Wie lehren mit Künstlicher Intelligenz?
Präzise prompten, kritisch bleiben: Ulrike Mußmann und Jeelka Reinhardt im Interview nach der AI Week an der Freien Universität
03.04.2025
Die Maschine liest mit: Grundlagenwissen über KI-Tools hilft Lehrenden und Studierenden, den Output von generativer KI realistisch einzuordnen und verantwortungsvoll damit umzugehen.
Bildquelle: Brian J. Matis / CC-Lizenz
Vom 3. bis 7. März fand an der Freien Universität die AI Week statt. Fünf Tage lang konnten sich Interessierte über verschiedenste Möglichkeiten des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre weiterbilden. Ulrike Mußmann und Jeelka Reinhardt von FUB-IT, Arbeitsbereich E-Learning und E-Examinations (EEE) der Abt. Lehre, Studium & Forschung ziehen Resümee und geben praktische Tipps für den Umgang mit Chatbots.
campus.leben: Was war die Idee hinter der AI Week?
Ulrike Mußmann: Künstliche Intelligenz ist eine große Chance und gleichzeitig Herausforderung für eine zukunftsorientierte Hochschullehre. An der Freien Universität findet eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema statt, z.B. im Rahmen des Projekts KI@FU – Lehren, Lernen und Prüfen mit Künstlicher Intelligenz. In enger Abstimmung mit dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre beschäftigt sich der Arbeitsbereich E-Learning und E-Examinations (EEE) mit der technischen und didaktischen Erprobung und Implementierung von KI-Anwendungen sowie dem Aufbau von Informations-, Beratungs- und Fortbildungsangeboten. Wir bieten seit vielen Jahren Qualifizierungsmöglichkeiten zur Kompetenzentwicklung im Bereich digitaler Lehre an. Das Angebot reicht von 90-minütigen Workshops bis hin zu umfangreichen Lehrgängen. Unsere bisherigen Erfahrungen haben wir gebündelt und eine gesamte Woche zu dem Thema gestaltet. Jeder Tag stand dabei unter einem bestimmten Motto. Teilnehmer*innen konnten an der gesamten Woche teilnehmen oder sich einzelne Angebote heraussuchen. Veranstaltet wurde die AI Week der Freien Universität vom Berliner Hochschulnetzwerk Digitale Lehre (BHDL) im Rahmen eines bundesweiten Projekts vom Netzwerk Landeseinrichtungen für digitale Hochschullehre (NeL) mit Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (StIL).
Worauf lag der Fokus der Veranstaltungen?
Jeelka Reinhardt: Im Zentrum stand die Frage, wie Künstliche Intelligenz in der universitären Lehre, im Studium und in Prüfungen eingesetzt werden kann und welche neuen sowohl praktischen als auch theoretischen Kompetenzen dafür erforderlich sind. Die individuelle Fähigkeit, die Möglichkeiten und Grenzen von KI einschätzen zu können, wird aus unserer Perspektive in Zukunft eine Kernkompetenz sein. Daher beschäftigte sich auch die recht breit angelegte Eröffnungsveranstaltung mit dem Thema der AI Literacy als Kernkompetenz. In den weiteren Workshops setzten sich die Teilnehmenden beispielsweise dann damit auseinander, wie summative Prüfungen oder Hausarbeiten im Zeitalter von Chatbots wie ChatGPT neu konzipiert werden sollten. In anderen Veranstaltungen wurden Einsatzszenarien und aktuelle Praxisbeispiele für den kritisch-reflexiven Einsatz von KI in Lehre und Studium diskutiert.
Welche Kompetenzen gehören zu einer solchen AI Literacy?
Jeelka Reinhardt: Zum einen braucht es ein gewisses mathematisch-technisches Grundverständnis. Natürlich können wir nicht alle KI-Expert*innen werden, aber ein grober Überblick, wie generative KI-Modelle zu ihren Antworten kommen, ist Grundvoraussetzung für einen kritisch-reflexiven Einsatz. Beispielsweise nehmen viele Menschen fälschlicherweise an, dass KI-Chatbots im Grunde wie klassische Wissensdatenbanken funktionieren, in denen sie Fakten nachschlagen können. Die Outputs von generativen KI-Modellen basieren jedoch auf probabilistischen Modellen, die ihre Antworten zunächst eben nicht auf Grundlage von faktisch abgelegtem Wissen generieren, sondern Wahrscheinlichkeitsverteilungen nutzen. Das heißt: Ihre Antworten können korrekt und ausgewogen sein, sind es aber aufgrund dieser Funktionsweise und in Abhängigkeit der Qualität der genutzten Trainingsdaten bei Weitem nicht immer. Deshalb ist zunächst ein gewisses mathematisch-technisches Verständnis wichtig, um die Stärken und Grenzen dieser statistischen Modelle einordnen zu können. Aus diesem Grundverständnis erwächst dann die Fähigkeit zu einer kritischen Reflexion der Outputs.
Gerade weil die Outputs in der Regel sehr plausibel klingen, ist es zudem wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass sie nur das komprimiert wiedergeben, was vorher mithilfe der Trainingsdaten von den Sprachmodellen gelernt wurde und dass diese Trainingsdaten eigentlich fast immer Gewichtungsprobleme aufweisen. Mal mehr und mal weniger stark. Das Verstehen, welche Arten von Verzerrungen (sog. Bias) in den Outputs dadurch entstehen können, ist aus unserer Perspektive hochgradig relevant. Letztlich geht es auch hier um die Grundsätze kritischer wissenschaftlicher Arbeit: Im Bewusstsein um diese methodischen Aspekte muss AI Literacy untrennbar einhergehen mit der fachlich-inhaltlichen Kompetenz der Nutzenden zur kritischen Reflexion und Einordnung der Ergebnisse.
Aber auch Aspekte der Nachhaltigkeit wie der extrem hohe Stromverbrauch beim Training und auch bei der Anwendung der Modelle gehören zu einer AI Literacy, indem z. B. Strategien für eine ressourcenschonende Nutzung diskutiert werden. Und schließlich steht natürlich der praktische Umgang mit den KI-Tools im Fokus. Dazu zählt z.B. das Prompting – also die Fähigkeit, der KI gezielt Anweisungen zu geben, damit sie möglichst relevante und präzise Ergebnisse liefert. Genauso wichtig ist es, die Tools gezielt und produktiv einsetzen zu können, also z. B. zu wissen, wie Chatbots Studierende beim wissenschaftlichen Schreiben unterstützen können.
Haben Sie Tipps, wie man besser prompten kann?
Ulrike Mußmann: Eine Faustregel lautet Präzision. Je genauer und strukturierter die Anfragen sind, desto bessere Outputs kommen aus dem Sprachmodell zurück. Neben diesem methodischen Know-How ist hier ebenfalls die inhaltlich-fachliche Kompetenz zentral, um mit präzisen Fragen qualitätsvolle Antworten zu generieren und die Inhalte im Detail bewerten zu können.
Jeelka Reinhardt: Eine weitere Faustregel muss sein, nicht faul zu werden. Ein im universitären Kontext gewinnbringender Einsatz besteht natürlich nicht nur darin, Antworten zu konsumieren, sondern durch eine kluge Frage-Antwort-Dynamik die eigene Argumentation zu schärfen oder Denkanstöße zu erhalten. Auf diese Weise kann generative KI kritisch-reflexiv, gewissermaßen als Sparringspartner zum Weiterentwickeln des eigenen Denkens genutzt werden.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus der AI Week mit?
Ulrike Mußmann: Zunächst einmal haben wir uns über die sehr hohe Teilnahme und positive Resonanz gefreut. Wir hatten mehr als 450 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet, davon über 200 Angehörige der Freien Universität Berlin. In den insgesamt 12 Veranstaltungen wurden 1200 Teilnahmen verzeichnet – vertreten waren Hochschullehrende, Mitarbeitende in Service-Einrichtungen, Studierende und Menschen externer Bildungsinstitutionen. An der Evaluation haben sich rund 300 Personen beteiligt und uns insgesamt sehr positive Rückmeldung gegeben. Im Austausch mit den Teilnehmer*innen haben wir zudem spannende Impulse erhalten, um Qualifizierungsangebote zu KI in Studium und Lehre weiterzuentwickeln und unsere eigene Arbeit an der Freien Universität voranzutreiben.
Was haben Sie in Zukunft vor?
Ulrike Mußmann: Unsere Kernaufgabe sehen wir darin, Lehrende und Studierende zu unterstützen, wenn sie KI an der Universität einsetzen möchten – sei es durch individuelle Beratung, Schulung oder gemeinsame Projekte. Wichtig ist dabei jedoch immer die kritische Reflektion in Bezug auf Auswirkungen, Kompetenzen und Nutzung. Bspw. soll Letzteres nicht unkritisch oder voreilig erfolgen, sondern sicher und datenschutzkonform ablaufen. Hierzu wollen wir an der Freien Universität mittelfristig eine entsprechende Angebotsstruktur aufbauen.
Jeelka Reinhardt: Der Einsatz von KI auch an Hochschulen ist von einer nach wie vor hohen Dynamik und vielen offenen Fragen geprägt. In der aktuellen Situation steht für uns im Fokus, gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden der Freien Universität Tools und Einsatzszenarien zu erproben, gemeinsam Erfahrungen zu sammeln und Kompetenzen aufzubauen. Interessierte sind herzlich eingeladen, auf uns zuzukommen!
Die Fragen stellte Dennis Yücel