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„Die Kultur der Kommunikation ist das Herzstück unseres Ansatzes“

Interview mit Vizepräsident Hauke Heekeren zum Strategieprozess „Studium und Lehre 2030“ / Nächstes Event am 10. Juni

17.05.2021

Bald nicht mehr allein auf dem Campus: Noch im laufenden Sommersemester soll wieder mehr Präsenz möglich sein. Der digitale Strategieprozesses hat die Vernetzung der Statusgruppen untereinander und die Kommunikation an der Universität befördert.

Bald nicht mehr allein auf dem Campus: Noch im laufenden Sommersemester soll wieder mehr Präsenz möglich sein. Der digitale Strategieprozesses hat die Vernetzung der Statusgruppen untereinander und die Kommunikation an der Universität befördert.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Am 10. Juni 2021 lädt die Freie Universität Berlin zum zweiten Wrap-up-Event im Rahmen des Strategieprozesses „Studium und Lehre 2030“ ein. Neben der Vorstellung des aus dem einjährigen Prozess entstandenen Entwurfes eines Leitbilds Studium und Lehre sollen konkrete Maßnahmen für eine Lehr- und Lernstrategie diskutiert werden. Ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten Professor Hauke Heekeren über wertschätzende Kommunikationskultur, den Austausch von Kachel zu Kachel und Perspektiven für die nächsten Monate.

Herr Professor Heekeren, wenn Sie zurückblicken auf ein Jahr „Strategieprozess Studium und Lehre 2030“ mitten in der Corona-Pandemie – was kommt Ihnen in den Sinn?

Gerade der Strategieprozess, den wir während der Pandemie in Gang gebracht haben, zeigt, wie gut wir gemeinsam durchhalten in der Krise, wie viel Rücksicht wir aufeinander nehmen und dass wir deutlich lösungsorientiert arbeiten können. Bei aller Anstrengung ist es eine geradezu beglückende Erfahrung zu sehen, wie Studierende, Lehrende und Beschäftigte nicht nur Studium, Forschung und Verwaltung in ihren jeweiligen Bereichen aufrechterhalten, sondern auch die Energie aufbringen, sich für ein solches Gemeinschaftsprojekt zu engagieren.

Der Strategieprozess ist darüber hinaus ein gutes Beispiel, wie wir unsere Universität ganzheitlich und gemeinsam weiterbringen können. Wir haben als Hochschulleitung die Aufgabe, eine Vision und eine Strategie für unsere Institution zu entwickeln. Dann geht es darum, gute Prozesse aufzusetzen, die es Hochschulangehörigen aller Statusgruppen ermöglichen, sich an der Ideen- und Entscheidungsfindung zu beteiligen.

Dieses Prinzip der partizipativen Führung hat sich sowohl beim Strategieprozess als auch bei der Bewältigung der Corona-Krise an der Freien Universität Berlin bewährt.

Können Sie das erläutern?

Vizepräsident Prof. Hauke Heekeren: „Ich habe den Eindruck, dass Kommunikation und Interaktion in gut konzipierten Videoformaten dazu beitragen können, Hürden abzubauen und die Zusammenarbeit produktiv zu gestalten.“

Vizepräsident Prof. Hauke Heekeren: „Ich habe den Eindruck, dass Kommunikation und Interaktion in gut konzipierten Videoformaten dazu beitragen können, Hürden abzubauen und die Zusammenarbeit produktiv zu gestalten.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Ich verstehe eine Universität als Expertenorganisation, an der viele gebildete, hochmotivierte und diverse Menschen studieren, lehren, forschen und arbeiten. Deren Expertise brauchen wir für die Weiterentwicklung unserer Institution in den nächsten Jahren.

Prozesse partizipativ und integrativ zu gestalten, hat viele positive Effekte. Es führt zunächst zu besseren und innovativen Ergebnissen. Es motiviert aber auch, sich einzubringen und mitzuwirken. Und es stärkt unsere universitäre Gemeinschaft.

Ausgerechnet der Strategieprozess, bei dem es um Austausch, Vernetzung und Kommunikation geht, ein Prozess, aus dem ein Leitbild für Studium und Lehre entstehen soll und durch den viele Impulse in die Universität wirken sollen, musste ins Digitale verlegt werden. Geht das überhaupt?

Das haben wir uns natürlich auch gefragt, als klar wurde, dass das für April 2020 geplante große Kick-Off-Event wegen der Pandemie nicht stattfinden konnte. Dann haben wir uns mit großem Engagement auf die Umstellung dieser Präsenzveranstaltung auf das Webex-Format eingelassen.

Wir haben dem Kick-Off-Event, das schließlich digital im vergangenen November stattfand, eine erste große Webex-Veranstaltung im Juni vorgeschaltet, auch, um das Format auszuprobieren. Im Rahmen dieses World Cafés haben rund 125 Studierende, Lehrende und Beschäftigte miteinander über Erfahrungen und Herausforderungen im ersten Semester unter Pandemiebedingungen diskutiert und dabei auch die ersten Lerneffekte aus der Situation reflektiert.

Weil die neue Art des Austausches – nicht persönlich, vis-à-vis, sondern in Videokonferenzen – erstaunlich gut funktioniert hat, konnten wir auch die weiteren Veranstaltungen – das Kick-Off-Event im November und das Wrap-up-Event im März 2021 – in dieser Form durchführen.

Hat sich das digitale Format möglicherweise produktiv auf den Strategieprozess ausgewirkt?

Wir haben natürlich alle vermisst, uns in Präsenz austauschen und begegnen zu können. Das neue Format hat jedoch bestimmt vielen die Teilnahme erleichtert, weil man sich einfach dazuschalten konnte und nicht anreisen musste. Die Diskussion beim Wrap-up-Event im März mit rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war außerdem ausgesprochen fokussiert und fruchtbar, das habe ich selten so erlebt.

Ich habe den Eindruck, dass Kommunikation und Interaktion in gut konzipierten Videoformaten dazu beitragen können, Hürden abzubauen und die Zusammenarbeit produktiv zu gestalten.

Weil so Distanz aufgehoben wird?

Ein wichtiges Ziel des Strategieprozesses ist es ja, alle an der Universität über das große Thema Studium und Lehre ins Gespräch miteinander zu bringen – Studierende, Lehrende und Beschäftigte in der zentralen und dezentralen Verwaltung. Wenn man sich über Webex verabredet, sitzt man sich zum verabredeten Termin einfach gegenüber – da ist jeder eine Kachel.

Diese Art des Sich-Begegnens kann hierarchische Unterschiede reduzieren und innovative Vernetzungseffekte befördern. Wir haben von vielen die Rückmeldung bekommen, dass sie positiv überrascht waren, wie leicht sie über Statusgruppen und Fachbereiche hinweg ins Gespräch gekommen sind.

Hat der Schub des Digitalen durch Corona den Strategieprozess auch inhaltlich verändert?

Unbedingt. Das Thema Digitalisierung von Studium und Lehre war zwar auch vor Corona schon ein wichtiges Thema – an der Freien Universität Berlin arbeiten wir schließlich seit mehr als 20 Jahren an und mit E-Learning- und E-Research-Formaten und -Technik. Aber die Pandemiesituation hat die Diskussion darüber nochmal befeuert und uns alle plötzlich mit den Vor- und Nachteilen des digitalen Lernens, Lehrens und Arbeitens konfrontiert.

Im Fokus des Strategieprozesses ist außerdem die partizipative Entwicklung einer gemeinsamen Vision für die Zukunft von Studium und Lehre an unserer Universität. Da der Prozess in drei Semestern unter Pandemiebedingungen stattfinden musste, beschäftigt uns auch die Frage, wie sich die Freie Universität in der Zeit nach der Pandemie angesichts der vielen daraus resultierenden Herausforderungen und Chancen weiterentwickeln wird.

Welches Feedback bekommen Sie aus den verschiedenen Statusgruppen auf den Strategieprozess?

Wir haben gerade die sogenannten Qualitätsgespräche mit allen Fachbereichen und Zentralinstituten geführt – das sind alljährliche Besprechungen zwischen den Dekanaten, dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre und der Abteilung für Lehr- und Studienangelegenheit im Rahmen unseres Qualitätssicherungssystems für Studium und Lehre. Viele Kolleginnen und Kollegen berichten, dass sie sich gefreut haben, in den Arbeitsgruppen, die sich im Rahmen des Strategieprozesses gebildet haben, Gleichgesinnte aus anderen Fachrichtungen und Statusgruppen zu treffen: Es gab ja keine vorgegebenen Themen, die Gruppen haben sich eigeninitiativ gegründet.

Die Studierenden waren besonders angetan, sich direkt mit Lehrenden oder Beschäftigten der Verwaltung austauschen zu können. Und wir haben uns besonders über die Beteiligung der Studierenden an den Veranstaltungen gefreut, vielleicht kommen ja im Laufe der Zeit noch mehr dazu, das wäre schön.

Von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des wissenschaftsunterstützenden Personals kam Zustimmung für den sachgerechten Dialog. Und Wertschätzung dafür, dass alle Anliegen – auch die kritischen oder umstrittenen – zur Sprache gebracht werden konnten. Von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Hochschullehrerinnen und -lehrern wurde uns das ähnlich gespiegelt.

Wie ist der aktuelle Stand des Strategieprozesses?

Der Prozess besteht aus zwei Strängen: Der eine umfasst die Formulierung eines hochschulweiten Leitbildes für den Bereich Studium und Lehre, der andere die Entwicklung von Ideen und konkreten Maßnahmen für eine Lehr- und Lernstrategie.

Auf der Grundlage der Diskussion über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Wrap-up-Event im März ist eine erste Entwurfsfassung des Leitbildes entstanden. Diese Fassung wird im Laufe der nächsten Wochen im Rahmen einer Feedback-Kampagne mit für Studium und Lehre relevanten Akteurinnen und Akteuren in verschiedenen Gesprächsrunden besprochen werden. Der durch die eingeholten Rückmeldungen weiterentwickelte Entwurf wird dann abschließend in den entsprechenden Gremien – der Kommission für Lehrangelegenheiten und dem Akademischen Senat – beraten.

Worum wird es bei der nächsten Veranstaltung, am 10. Juni, gehen?

Am 10. Juni findet in digitaler Form unser zweites Wrap-up-Event statt. Dort stellen wir den Leitbildentwurf vor und wollen vor allem über die Vorschläge der Arbeitsgruppen zu konkreten Maßnahmen für eine Lehr- und Lernstrategie ins Gespräch kommen. Dazu gab es in den Arbeitsgruppen viele Anregungen und innovative Ansätze, das ist ein riesiger Ideenspeicher, mit dem wir weiterarbeiten werden.

Auch zu dieser Veranstaltung sind alle Hochschulangehörigen eingeladen, sich einzubringen. Für eine bessere Planung bitten wir um Anmeldung. Vor und nach dem Event besteht – wie in der ersten Wrap-up-Phase – die Möglichkeit, über eine Wiki-Plattform asynchron die Ideen der Arbeitsgruppen zu kommentieren.

Wie geht es nach dem 10. Juni weiter? Wie wird der Prozess abgeschlossen?

Das Leitbild Studium und Lehre ist die erste wichtige Station im Prozess, dort sollen die Grundsätze einer zukunftsfähigen Vision von Studium und Lehre festgehalten werden, über die wir gemeinsam reflektiert haben: Was ist unser Bildungsauftrag als Universität im 21. Jahrhundert? Wodurch zeichnen sich für uns eine gute Lehr- und Lehrkultur sowie förderliche Rahmenbedingungen für Studium und Lehre aus? An das Leitbild sollen dann Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Bereichs Studium und Lehre an der Freien Universität Berlin anknüpfen; und das ist ein fortlaufender Prozess.

Das heißt also: Der Leitbildprozess hat gewissermaßen ein Ende, die Umsetzung der Ideen und die Weiterentwicklung der Strategie gehen weiter und darüber hinaus.

Am Ende der Veranstaltung im März haben Sie gesagt: „Wir brauchen an der Universität eine Kultur der Kommunikation, die uns erlaubt, auch Dinge anzusprechen, die nicht funktionieren. Wir brauchen ein vertrauensvolles Miteinander und gegenseitige Wertschätzung.“ – Wie lässt sich eine solche Kommunikationskultur schaffen? Wie spricht man gut auch Dinge an, die nicht funktionieren?

Die Kultur der Kommunikation ist das Herzstück unseres Ansatzes. Sie braucht dreierlei: ein gemeinsames Verständnis der Vision und Ziele, ein vertrauensvolles Miteinander sowie gegenseitige Wertschätzung und Respekt. Alle drei Komponenten greifen ineinander. Wenn man gemeinsame Vorstellungen hat, und die Beziehung auf vertrauensvollem Umgang gründet, kann man auch schwierige Dinge ansprechen.

Es ist für eine Organisation unabdingbar, Fehler zu benennen und Prozesse sachlich zu hinterfragen, die durch eine gemeinsame Anstrengung aufgeklärt und verbessert werden können.

Gute Kommunikationskultur entsteht aber auch, indem man einfach mal anfängt und sie vorlebt, wie beim Strategieprozess „Studium und Lehre 2030“. Auch die Krisenbewältigung in der Pandemie ist ein gutes Beispiel: Die Corona-Taskforce, die an der Freien Universität Berlin für Entscheidungen und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verantwortlich ist, hat regelmäßig dazu aufgerufen, Handlungs- und Verbesserungsbedarfe konstruktiv zu melden. Und vieles konnte durch wertvolle Rückmeldungen tatsächlich auf- und ausgebaut und verbessert werden.

Hier hat sich die Kommunikation auf vielen verschiedenen Ebenen gut eingespielt, mit den studentischen Vertreterinnen und Vertretern, mit den Verwaltungsleitungen oder den Studiendekaninnen und Studiendekanen etwa.

Zum Schluss ein Blick auf die nächsten Monate: Wir sind pandemiebedingt jetzt im dritten überwiegend digitalen Semester. Welche Perspektive können Sie für die Freie Universität Berlin, für ihre Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten in Aussicht stellen?

Unser erstes Ziel ist es, noch in diesem Sommersemester wieder mehr Präsenz auf unserem Campus zu ermöglichen, und zwar prioritär in den Bibliotheken und PC-Pools. Damit Studierende, Lehrende und Forschende wieder Arbeitsplätze und Lernräume haben, an Präsenzbestände kommen und sie weitere technische Unterstützung für die digitale Lehre erreicht.

Für den Herbst bin ich angesichts des Fortschritts der Impfkampagne und der Testungen sowie beim aktuellen Pandemiegeschehen zunehmend zuversichtlich, was Präsenz auf dem Campus angeht. Ich verstehe, dass viele gern jetzt schon Planungssicherheit haben möchten, aber die Situation ist im Moment noch hochdynamisch. Wir tauschen uns gerade mit Expertinnen und Experten nicht nur in Berlin darüber aus, wie sichere Öffnungsmodelle für einen Präsenzbetrieb aussehen könnten, um zeitnah belastbare Szenarien für das Wintersemester entwickeln und kommunizieren zu können.

Die Fragen stellte Christine Boldt