Interdisziplinäre Ausrichtung als Kernkompetenz
Bewerbungsbeginn: 15. April 2018: Der Masterstudiengang Landschaftsarchäologie verbindet die Geowissenschaften mit archäologischen Fächern an der Freien Universität Berlin sowie der Feld- und Geoarchäologie an der HTW Berlin
12.04.2018
Studierende der Landschaftsarchäologie beschäftigen sich mit Spuren, die Menschen in Böden hinterlassen haben, wie dieser königliche Grabhügel auf dem „Uppsala Os“, einer Aufschüttung aus der Weichsel-Eiszeit (ca. 10.730 - 74.000 v.Chr.) in Schweden.
Bildquelle: Wiebke Bebermeier
Tobias Saul interessiert sich für Böden. Genauer gesagt, für das Wissen, das in ihnen gespeichert ist und das viel über die Geschichte der Welt verrät. Wer sich aber mit dem Boden beschäftigt, stößt zwangsweise auch auf Spuren, die Menschen vor Jahren oder Jahrhunderten hinterlassen haben. Das Geographiestudium, das Tobias Saul mit dem Bachelor abschloss, half ihm bei dem Lesen dieser menschlichen Spuren nur begrenzt. Deshalb entschied er sich für ein Masterstudium der Landschaftsarchäologie.
Die Landschaftsarchäologie ist ein noch junges Fach. Seit dem Wintersemester 2012/2013 bieten die Freie Universität und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) den Studiengang als interdisziplinären Master an. Landschaftsarchäologinnen und -archäologen beantworten Fragen, die sich an der Schnittstelle von Geographie und Archäologie ergeben können. Geographinnen und Geographen interessieren sich vor allem für den Raum: Sie beschäftigen sich mit der Struktur der Erdoberfläche. In der Archäologie dagegen steht der Mensch mit seinen Hinterlassenschaften im Vordergrund.
„Streng genommen haben die Disziplinen erst einmal nichts miteinander zu tun“, sagt Wiebke Bebermeier, Koordinatorin des Studiengangs und Professorin für Physische Geographie mit Schwerpunkt Landschaftsarchäologie an der Freien Universität. „Reine Archäologinnen und Archäologen können die Landschaft nicht lesen, und reine Geographinnen und Geographen sind nicht sensibilisiert für archäologische Fragen.“
Um zu untersuchen, wie Mensch und Umwelt zusammenwirken, brauche es beide Disziplinen. Die Landschaftsarchäologie versuche, mögliche „Reibungsverluste“ zwischen den Fächern abzufangen und eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Wiebke Bebermeier weiß, wovon sie spricht, als Diplom-Umweltwissenschaftlerin hat sie persönlich positive Erfahrungen mit interdisziplinären Studiengängen gemacht.
Absolvent Tobias Saul wusste die interdisziplinäre Ausrichtung des Studiengangs zu schätzen - im Studium und bei seiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Physische Geographie.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt
Der Master-Studiengang der Landschaftsarchäologie richtet sich an Studierende mit einem Bachelor-Abschluss in den Geowissenschaften oder in einem archäologischen Fach. Im ersten Semester werden theoretische Zugänge, sowie Hintergrundwissen und Methodenkompetenz vermittelt und die Studierenden besuchen Einführungsveranstaltungen in der jeweils anderen Disziplin.
Linda Bjerketvedt hat gerade das erste Semester abgeschlossen. „Der Studiengang ist theoretisch sehr gut aufgestellt, wir diskutieren moderne Texte aus der Archäologie und der Geographie, auch auf Englisch. Obwohl die Unterrichtssprache Deutsch ist, ist der Studiengang sehr international ausgerichtet.“ Für die Norwegerin, die in Edinburgh ihren Bachelor in Archäologie absolviert hat, sind das gute Voraussetzungen.
Im zweiten und dritten Semester kommen methodische Kenntnisse und praktische Übungen hinzu; die Studierenden lernen, Daten in 3D-Modellen zu dokumentieren, sie erfassen Geodaten und werten sie aus, und sie bearbeiten Proben im Labor. Dafür nutzen sie auch modernste wissenschaftliche Methoden. Tobias Saul hat sich in seinem Studium beispielsweise in die sogenannte Phytolith-Analyse eingearbeitet. Das erworbene Praxiswissen konnte er bei einer Forschungsexkursion nach dem zweiten Semester auf Sri Lanka praktisch anwenden: Um herauszufinden, ob an Gräbern Rituale stattfanden, untersuchte er mit dieser Methode Mikrofossilien von Pflanzen, die etwas über einen möglichen menschlichen Einfluss verraten.
Die Interdisziplinarität besteht nicht nur zwischen Archäologie und Geographie, sondern kommt auch durch die Kooperation mit dem Masterstudiengang Grabungstechnik an der HTW Berlin zustande. „Die Zusammenarbeit ist sehr gewinnbringend“, sagt Tobias Saul. „Aus der Grabungstechnik kommen andere Perspektiven, die dort Forschenden und Beschäftigten haben eine größere Sensibilität für die technische Umsetzung von Projekten.“ Es vermittele eine gewisse Sicherheit, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mit solchen Methoden forschen, als nur einen akademischen Artikel darüber gelesen zu haben. Er habe so zum Beispiel gelernt, wie man Scherben technisch einliest – ein Wissen, das er in einem Geographie-Masterstudium wohl nicht erworben hätte.
Wiebke Bebermeier ist Professorin für Physische Geographie mit Schwerpunkt Landschaftsarchäologie an der Freien Universität und koordiniert den Masterstudiengang.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt
Durch die Zusammenarbeit mit der HTW können Studierende auf die Ausstattung dreier Fachbereiche an zwei Universitäten zurückgreifen: An der Freien Universität Berlin sind die Fachbereiche Geowissenschaften und Geschichts- und Kulturwissenschaften an dem Master beteiligt. Dies sei ein weiterer Standortvorteil, sagt Wiebke Bebermeier. Durch den Exzellenzcluster Topoi sei die enge Beziehung zwischen der Geographie und der Altertumsforschung in den vergangenen Jahren weiter gewachsen.
Obwohl zwei Universitäten beteiligt sind, ist der Studiengang klein; jeweils zehn Plätze an der Freien Universität und an der HTW sorgen für ein intensives Betreuungsverhältnis. Das bestätigt die Studentin Linda Bjerketvedt: „Bei Fragen bekommen wir immer sehr schnell Hilfe von den Dozentinnen und Dozenten. Die Atmosphäre am Institut ist sehr locker und familiär, teilweise duzen sich Dozierende und Studierende auch.“
Linda Bjerketvedt würde nach ihrem Master gerne promovieren. Danach kann sie sich vorstellen, im Museum oder an der Universität zu arbeiten. Auf jeden Fall will sie beruflich im Bereich der Landschaftsarchäologie bleiben. Dass es einen Bedarf für Landschaftsarchäologen gibt, sei kürzlich bei einem Fachgespräch deutlich geworden, so Wiebke Bebermeier. Absolventinnen und Absolventen fänden zum Beispiel Jobs in der Denkmalpflege, in der Forschung oder bei privaten Firmen, die archäologische Stätten erkunden und ausgraben.
Trotz der Interdisziplinarität behalten die Studierenden die fachliche Ausrichtung ihrer Heimatdisziplin. Als Geograph habe er nicht das gleiche Fachwissen wie seine Mitstudierenden aus der Archäologie, sagt Tobias Saul – aber er wisse jetzt, an wen er sich bei Spezialfragen wenden könne. Zumal der Student an den Fachbereichen und auf den Forschungsexkursionen mit Menschen zusammenarbeitet, die noch immer in einer der Kerndisziplinen verankert sind.
Die interdisziplinäre Ausrichtung empfindet Tobias Saul als Vorteil: „Man kann und sollte die Interdisziplinarität als Kernkompetenz strategisch nutzen. Im Master habe ich gelernt, über den Tellerrand meiner eigentlichen Fachs, der Geographie, hinauszublicken und ein Gespür für Fragestellungen aus anderen Disziplinen bekommen.“ Manche Fragen würden nur entstehen, wenn man sich gemeinsam an einen Tisch setze. „Die Wissenschaft lässt sich ohnehin nicht so leicht in Schubladen stecken. Der interdisziplinäre Ansatz befähigt uns, Wissenschaft in Zukunft konstruktiv zu gestalten.“
Seine konstruktive, interdisziplinär geschulte Arbeitsweise kann Tobias Saul gleich in die Tat umsetzen: Nach seinem Master-Abschluss im Wintersemester 2017/2018 arbeitet er jetzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Physischen Geographie an der Freien Universität Berlin.
Weitere Informationen
Bewerbung für den konsekutiven Masterstudiengang Landschaftsarchäologie
- Bewerbungsfrist fürs Wintersemester 2018/2019 für das 1. Fachsemester: 15. April bis 31. Mai 2018
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