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„Unser Campus ist ein guter Ort zum Lernen“

In einer Umfrage haben Studierende der Freien Universität ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen gefragt, wie es ihnen im Wintersemester 2021/2022 während der Pandemie ergangen ist. Die Erkenntnisse können für die kommenden Semester hilfreich sein

15.07.2022

Allein in der Bibliothek – für viele Studierenden gehörte das zum Alltag während der Pandemiemaßnahmen.

Allein in der Bibliothek – für viele Studierenden gehörte das zum Alltag während der Pandemiemaßnahmen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Als die E-Mail im Frühjahr im Postfach der Studierenden der Freien Universität Berlin landete, war sie für einige Schreck und Erleichterung zugleich: Sie kam von der „CV Task Force“ – dem zu Beginn der Pandemie in der Unileitung eingerichteten Gremium zur Regelung und Kommunikation des universitären Betriebs unter Pandemiebedingungen – und verlinkte zu den Ergebnissen der FUCSI-Studie: Die FU-Corona-Studi-Initiative, kurz FUCSI, hatte herausfinden wollen, wie es den Studierenden der Freien Universität während des vergangenen Semesters in der Pandemie ergangen war. In einem Satz zusammengefasst könnte man sagen: Es ging nicht allen gut – aber es tat gut zu wissen, damit nicht alleine zu sein.

Alle derzeit etwa 33.000 Studierenden der Freien Universität hatten die Möglichkeit, an der Umfrage teilzunehmen. Gefragt wurde nach dem allgemeinen Gemütszustand, nach Problemen und Sorgen, aber auch nach der Zufriedenheit mit der Online-Lehre. Insgesamt beantworteten 1.446 Studierende die mehr als 50 Fragen des FUCSI-Teams. Auch wenn die Repräsentativität dadurch eingeschränkt ist, liefert die Studie aufschlussreiche Hinweise.

Erleichterung, mit den Sorgen nicht allein zu sein

Neben der Belastung durch das Studium, fehlten den Studierenden die Begegnungen auf dem Campus.

Neben der Belastung durch das Studium, fehlten den Studierenden die Begegnungen auf dem Campus.
Bildquelle: pikisuperstar / Freepik

Von den Studierenden, die sich an der Umfrage beteiligt haben, gab ein Viertel an, noch keine Freunde an der Universität gefunden zu haben. Also niemanden, mit dem sie einen Kaffee trinken oder die letzte Klausur besprechen könnten, niemanden zum gemeinsamen Lernen oder Feiern. Mehr als die Hälfte der an der Studie Beteiligten leidet unter Zukunftsängsten, mehr als 37 Prozent von ihnen fühlte sich im vergangenen Wintersemester einsam.

„Wer während der Pandemie angefangen hat zu studieren, hatte bis zum gerade laufenden Sommersemester unter Umständen noch keine Kommilitonin und keinen Kommilitonen persönlich getroffen“, sagt Philosophie-Studentin Silvana Blaube, die die FUCSI-Umfrage mitgestaltet hat. „Man hat sich in den vergangenen zwei Jahren meistens nur als Kachel auf dem Bildschirm gesehen, dadurch geht enorm viel von dem verloren, was ein Studium ausmacht.“

Dass sie von anderen Studierenden persönlich gefragt worden sind, wie es ihnen geht und ging, aber auch die Erleichterung darüber, nicht allein zu sein – das waren positive Rückmeldungen, die Silvana Blaube und das FUCSI-Team auf die studentische Umfrage hin erreichten.

Silvana Blaube selbst steht kurz vor dem Bachelor-Abschluss; sie erinnert sich an ein Studium ohne Online-Veranstaltungen und Masken, als man mittags zusammen in der Mensa der Silberlaube saß, mit einer Limo in der Hand zum nächsten Seminar schlenderte oder gemeinsam beim Hochschulsport durch die Halle rannte.

Sie kennt das Gefühl, mit hundert anderen Studierenden in einer Vorlesung zu sitzen. „Im Hörsaal herrscht eine besondere Atmosphäre, es gibt diese Gruppenerfahrung, gemeinsam gute Vorträge zu hören und darüber zu diskutieren“, sagt Silvana Blaube. „Man hat dort ganz andere Möglichkeiten, sich über das eigene Wissen zu versichern: leise bei den Kommilitonen nachfragen oder nach dem Seminar noch schnell die Dozierenden ansprechen.“

Rückkehr und Neuanfang

Seit diesem Sommersemester finden an der Freien Universität wieder überwiegend Präsenzveranstaltungen statt: Das Leben ist auf den Dahlemer Campus zurückgekehrt. Wer sich während der Pandemie-Semester eingeschrieben hat, erlebt all das, was Silvana Blaube beschreibt, nun zum ersten Mal. „Wer schon vor der Pandemie angefangen hat zu studieren, hat vermutlich ein Netzwerk aus Freundinnen und Freunden, vielleicht auch eine Lerngruppe“, sagt Silvana Blaube.

Doch auch an den Studierenden höherer Semester ist die Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen. In der FUCSI-Umfrage gab gut die Hälfte der an der Studie Beteiligten an, unter Konzentrationsproblemen und Erschöpfung zu leiden. Dass ihnen im vergangenen Semester eine gute Work-Life-Balance gelungen sei, gaben sieben Prozent an. Immerhin 33 Prozent beantworteten die Frage mit „eher ja“.

Insgesamt beschrieben rund 40 Prozent der Studierenden, die sich an der Befragung beteiligten, das Wintersemester 2021/22 mit dem Begriff „belastend“. Überwiegend positive Begriffe wählte ein Viertel, um die Erfahrungen des vergangenen Semesters zu beschreiben.

Vierte Umfrage des FUCSI-Teams

Es war bereits das vierte Mal, dass Silvana Blaube und das FUCSI-Team Studierende der Freien Universität befragt haben. Im Jahr 2020, als die Coronazahlen in Deutschland zum ersten Mal stiegen, die Türen der Berliner Hochschulen geschlossen blieben und der erste Lockdown das Leben massiv einschränkte, hatte das Team seine Kommilitoninnen und Kommilitonen am Institut für Philosophie befragt.

Im Jahr darauf, im Februar 2021, wurde die Umfrage auf den Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften ausgedehnt. Die jüngste Umfrage vom Februar 2022 ging erstmals an alle Studierenden der Freien Universität.

Silvana Blaube und das FUCSI-Team berichten seitdem in den unterschiedlichsten Hochschulinstitutionen von den Ergebnissen: an die Hochschulleitung, an die Kommission für Lehrangelegenheiten und den Beirat Qualitätssicherung für Studium und Lehre.

„Es war uns die gesamte Pandemie über und ist uns ein zentrales Anliegen, mit den Studierenden über ihre Perspektiven im Gespräch zu sein. Die Ergebnisse der FUCSI-Initiative sind hierzu eine wertvolle Bereicherung“, sagt der Erste Vizepräsident der Freien Universität Professor Klaus Hoffmann-Holland. „Die Bedeutung des sozialen Miteinanders während der Pandemie stand bei vielen Gesprächs- und Planungsrunden an der Freien Universität im Mittelpunkt.“ Die FUCSI-Umfrage habe die Sorgen und Probleme der Studierenden noch einmal systematisch aufgegriffen.

Besonders erschreckend sei auch für die Hochschulleitung der Befund gewesen, dass so viele Studierende im vergangenen Wintersemester noch keine Freundschaften an der Universität hatten schließen können.

Die Hochschulleitung sei froh, dass man im laufenden Sommersemester wieder in die Präsenz habe zurückkehren können. „Wir sehen allerdings auch, dass es für Studierende anhaltende mentale Belastungen gibt“, sagt Klaus Hoffmann-Holland. Um den Betroffenen noch besser helfen zu können, habe die Studienberatung und Psychologische Beratung ihr Beratungsangebot ausgebaut und baue derzeit weiterführende Unterstützungsangebote auf.

Begegnungen ermöglichen

Bildschirm statt Hörsaal: Lehrveranstaltungen wurden in den vergangenen Semestern zu großen Teilen virtuell durchgeführt.

Bildschirm statt Hörsaal: Lehrveranstaltungen wurden in den vergangenen Semestern zu großen Teilen virtuell durchgeführt.
Bildquelle: pch.vector / Freepik

„Der Austausch in und über Studium und Lehre sollte auch das kommende Jahr prägen. Ganz grundlegend geht es darum, Begegnungen zu ermöglichen“, sagt Klaus Hoffmann-Holland weiter. „Wir haben wichtige Erfahrungen in der Pandemie gemacht und Lehren daraus gezogen, das muss sinnvoll genutzt werden.“

Auch Silvana Blaube betont: „Wir haben in der Zeit viel gelernt.“ Studierende und Lehrende hätten in den vergangenen zwei Jahren beim Thema digitale Lehre dazugelernt, was sich übrigens auch in der FUCSI-Umfrage widerspiegelt: Demnach waren mehr als 80 Prozent der Personen, die sich an der Umfrage beteiligten, zufrieden mit der Digital-Kompetenz ihrer Dozentinnen und Dozenten.

Dennoch müsse es künftig häufiger möglich sein, „den Laptop einfach mal auszuschalten“, sagt Silvana Blaube. Sie freut sich auf mehr Präsenzveranstaltungen an der Universität und findet: „Unser Campus ist ein guter Ort zum Lernen, an dem man sich konzentrieren kann, gute Luft atmet und mehr Weite und Licht hat als in jedem WG-Zimmer.“

Sollte es im kommenden Jahr wieder eine FUCSI-Umfrage geben, wünschen sich Silvana Blaube und ihr Team vor allem ein Ergebnis: dass wieder mehr Studierende die Freie Universität als inspirierenden, kreativen und kommunikativen Ort kennen, nutzen und zu schätzen wissen. Kurz: dass es ihnen gut geht.