„Das motiviert, gemeinsam weiterzudenken und weiterzumachen“
Wie sieht gute zukunftsorientierte Lehre aus? Am 10. Juni ging es beim zweiten Wrap-up-Event um das Leitbild Studium und Lehre sowie Vorschläge für eine Lehr- und Lernstrategie
21.06.2021
Beim zweiten Wrap-up-Event im Rahmen des Strategieprozesses „Studium und Lehre 2030“ diskutierten rund 90 Hochschulangehörige aus allen Statusgruppen, Fächern und Bereichen über die in 17 Arbeitsgruppen erarbeiteten Ziele und konkreten Maßnahmen für eine Lehr- und Lernstrategie. Zu Beginn wurde die aktuelle Fassung des Leitbilds Studium und Lehre vorgestellt, die ein zentrales Ergebnis der ersten Phase des Strategieprozesses im Wintersemester 2020/21 sowie einer breit angelegten Feedback-Kampagne im Sommersemester 2021 ist.
Für die einen mag es eine Utopie sein, für die anderen der Idealzustand – für Professor Hauke Heekeren, an der Freien Universität Berlin Vizepräsident für Studium und Lehre, ist das Leitbild Studium und Lehre vor allem gemeinsame Orientierung und Motivation: „Wir haben uns hohe Ziele gesetzt, wohin wir als Universität im Bereich Studium und Lehre in den nächsten zehn Jahren wollen. Das Leitbild zeichnet die Vision, die wir verfolgen. Die Lehr- und Lernstrategie zeigt uns, wie wir dorthin kommen.“ So begrüßte der Vizepräsident die Teilnehmenden des zweiten Wrap-up-Events zu einer den Strategieprozess abschließenden Diskussionsveranstaltung.
Erste Vorschläge für ein Leitbild hatten bei einem ersten Wrap-up-Event im März dieses Jahres mehr als 120 Mitglieder aus 17 Arbeitsgruppen gemacht. In den Arbeitsgruppen waren Angehörige der Freien Universität aus allen Statusgruppen und Fachbereichen vertreten. In einem Wiki wurden die Zuarbeiten für das Leitbild gesammelt, kommentiert und weiterentwickelt. Nun, beim zweiten Wrap-up-Event, sollte es konkreter werden, und zwar mit Fokus auf mögliche Maßnahmen für die zukunftsfähige Weiterentwicklung von Studium und Lehre an der Freien Universität Berlin.
Zukunftsorientierte Lehre
Welche Rolle hat die Universität in der Gesellschaft? Wie wird Lehre und Lernen in Zukunft aussehen? Die Pandemie markiert auch in diesem Bereich eine Zäsur: „Die Studierenden, die in den nächsten Jahren an die Universität kommen, haben knapp zwei Jahre Homeschooling als Schülerinnen und Schüler hinter sich“, sagte Professorin Louisa Reissig – das sei eine Herausforderung für die zukünftigen Studierenden, aber auch für die Lehrenden. Damit sprach die Physikerin nur einen Aspekt von vielen an, der die Hochschullehre in den kommenden Jahren vor Herausforderungen stellt, aber auch Chancen bietet.
„Wissenschaftskommunikation wird in der heutigen Zeit immer relevanter“, sagte Armin Glatzmeier von der AG Wissenschaftliches Schreiben. Eine Aufgabe der Lehrenden sei es deshalb, neben der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte im Seminar auch andere Formate zu behandeln, über die Forschungsergebnisse vermittelt werden können.
Die Vertreterin der AG Diversität, Heterogenität und Inklusion Gisela Romain sagte: „Diversity muss als Lernziel verankert werden.“ Um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskriminierungskritisch mit dem eigenen Fach auseinandersetzen.
Immer wieder betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Events, dass die partizipative Erarbeitung des Leitbildes die Lehr- und Lernkultur sowie die Gemeinschaft der Lernenden und Lehrenden an der Freien Universität gestärkt habe, um die gemeinsam formulierten Ziele nun mit Leben zu füllen.
Auf den Kopf gestellt ist die beste Ausgangsposition
Im Anschluss an die Diskussion des Leitbildes ging es um konkrete Maßnahmen für die Lehr- und Lernstrategie, die von den Arbeitsgruppen entwickelt worden waren und Impulse für den Bereich Studium und Lehre im Hinblick auf das Leitbild geben; auch sie sind in einem Wiki öffentlich einsehbar.
Mehrfach war in dem Wrap-up-Event die Rede von einem Neustart. Mit technischen Schwierigkeiten hatte das weniger zu tun als vielmehr mit einer guten Ausgangsposition für innovative Lehrmethoden, die die Pandemie trotz aller Herausforderungen geschaffen habe. Ulrike Mußmann von der AG Innovative Lehr-, Lern- und Prüfungsformate zog das Fazit: „Digitale Lehre funktioniert!“ Präsenzlehre sei selbstverständlich unersetzbar, dennoch sollten Blended-Learning-Formate zukünftig stärker genutzt werden, so die Medienpädagogin vom Center für Digitale Systeme (CeDiS).
Diese Meinung wurde von Jeelka Reinhardt, Vertreterin der AG Qualitätssicherung und Evaluierung von Lehrveranstaltungen, aufgegriffen und weitergeführt. Die Pandemie habe die Hochschullehre auf den Kopf gestellt, weshalb man viele digitale Lehr- und Prüfungsformate ausprobiert habe. „Nun müssen wir analysieren, was gut funktioniert hat“, sagte Jeelka Reinhardt vom CeDiS. Wichtig sei, die Ergebnisse aus den Evaluationen transparent zu kommunizieren und vor allem auch Studierende einzubeziehen.
Mit der Frage, wie Hochschullehre in Präsenzveranstaltungen gestaltet werden kann, befasste sich die AG Qualität der Präsenzlehre in Zeiten der Digitalisierung. Professorin Louisa Reissig betonte die Bedeutung physischer Begegnungen auf dem Campus: „Das Besondere an einer Präsenzuniversität sind ja gerade die zufälligen Gespräche, die man auf dem Gang mit der Kollegin oder anderen Studierenden führt.“ Ein Vorschlag aus der AG, um die Kommunikation untereinander zu stärken: Kurse zu Rhetorik und Körpersprache für Dozentinnen und Dozenten und Studierende.
Gemeinschaftlich voneinander lernen und miteinander lehren
Für Studierende Anreize zu schaffen, um deren Engagement an der Hochschule zu würdigen, wünscht sich Leonie Wingerath. Die AG Formate für Partizipation, die die Lehramtsstudentin beim Wrap-up-Event vertrat, setzt sich besonders dafür ein, dass Studierende an der Universität die Möglichkeit haben, stärker mitzubestimmen: „Studis engagieren sich, wenn sie merken, dass ihr Wort Gewicht hat.“
Einen Ausblick darauf, wie Studierende ganz konkret die Lehre prägen können, gab Agnes Sperber aus der AG Studentische Lehr- und Lernprojekte. „Studierende sind nicht nur Lernende, sondern können auch die Rolle von Lehrenden übernehmen“, erklärte die Studentin und Mentorin am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften. Sie schlug vor, studentische Projekttutorien zu einem Bestandteil des Lehrangebots zu machen und sie im Vorlesungsverzeichnis aufzulisten.
Viele der Maßnahmen, die bei diesem zweiten Wrap-up-Event vorgestellt wurden, setzen einigen Aufwand voraus, aber: „Lehrende sind nicht auf sich allein gestellt“, sagte Katja Reinecke, Leiterin des Dahlem Center for Academic Teaching (DCAT). Es gebe an der Freien Universität bereits viele Anlaufstellen, bei denen Lehrende Unterstützung fänden.
Außerdem sei seitens der Lehrenden und Studierenden bereits vielfältiges Erfahrungswissen vorhanden. Katja Reinecke, die für die AG Professionalisierung der Hochschullehre und Hochschuldidaktik sprach, hielt deswegen auch Formate für Lehrende für essenziell, in denen sie sich über Lehren und Lernen austauschen. „Was hat sich in meinem Seminar bewährt? Was weniger? Wir können so viel voneinander lernen.“
Der „Kulturwandel“ geht in die nächste Runde
In einem Punkt waren sich die AG-Sprecherinnen und -Sprecher sowie alle Beteiligten im Chat einig: Der Dialog, der durch die gemeinsame Arbeit zwischen den Beteiligten entstanden sei, sei extrem bereichernd. Das motiviere, „gemeinsam weiterzudenken und weiterzumachen“, sagte Beate Koksch, Professorin am Institut für Chemie und Biochemie und Mitglied der AG Orientierung und Übergang zwischen Schule und Hochschule.
„In allen Phasen des Strategieprozesses und auch in diesem zweiten Wrap-up-Event herrschen vertrauensvolles Miteinander und gegenseitige Wertschätzung“, sagte Vizepräsident Professor Hauke Heekeren. Er sei stolz darauf, mit wie viel Bereitschaft und Energie die Teilnehmenden sich trotz der vielen Herausforderungen der Pandemie engagierten. Diese Energie unterstützt auch den „Kulturwandel“, den die Lehre an der Freien Universität Hauke Heekeren zufolge derzeit durchlebt.
Im Juli soll das finale Leitbild Lehre in der Kommission für Lehrangelegenheiten und im Akademischen Senat beraten werden. Die Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, die im Laufe des Prozesses entstanden sei, gelte es jetzt weiter zu fördern, sagte der Vizepräsident: zum Beispiel durch zentrale Veranstaltungen oder weitere Austauschformate, die den anstehenden Konkretisierungs- und Weiterentwicklungsprozess auf der Basis des Leitbilds Studium und Lehre begleiten sollen.