Springe direkt zu Inhalt

Ein Intermezzo in Präsenz

Die Vorkurse für internationale Studierende von Anfang September bis Mitte Oktober konnten auf dem Campus der Freien Universität stattfinden – das Konzept zeigt, wie Präsenzlehre während des eingeschränkten Pandemiebetriebs möglich war

12.11.2020

September, Oktober 2020 an der Freien Universität: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des für internationale Studierende verbindlichen Vorkurses waren froh, dass die Veranstaltungen unter strengen Auflagen, aber in Präsenz stattfinden konnten.

September, Oktober 2020 an der Freien Universität: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des für internationale Studierende verbindlichen Vorkurses waren froh, dass die Veranstaltungen unter strengen Auflagen, aber in Präsenz stattfinden konnten.
Bildquelle: Martina Yetkiner

Wie dynamisch die Pandemie-Situation ist, zeigt sich an vielem. Etwa an diesem Beispiel: Im September und Oktober fanden in der Rost- und Silberlaube auf dem Campus Dahlem der Freien Universität die sechswöchigen Vorkurse für internationale Studierende statt – unter Pandemie-Bedingungen, aber als Präsenzveranstaltungen. Angesichts der derzeitigen COVID-19-Infektionszahlen und vor dem Hintergrund des Wellenbrecher-Lockdowns klingt das nach Nachrichten aus einer anderen Zeit. Sie erinnern an eine Lehrsituation, nach der sich so viele sehnen, die aber in diesem Jahr so kaum mehr möglich sein wird.

Heute wissen wir, dass, was noch vor einigen Wochen wie eine Generalprobe für den eingeschränkten Präsenzunterricht im kommenden Semester wirken mochte, im Rückblick lediglich ein kurzes Intermezzo war: Die steigenden COVID-19-Fallzahlen und die daran angepassten Änderungen der Berliner Infektionsschutzverordnung machen einen Präsenzbetrieb an der Universität gegenwärtig nahezu unmöglich.

Dennoch lohnt ein Blick auf die Organisation der Vorkurse, weil sie zeigt, wie Präsenzlehre unter Hygieneauflagen stattfinden könnte, sobald die epidemiologische Lage dies wieder zulässt.

Intensivsprachkurs am Vormittag, Kulturbegleitprogramm am Nachmittag

Die Vorkurse richten sich an internationale Studierende, die für ein oder zwei Semester an der Freien Universität studieren. Neben einem Intensivsprachkurs am Vormittag gehört ein Kulturbegleitprogramm am Nachmittag zu dem Angebot, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Museen, Theater oder Gedenkstätten besuchen.

Die Gruppengröße der Kurse wurde auf zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesenkt.

Die Gruppengröße der Kurse wurde auf zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesenkt.
Bildquelle: Martina Yetkiner

„Um die Ansteckungsgefahr möglichst gering zu halten, fand in diesem Jahr vieles draußen statt“, sagt Anna Martina Yetkiner vom Sprachenzentrum der Freien Universität. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin hat die Vorkurse organisiert. „Zum Glück kann man in Berlin doch einiges an der frischen Luft unternehmen und sich einen Eindruck von vielen Sehenswürdigkeiten auch beim Vorbeilaufen und Betrachten von außen verschaffen.“

Für den Sprachkurs kehrten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedoch in den Seminarraum zurück – was dank der guten Vorbereitung auch problemlos klappte: So dufte der Raum stets nur durch eine Tür betreten und durch eine andere wieder verlassen werden, um Gedränge zu vermeiden.

Feste Sitzplätze und Wege

Außerdem hatten die Studentinnen und Studenten für die gesamte Dauer des Kurses einen festen Sitzplatz, bei Gruppenarbeiten wurde strikt auf die Einhaltung der Abstände geachtet.

„Wir haben einen sehr spezifischen Hygieneplan ausgearbeitet nach den Vorgaben der Universität und des Senats“, erklärt Ruth Tobias, Direktorin des Sprachenzentrums. Sie sei sehr froh, dass die Kurse trotz der widrigen Bedingungen stattfinden konnten. Auch weil auf die aktuelle Situation rasch reagiert wurde: Wegen der steigenden Fallzahlen musste seit Anfang Oktober ein Mund-Nasen-Schutz nicht wie bisher nur auf den Gängen, sondern auch während des Unterrichtes im Seminarraum getragen werden.

Verdeckte Mund-Nasen-Partie macht es schwerer, eine neue Sprache zu lernen

Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Sprachkurses ist das eine massive Einschränkung, weil so die Mundpartie beim Sprechen verdeckt wird. Das empfand auch Simon Nielsen so, der in Dänemark Politikwissenschaft studiert und seit September mit einem Erasmusstipendium in Berlin ist: „Es macht es schwerer, einander zu verstehen, wenn man die Lippen des Gesprächspartners nicht sieht.“

Beim gegenseitigen Kennenlernen seien die Masken jedoch kein Hindernis gewesen. „Wenn wir draußen an der frischen Luft waren, konnten wir uns ja ohne Masken unterhalten“, sagt er.

Trotz der akribischen Vorbereitung durch das Team des Sprachenzentrums war es im August, als die Planungen liefen, keineswegs klar, ob die Vorkurse überhaupt in Präsenz würden stattfinden können. Zu frisch waren die Erinnerungen an den März dieses Jahres, als die Veranstaltungen wie üblich in Präsenz angelaufen waren und nach zwei Wochen plötzlich auf Online-Betrieb umgestellt werden musste.

Sehnsucht nach studentischem Leben

„Uns war natürlich bewusst, dass die Studierenden auch jetzt im Herbst ein Interesse daran haben, nicht nur zu Hause zu sitzen, sondern ein einigermaßen normales Studierendenleben zu führen“, sagt Ruth Tobias. „Wir haben im Sprachenzentrum sehr sorgfältig geprüft, unter welchen Bedingungen wir Präsenzveranstaltungen anbieten können.“ So sei etwa die Teilnehmerzahl von durchschnittlich sechzehn auf zehn pro Kurs gesenkt worden.

Dass sie ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen tatsächlich begegnen konnte, freut auch die belgische Studentin Anna Poels: „Es ist schwieriger, eine neue Sprache in einem Online-Kurs zu lernen, wenn man alleine in seinem Zimmer sitzt.“

Und auch nach dem Unterricht zeigten sich die Vorzüge der Präsenzlehre, wie Simon Nielsen anmerkt: „Nach dem Vorkurs haben wir uns manchmal noch getroffen und dann auch meistens Deutsch miteinander gesprochen. Das ist eine gute Übung, weil wir alle auf einem ähnlichen Level sind und die gleichen sprachlichen Herausforderungen meistern müssen.“

Anna Poels will sich trotz der notwendigen Umstellung auf digitale Lehre ihren Auslandsaufenthalt nicht vermiesen lassen. „Ein großer Faktor für mich waren die Kurse, die ich gerne auf Deutsch belegen wollte. Selbst wenn der Unterricht online stattfinden muss, würde sich daran nichts ändern. Außerdem ist es – trotz aller Corona-Einschränkungen – toll, in Berlin zu leben.“