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Wie trinken Feuerwanzen?

Das Projekt „Insekten schaffen Wissen“ der Forschungsgruppe 5026 Insektenimmunität, Mikrobiota und Pathogene verbindet Wissenschaftskommunikation mit universitärer Forschung, Lehrkräftebildung und Schulunterricht

07.08.2023

Feuerwanzen sind auch auf dem Schulhof zu finden. Die Schüler*innen konnten mit dem Forschen sofort loslegen und eine faszinierende Welt kennenlernen.

Feuerwanzen sind auch auf dem Schulhof zu finden. Die Schüler*innen konnten mit dem Forschen sofort loslegen und eine faszinierende Welt kennenlernen.
Bildquelle: Woeckener auf Pixabay

„Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir stellen euch heute unsere Forschung über Feuerwanzen vor.“ Fünf Schüler*innen einer sechsten Klasse der Erich-Kästner-Grundschule in Berlin-Dahlem stehen im Foyer des Gebäudes der Pflanzenphysiologie am Institut für Biologie neben ihrem Plakat und tragen abwechselnd vor. „Auf welchen Untergründen halten sie sich? Unsere These war, dass sich Feuerwanzen nicht so gut auf glatten Oberflächen wie Glas oder Plastik halten können.“

Die Mitschüler*innen, Lehrer Lukas Pauli und die Lehramtsstudentin Marie hören gebannt zu. Auch Petra Skiebe-Corrette, Leiterin des Schüler*innen-Labors NatLab, und der Biologieprofessor Jens Rolff sind ganz Ohr. Sie hatten die Idee für das Projekt Insekten schaffen Wissen, ihr Kollege Alexander Fürst von Lieven hat es ausgearbeitet und umgesetzt und führt heute durch die Abschlussveranstaltung.

Forschen wie in der Wissenschaft

Die Idee dahinter: Lehramtsstudierende lernen, wie man eigenständig mit Insekten forscht und mit welchen Themen sich die DFG-Forschungsgruppe „Insektenimmunität, Mikrobiota und Pathogene in einem integrierten Ansatz“ am Institut für Biologie beschäftigt. Danach leiten die Studierenden von April bis zu den Sommerferien in den fünften und sechsten Klassen der teilnehmenden Grundschulen gemeinsam mit den Lehrkräften kleine Forschungsprojekte an. Die Schüler*innen planen selbstständig Experimente, Vergleiche oder Naturbeobachtungen, führen sie durch, protokollieren die Ergebnisse, werten sie aus, bringen sie in eine präsentierbare Form und tragen sie auf einer Abschlussveranstaltung vor.

Insekten sind gute Forschungsobjekte, weil man an ihnen leicht Zusammenhänge erforschen kann, die bei größeren Tieren schwerer zu beobachten sind, sagt Jens Rolff.

Insekten sind gute Forschungsobjekte, weil man an ihnen leicht Zusammenhänge erforschen kann, die bei größeren Tieren schwerer zu beobachten sind, sagt Jens Rolff.
Bildquelle: Marion Kuka

Aber warum gerade Insekten? „Insekten wie Schmetterlinge und Bienen sind bei vielen Menschen beliebt“, erklärt Biologieprofessor Jens Rolff. „Sie sind allgegenwärtig und spielen eine wichtige Rolle in der Natur. Und sie sind sehr wichtige Forschungsobjekte in der Biologie, weil man an ihnen leicht Zusammenhänge erforschen kann, die bei größeren Tieren schwerer zu beobachten sind.“

Die Schüler*innen finden Insekten auch auf dem Schulhof, können sofort mit dem Forschen loslegen und lernen eine faszinierende Welt kennen, in der sich allgemeine Prinzipien des Lebens widerspiegeln.

Messbare Variablen finden

Bei der sechsten Klasse von Lukas Pauli hat das offensichtlich funktioniert. Die erste Gruppe liefert in ihrer Präsentation zunächst einige Hintergrundinformationen: „Feuerwanzen werden neun bis zwölf Millimeter lang und besitzen lange Fühler. Bei Sonne kommen sie aus ihren Verstecken und bei schlechtem Wetter verkriechen sie sich.“ Dann gehen die Schüler*innen auf ihren Versuchsaufbau ein: „Wir haben die Gegenstände aus verschiedenen Materialien nebeneinandergelegt, die Feuerkäfer darauf krabbeln lassen und die Gegenstände dann umgedreht.“

Wie in der Wissenschaft üblich wurde eine messbare Variable für das Ergebnis definiert: der Anteil der Wanzen, die sich über eine bestimmte Zeitspanne auf Pappe, Haut, Stoff, Glas oder Plastik halten können. „An diesem Diagramm könnt ihr sehen, dass unsere These durch den Versuch bestätigt wurde.“ Tatsächlich: Auf Stoff und Haut konnten sich mehr Wanzen halten als auf Glas und Plastik. Eine andere Gruppe hat auch die Form der Gegenstände einbezogen und herausgefunden, dass Feuerwanzen auf glatten, geraden Oberflächen besser zurechtkommen als auf glatten gewölbten, wie etwa einem Plastikball.

Das ist durchaus plausibel, stellen die Schüler*innen fest, denn auch in der Natur bewegen sich die Tiere auf rauem Untergrund, nämlich auf der Erde. Den meisten Spaß hatten die jungen Forschenden bei der Durchführung der Versuche. Geärgert haben sie sich, als sie ein Plakat wegen eines Schreibfehlers in der Überschrift noch einmal machen mussten. Durchaus verständlich, versichert Jens Rolff: Auch Wissenschaftler*innen falle es manchmal schwer, ihre Resultate für die Veröffentlichung zu Papier zu bringen.

Googlen kann jeder

„Die meisten Ergebnisse sind natürlich schon bekannt und durch Googlen leicht zu finden“, sagt Alexander von Lieven. Es gehe aber darum zu verstehen, wie dieses Wissen entstanden sei. „In diesem Projekt sollen die Schüler*innen nicht lernen, wo die Antwort steht, sondern wie man Fragen durch eigenes Forschen beantworten kann.“

Es geht darum zu verstehen, wie Wissen entsteht, sagt Alexander von Lieven.

Es geht darum zu verstehen, wie Wissen entsteht, sagt Alexander von Lieven.
Bildquelle: Daniel Wewer

Eine andere Gruppe hat untersucht, wie Feuerwanzen Flüssigkeit aufnehmen. Ihre Hypothese: mit der Nahrung. Im Experiment boten die Schüler*innen den Tieren mal Gurke, mal Mais und mal Wassertropfen auf einem Blatt an. Mais war eindeutig der Favorit, Wassertropfen waren eher uninteressant. Auch ethische Fragen wurden besprochen: Darf man die Tiere für ein Nahrungsexperiment hungern lassen? Nein, darf man nicht, war sich die Gruppe einig.

„Das Thema stand fest, aber ihre Forschungsfragen haben die Kinder selbst entwickelt und bearbeitet“, sagt Lukas Pauli. Er habe oft überlegen müssen, wie viel Freiheit er ihnen dabei lassen solle. Für Marie, die Grundschullehramt mit Vertiefung Naturwissenschaften studiert und nebenbei an einer anderen Schule arbeitet, war das freie Forschen mit der Klasse eine neue Erfahrung: „Jede Gruppe hatte andere Fragen, andere Ergebnisse. Alle gleichzeitig zu betreuen, war gar nicht so einfach.“ Dennoch würde sie ein solches Projekt, mit einigen Anpassungen, später gern in ihren eigenen Unterricht integrieren.

Die Freiheit zu forschen: Studentin Marie und Lehrer Lukas Pauli haben die Schüler*innen eigene Wege gehen lassen.

Die Freiheit zu forschen: Studentin Marie und Lehrer Lukas Pauli haben die Schüler*innen eigene Wege gehen lassen.
Bildquelle: Marion Kuka

Den Probelauf auswerten und das Konzept verbessern

Die Initiator*innen wollen den Probelauf ausführlich auswerten und überlegen, was sie verbessern können. Die Koordination beispielsweise. So hätten die Studierenden eigentlich auch im Team arbeiten sollen, erläutert Alexander von Lieven. Allerdings gab es für diesen ersten Durchgang noch nicht genügend Anmeldungen. „Die Termine und der Workload waren vorher nicht transparent genug, weil wir uns noch mit den Schulen abstimmen mussten.“

Im nächsten Jahr soll der Terminplan deshalb schon zu Semesterbeginn feststehen, damit die Studierenden ihn in ihren Kursplan integrieren können. Bei den Schulen sei das Interesse an dem Insektenprojekt von Anfang an groß gewesen, sagt der Biologe. Auch Lehrer Lukas Pauli ist mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er jederzeit wieder mitmachen würde.