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„Lasst euch nicht erzählen, was ihr alles nicht schaffen könnt!“ / 11 Jahre Deutschlandstipendium an der Freien Universität Berlin

Vier der insgesamt fast 200 an der Freien Universität Geförderten zeigen, dass beim Deutschlandstipendium neben guten Leistungen im Studium auch Engagement in außeruniversitären Bereichen zählt

15.02.2022

Stipendiatinnen und Stipendiaten bedanken sich für die Unterstützung. In der ersten Reihe (v.l.n.r.): Lara Shaker und Chiara Schreiber. In den zwei hinteren Reihen: Ariel Miller Salazar, Johannes Strehle, Sena Çalışkan und Deitra Myers.

Stipendiatinnen und Stipendiaten bedanken sich für die Unterstützung. In der ersten Reihe (v.l.n.r.): Lara Shaker und Chiara Schreiber. In den zwei hinteren Reihen: Ariel Miller Salazar, Johannes Strehle, Sena Çalışkan und Deitra Myers.
Bildquelle: Patricia Kalisch

Das Studium ist nicht nur zum Studieren da. Es bietet die Chance, sich neben Vorlesungen und Seminaren im eigenen Fach auch anderen Interessen und Leidenschaften zu widmen, kreativ zu werden – und sich für andere einzusetzen. Das bindet Zeit, macht Mühe und braucht vor allem auch eines: ausreichend finanzielle Mittel. Um über die Runden zu kommen, brauchen viele Studierende deshalb Unterstützung.

Das Deutschlandstipendium eröffnet Studierenden aller Nationen und Fachrichtungen und aus allen Teilen der Gesellschaft die Möglichkeit, finanziell ein Stück unabhängig zu werden. „So können sie sich auf die Dinge konzentrieren, die ihnen wichtig sind“, erklären Viola Neukam und Sonja Janositz, die Koordinatorinnen des Stipendienprogramms an der Freien Universität Berlin.

Mit dem Studienzuschuss sollen aber nicht nur akademische Höchstleistungen gefördert werden, betonen die beiden. „Wir verstehen Leistung ganzheitlicher. Das Deutschlandstipendium schafft und erweitert Freiräume, um sich neben dem Studium zu engagieren. Außerdem werden bei der Vergabe auch die Leistungen von Studierenden anerkannt, die vor besonders hohen Hürden stehen – die ein Kind versorgen, ihre Eltern pflegen, Leistungssport betreiben oder die sozial benachteiligt sind.“

Die Zahl derer, die an der Freien Universität mit einem Deutschlandstipendium in Höhe von 300 Euro gefördert werden, hat sich seit der Einführung des Programms vor elf Jahren vervielfacht: In diesem Jahr können sich 192 Studierende über die Unterstützung freuen.

Bei der diesjährigen Stipendienfeier am 10. Februar sind sie zusammengekommen: die Studierenden, die gefördert werden, die Menschen, die privat oder als Vertreterinnen und Vertreter einer Institution Stipendien stiften sowie die Organisatorinnen. Gewöhnlich findet das Fest auf dem Campus in Dahlem statt. Wegen der Corona-Pandemie musste es allerdings in den virtuellen Raum verlegt werden. Der Präsident der Universität, Professor Günter M. Ziegler, führte durch den Abend. Von den Leistungen der Studierenden zeigte er sich dabei mehr als beeindruckt. Vier von ihnen – Lara Shaker, Deitra Myers, Tobias Buck-Gramcko und Sena Çalışkan – hatten während der Feier Gelegenheit, sich und ihr Engagement kurz vorzustellen. Auch die Vertreterinnen von „Santander Universitäten“ und der „Initiative Hauptstadt Berlin e. V.“ kamen als Fördernde zu Wort.
Lara Shaker.

Lara Shaker.
Bildquelle: Patricia Kalisch

„Das Stipendium gibt mir die Möglichkeit, neben dem Studium ehrenamtlich als Redakteurin zu arbeiten“, sagt Lara Shaker. Die Literaturwissenschafts- und Philosophiestudentin schreibt unter anderem für das Literaturmagazin „tuerspion“ in ihrer Heimatstadt Hannover. Dahinter steht ein Kollektiv junger Menschen, die schreiben. Ziel ist es, marginalisierten Stimmen in der Literaturwelt Gehör zu verschaffen sowie alternative, queere oder migrantische Perspektiven darzustellen. Das Kollektiv bietet auch Schreibworkshops für Jugendliche an, veranstaltet Lesungen und Spendenaktionen.

„Wir finden, dass Deutschland so bunt ist, dass jede Facette abgebildet werden soll“, erklärt Lara Shaker. „Und ich finde es toll, mein Studium, mein Hobby, meinen Berufswunsch und mein Ehrenamt so verbinden zu können. Es ist wichtig, dass vielfältige Stimmen in der Literatur gehört und diversere Lebenswirklichkeiten abgebildet werden – jenseits des literaturwissenschaftlichen Kanons. Dafür setze ich mich ein.“

Deitra Myers.

Deitra Myers.
Bildquelle: Patricia Kalisch

Deitra Myers studiert Internationale Beziehungen an der Freien Universität. Die gebürtige Kanadierin unterstützt als ehrenamtliche Helferin in der „Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e. V.“ in Berlin-Kreuzberg Menschen mit Migrationsgeschichte.

„Wir bieten Menschen rechtliche Beratung an, die keinen geklärten Aufenthaltsstatus in Deutschland haben, vor allem Personen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist oder deren Aufenthalt ‚geduldet‘ wird.“ Das erfordert juristisches Wissen und ein entsprechendes Trainingsprogramm, das die Politikwissenschaftsstudentin derzeit absolviert.

Die Studentin wünscht sich, dass das Thema stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert wird. Für das Stipendium ist Deitra Myers dankbar: „Es gibt mir größere finanzielle Freiheit – das erleichtert mir vieles. Auch das Netzwerk ist interessant.“

Sena Çalışkan.

Sena Çalışkan.
Bildquelle: Patricia Kalisch

Stipendiatin Sena Çalışkan engagiert sich im gemeinnützigen Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“. Die Lehramtsstudentin ist Jugendbotschafterin der Organisation, die sich die Förderung der demokratischen Bildung und der historischen Erinnerungsarbeit zur Aufgabe gemacht hat. Im Zentrum steht dabei der Umgang mit der Geschichte, vor allem mit dem Nationalsozialismus, mit dem SED-Regime und mit aktuellem politischem Extremismus in Deutschland.

„Es liegt mir besonders am Herzen, mich gegen Diskriminierung stark zu machen – und das sehe ich auch als meine Verpflichtung später im Lehrberuf an“, sagt Sena Çalışkan. Sie beteiligt sich deutschlandweit an Veranstaltungen des Vereins und geht in Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Bei einem Workshop zum Thema Diskriminierung etwa vermittelt sie Schülerinnen und Schülern Handlungsstrategien, wie Betroffene mit ihren Erfahrungen umgehen, oder wie Personen, die Diskriminierung beobachten, einschreiten können.

Das Stipendium sei eine Entlastung für sie, meint Sena Çalışkan. „Es nimmt etwas Druck heraus, sodass ich weniger ans Geld denken muss.“

Tobias Buck-Gramcko.

Tobias Buck-Gramcko.
Bildquelle: Kamila Zawadzka

Tobias Buck-Gramcko ist einer der erfolgreichsten Spitzensportler auf der Radrennbahn – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Er verbringt also fürs Training viel Zeit auf dem Sattel: Zusammengerechnet sind es 20 bis 30 Stunden in der Woche, manchmal auch 40 Stunden. Im Jahr legt er rund 25.000 Kilometer zurück. Für seine Anstrengungen belohnt wurde Tobias Buck-Gramcko schon mit einem Weltmeistertitel, außerdem hat er einen neuen Weltrekord aufgestellt.

Aber nur auf Sporterfolge will sich Tobias Buck-Gramcko nicht verlassen. Er hat sich auch für das Fach Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität eingeschrieben – eine zeitliche und logistische Herausforderung, weil er an mehr als 200 Tagen im Jahr nicht in Berlin sein kann. Klausuren musste der Spitzensportler deshalb schon im Trainingslager schreiben. Die Freie Universität unterstützt ihn, sodass er Prüfungstermine auch einmal verschieben und das ganze Studium etwas flexibler gestalten kann.

„Lasst euch von anderen nicht erzählen, was ihr alles nicht schaffen könnt“, sagt Tobias Buck-Gramcko. „Wenn ich darauf gehört hätte, würde ich nicht studieren und noch meinen Sport betreiben.“ Nicht zuletzt das Deutschlandstipendium hilft ihm dabei, Spitzensport und Studium miteinander zu vereinbaren.

Gestiftet werden die Deutschlandstipendien zur Hälfte vom Bund, die andere Hälfte stammt aus nicht-öffentlichen bzw. privaten Mitteln. Die Beträge spenden Unternehmen, Stiftungen, Verbände, gemeinnützige Vereine oder Privatpersonen. Eine Gemeinschaft, die engagierten Studierenden finanziell den Rücken freihält.

Zu dieser Gemeinschaft zählt beispielsweise auch die Organisation „Santander Universitäten Deutschland“ als langjährige Partnerin und Geldgeberin an der Freien Universität. „Wir sind davon überzeugt, dass Bildung die Grundlage für eine gerechte Gesellschaft bildet“, unterstreicht Marcela Gaybor, Vertreterin der Organisation.

Der gemeinnützige Verein „Initiative Hauptstadt Berlin“ hat in diesem Jahr begonnen, Studierende der Hochschule zu unterstützen. „Mit unserem ersten IHB-Deutschlandstipendium an der Freien Universität möchten wir Bildung in Berlin aktiv fördern“, erläutert Jane Martens, die Vorstandsvorsitzende der Initiative.

Weitere Informationen

Zur Feier des 10-jährigen Bestehens des Stipendienprogramms initiierte die Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin e.V. im vergangenen Jahr die Aktion „Halbe-halbe für ganze Chancen“ und verdoppelt jede Spende ihrer Mitglieder: Die Aktion wird noch bis zum 31. März 2022 verlängert.