten. Während der Überführungsfahrt von Bremerhaven nach Kapstadt, dem Ausgangshafen für die Antarktissaison, findet das Shipboard-Training statt. Deren 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fahren allerdings nicht ganz bis ins ewige Eis, sondern gehen im südafrikanischen Kapstadt von Bord.

„In der Theorie sind die Studierenden super ausgebildet“, sagt René Preusker, „aber hier geht es darum, sie mit realen Forschungsbedingungen zu konfrontieren.“ Das bedeutet, dass sie sich auch mit Dingen auseinandersetzen, die nicht Teil ihres Studiums sind. Bei der Fahrt durch internationale Gewässer sind etwa komplizierte rechtliche Regelungen zu beachten. Auch die wissenschaftlichen Messungen auf hoher See sind nicht mit Laborbedingungen vergleichbar, denn es müssen Wind sowie Fahrtgeschwindigkeit und Bewegungen des Schiffes beachtet werden. Dazu kommen ein knapper Zeitplan, die Enge des Schiffes und die Isolation. Außerdem sind die Ressourcen an Bord begrenzt. „Wenn ein Kabel fehlt, kann man nicht in den Supermarkt gehen und ein neues holen – und wenn ein Messgerät kaputt ist und Ersatzteile fehlen, kann die Messung nicht gemacht werden“, sagt Preusker. Auch die Arbeit unter Zeitdruck sei eine besondere Herausforderung. „Wenn ein Schiff fährt, dann fährt es“, sagt der Weltraumwissenschaftler, „da ist jede Minute exakt geplant.“ Für die angehenden Meeresforscher seien diese realen Bedingungen eine unschätzbare Erfahrung.