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„Bitte weiter so!“

Beim Wrap-up-Event Studium und Lehre 2030 präsentierten 17 Arbeitsgruppen ihre Vorschläge zum Leitbild Lehre für die Freie Universität

26.03.2021

Irgendwann wird es wieder so aussehen: Studierende auf dem Campus der Freien Universität. Sie stehen im Mittelpunkt des Strategieprozesses Studium und Lehre 2030. In dieser Woche wurden die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen vorgestellt.

Irgendwann wird es wieder so aussehen: Studierende auf dem Campus der Freien Universität. Sie stehen im Mittelpunkt des Strategieprozesses Studium und Lehre 2030. In dieser Woche wurden die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen vorgestellt.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

„Schön, Sie wiederzusehen“, grüßte Vizepräsident Professor Hauke Heekeren in die digitale Runde. 140 Personen hatten sich zum Wrap-up-Event am 22. März eingewählt – und blieben bis zum Ende der dreieinhalbstündigen Veranstaltung, in der die Ergebnisse von 17 Arbeitsgruppen vorgestellt wurden, die sich nach dem Kick-Off-Event im November gebildet hatten.

Dass nach einem ersten digitalen Event im Juni vergangenen Jahres und der Auftaktveranstaltung im November auch die dritte große Veranstaltung im Rahmen des Strategieprozesses Studium und Lehre 2030 im Video-Format stattfinden musste, ist der anhaltenden Pandemiesituation geschuldet. Dass es trotzdem zu einem gewinnbringenden Austausch kam, war der engagierten Vorbereitung durch die Arbeitsgruppen und der konzentrierten Präsentation durch ihre Sprecherinnen und Sprecher zu verdanken: In jeweils drei Minuten erläuterten sie, was sie mit ihren Teams in den vergangenen dreieinhalb Monaten mit Blick auf das Ziel eines Leitbilds Lehre für die Freie Universität erarbeitet hatten.

17 Arbeitsgruppen zu vielfältigen Aspekten von Studium und Lehre

Von den „Möglichkeiten studentischer Partizipation“ über „Diversity“ bis hin zu „Lehre aus Nachhaltigkeitsperspektive“ – die Namen der Arbeitsgruppen bilden die große Vielfalt der Themen ab, denen sich die rund 120 AG-Mitglieder seit November gewidmet haben und deren Arbeitsprozess und Ergebnisse in einem Wiki dokumentiert sind.

Auch, wenn sie nicht in allen Arbeitsgemeinschaften gleichermaßen vertreten waren, stehen sie immer im Mittelpunkt: die Studierenden. „Für alle gleich – für jeden anders“ hatte die Arbeitsgruppe „Innovative Lehr-, Lern- und Prüfungsformate“ als Motto gewählt. Studierende in ihrer großen Vielfalt müssten im Zentrum aller Überlegungen über Studium und Lehre stehen, sagte Ulrike Mußmann, Medienpädagogin am Center für Digitale Systeme (CeDiS) / Universitätsbibliothek, in ihrer Kurzpräsentation.

Chemieprofessorin Beate Koksch erläuterte exemplarisch für zukunftweisende Lehr-Lern-Formate das Prinzip der forschungsorientierten Lehre (FoL) am Beispiel des Fachbereichs Biologie, Chemie, Pharmazie: Dort seien Studierende fortgeschrittener Semester über mehrwöchige Laborpraktika in Forschungsprojekte eingebunden und auch Mitautorinnen und -autoren bei Veröffentlichungen.

Angie Martiens, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Exzellenzcluster „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspektive“, stellte die Ergebnisse der AG „Wissenschaftliches Schreiben“ vor. In der Ausbildung dieser Fähigkeit würden Studierende noch zu wenig unterstützt, konstatierte sie.

Mathematikprofessor Christian Haase bezeichnete die Lehrkräftebildung als Sprecher der gleichnamigen AG als „Aufgabe für die gesamte Uni“ und verwies auf die gesellschaftliche Verantwortung: „Durch die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern wirkt die Universität in die Gesellschaft hinein. Und: Was hier investiert wird, kommt an die Universität zurück.“

Nadine Schunter sprach für die AG „Ressourcen und Arbeitsbedingungen im Bereich Studium und Lehre“. Mit ihrem Team habe sie sich auch die Frage gestellt, was für exzellente Lehre nötig sei: „Jedenfalls keine Konkurrenz zwischen Lehr- und Forschungstätigkeiten“, sagte die Referentin für Studium und Lehre am Fachbereich Veterinärmedizin. Darin waren sich alle einig.

Mit Fragen von Qualitätssicherung und der Evaluierung von Lehrveranstaltungen beschäftigt sich die gleichnamige AG, deren Vorschläge vor allem auf größere Transparenz bei der Evaluation von Lehrveranstaltungen abzielen, um die Akzeptanz und Teilnahme an Evaluationen zu erhöhen. Ulrike Höppner, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“, nannte als mögliche Gründe, warum der Rücklauf von Evaluierungsbögen in der Regel so schwach sei, dass die Fragebögen teilweise nicht zum Veranstaltungsformat passten. Gisela Romain vom Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Lehreinheit Grundschulpädagogik, wiederum erklärte, sie biete Studierenden über Blackboard an, sich anonym zur Lehrqualität ihrer Seminare zu äußern.

„Gute Lehre gibt es nicht umsonst“

Wie aber kann Lehre besser werden? „Gute Lehre muss mit einer Verringerung des Deputats einhergehen“ – mit dieser Anregung wandte sich Gerald Haese vom CeDiS / Universitätsbibliothek direkt an den Vizepräsidenten für Studium und Lehre.

„Gute Lehre gibt es nicht umsonst“, sagt auch Corinna Tomberger vom Team Zentrale Frauenbeauftragte: „Es muss sich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lohnen, Zeit für gute Lehre aufzuwenden. Etwa, weil es in Berufungsverfahren zählt, wenn sie sich hochschuldidaktisch qualifiziert haben. Wertschätzung ist wichtig, aber die Freie Universität muss auch bereit sein, dauerhaft in Lehrqualität zu investieren, personell und finanziell.“ Ein „Lehrprofilsemester“ analog zum Forschungsfreisemester wäre ein Vorschlag, sagt Corinna Tomberger.

Sie erläutert auch, warum Wertschätzung für gute Lehre viel mit Chancengerechtigkeit zu tun habe: „Studien weisen auf eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im wissenschaftlichen Feld hin: Frauen verbringen häufig mehr Zeit damit, ihre Lehrveranstaltungen vorzubereiten und Studierende zu betreuen; Männer hingegen widmen sich oft stärker wissenschaftlichen Veröffentlichungen.“

Einhelliges Bekenntnis zur Präsenz-Universität

Jörg Aschenbach berichtete aus der AG „Digitalisierung von Lehre, Prüfungen und lehrunterstützenden Bereichen“, deren 13 Mitglieder sich in den vergangenen dreieinhalb Monaten insgesamt sieben Mal getroffen haben. Der Aufwand sei höher gewesen als gedacht: „Aber die Atmosphäre war extrem produktiv“, sagte der Professor vom Institut für Veterinär-Physiologie. „Wir hatten sowohl Phasen, in denen wir in die Weiten der Digitalisierung abgeschweift sind, weil Digitalisierung ein Querschnittsthema ist, als auch solche, in denen wir lange an winzigen Details gearbeitet haben.“

Um manches habe man stundenlang gerungen, anderes sei schnell Konsens gewesen. Vor allem bei einem Punkt sei man sich sofort einig gewesen: „Wir haben uns einhellig zur Präsenz-Universität bekannt: Der Digitalisierung kommt an der Freien Universität also die klare Aufgabe zu, die Funktionsbedingungen einer Präsenzuniversität zu stützen.“

Der Strategieprozess verbindet

Immer wieder hoben Teilnehmerinnen und Teilnehmer – im Plenum und im Chat – das große Verbindungs- und Kommunikationspotenzial des Strategieprozesses „Studium und Lehre 2030: Zukunft gemeinsam gestalten“ hervor. Weil Mitglieder aller Statusgruppen der Freien Universität eingeladen sind, sich an der Entwicklung eines Leitbildes und einer Strategie zu beteiligen – also Studierende, Lehrende, Forschende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Univerwaltung – tauschten sich Menschen miteinander aus, die sonst vermutlich eher selten miteinander ins Gespräch gekommen wären.

„Die Uni ist wie ein kleiner Kontinent mit vielen Kulturkreisen, zwischen denen die Kommunikation nicht immer funktioniert. Daher hat es mich sehr gefreut, dass in den beiden AGs, in denen ich aktiv war, kontinuierlich und konstruktiv diskutiert wurde“, sagt Kunstgeschichtsstudentin Lena Hirschfelder.

Gemeinsam mit Nora Leben, Master-Studentin in den Bildungs- und Erziehungswissenschaften und Mitarbeiterin der Lehrqualifizierung an der Freien Universität Berlin, leitet die studentische Mentorin und Tutorin in der Kunstgeschichte, die außerdem in der Fachschaftsinitiative aktiv ist, die Arbeitsgruppen „Studentische Lehr- und Lernprojekte“ und „Formate der Partizipation“. Ein aus der AG-Arbeit hervorgegangener konkreter Vorschlag: Projekttutorien, in denen Studierende gemeinsam mit Dozierenden eigene Forschungsvorhaben und -ergebnisse in einer eigens dafür organisierten Lehrveranstaltung präsentieren oder vertiefen können.

Auch Lehramtsstudentin Leonie Wingerath, die in der AG „Studentische Partizipation und Mitgestaltung“ engagiert war, zeigte sich positiv überrascht: Als „innovativ“ und „ziemlich hierarchielos“ habe sie die Arbeitsatmosphäre empfunden.

Karina Kriegesmann, promovierte Historikerin und Studiendekanin am Lateinamerika-Institut und in der AG „Internationalisierung“ aktiv, betonte, es gehe ihr bei ihrem Einsatz „nicht allein um ein verschriftlichtes Leitbild, sondern auch um die Bildung einer Gemeinschaft von Menschen, die sich für Studium und Lehre an der Freien Universität engagieren und den Weg in die Zukunft gemeinsam gestalten und bewusst mitgehen möchten“. Im Sommersemester 2021 will die wissenschaftliche Mitarbeiterin auch mit ihren Studierenden über den Strategieprozess sprechen: „Wir wollen uns gemeinsam weiterentwickeln. Es gibt doch nichts Besseres, als sich im Leitbild wiederzufinden und es im Universitätsalltag gemeinsam mit Leben, Erfahrung und Wissen füllen zu können.“

Jetzt den Schwung nutzen

Im Gespräch zu bleiben, hält auch Cynthia Heiner für das Wichtigste: Die promovierte Mentoring-Referentin am Fachbereich Physik, die dort und am Institut für Informatik das Projekt „MINToring für Mädchen koordiniert, hat einen ähnlichen Prozess schon an der University of British Columbia in Kanada mitgemacht. Verwaltungsleiterin Anna Kosmol vom Fachbereich Veterinärmedizin bedankte sich für die Veranstaltung: „Bitte weiter so! Am schlimmsten wäre es, wenn das Ganze im Sand verlaufen würde.“ Wichtig sei es, den Schwung aller jetzt zu nutzen.

Das versprach Vizepräsident Hauke Heekeren: Das Team Strategieprozess werde nun auch auf der Grundlage der AG-Ergebnisse einen Textvorschlag für das Leitbild Lehre der Freien Universität machen. Anfang Mai starte die universitätsweite Feedback-Kampagne, durch die der Diskussionsraum noch einmal erweitert werden solle. Mitte Juni 2021 soll die nächste große digitale Veranstaltung stattfinden. Die Entwürfe bleiben im Wiki weiterhin kommentierbar.

Hauke Heekeren zeigte sich zum Abschluss der Veranstaltung begeistert von der „Energie und dem Mut zur Vision“. Und sehr erfreut über die vielen eingeflossenen Perspektiven: „Wir brauchen an der Universität eine Kultur der Kommunikation, die uns erlaubt, auch Dinge anzusprechen, die nicht funktionieren. Wir brauchen ein vertrauensvolles Miteinander und gegenseitige Wertschätzung.“