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„Völkerrecht muss entschlossen verteidigt werden.“

Schwerpunkt: Krieg in der Ukraine

16.02.2023

Helmut Philipp Aust, Professor für Öffentliches Recht und die Internationalisierung der Rechtsordnung

Helmut Philipp Aust, Professor für Öffentliches Recht und die Internationalisierung der Rechtsordnung
Bildquelle: Michael Fahrig

Was kann das Völkerrecht im Lichte der russischen Aggression leisten? Das Völkerrecht setzt einen Rahmen für die Auseinandersetzung mit dem Kriegsgeschehen. Es hilft, Recht und Unrecht nicht nur intuitiv, sondern auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln zu benennen. Aber das Völkerrecht wird natürlich durch einen massiven Angriffskrieg herausgefordert – faktisch und in seiner normativen Autorität. 

Daher müssen wir immer wieder auch über die völkerrechtlich angemessene Reaktion auf den russischen Angriffskrieg diskutieren. Wirtschaftssanktionen und Waffenlieferungen sind völkerrechtlich zulässig, um die Ukraine in der Ausübung ihres Selbstverteidigungsrechts zu unterstützen. Bei innovativen Vorschlägen, etwa der Beschlagnahme von Zen­tralbankvermögen zum Zwecke des Wiederaufbaus oder der Schaffung eines Sondertribunals für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression muss genau abgewogen werden: Was ist eine gleichermaßen völkerrechtlich zulässige und angemessene Reaktion auf den russischen Angriffskrieg? Und welche systemischen Auswirkungen haben solche Initiativen? 

Völkerrecht entwickelt sich stetig weiter durch neue Verträge, aber auch durch Praxis, die zur Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht führen kann. Trotz der breiten Verurteilung des russischen Angriffskriegs ist die internationale Staatengemeinschaft hier teilweise stärker gespalten, als wir es uns wünschen mögen. Es sollte ein Ziel deutscher und europäischer Völkerrechtspolitik sein, sowohl entschlossen auf den russischen Angriffskrieg zu reagieren als auch zukünftig so zu agieren, dass Vorwürfe, der Westen messe mit zweierlei Maß, nicht mehr so leicht erhoben werden können.

Dieser Artikel ist am 19.02.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.