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„Die Geschlossenheit, mit der die EU handelt, markiert eine Zeitenwende."

Schwerpunkt: Krieg in der Ukraine

16.02.2023

Tanja Börzel, Professorin für Politikwissenschaft und Europäische Integration

Tanja Börzel, Professorin für Politikwissenschaft und Europäische Integration
Bildquelle: Katy Otto

Wissenschaft und Politik sehen in dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine Zäsur, mit der sich nicht nur die Politik in Deutschland verändert, sondern auch in der Europäischen Union. Die nach dem Ende des Kalten Krieges errichtete europäische Sicherheitsarchitektur wurde durch Putins Krieg zerstört. 

Für die Neuordnung der Sicherheit in Europa muss die Handlungsfähigkeit der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt werden. Forderungen dazu reichen von der Einführung von Mehrheitsentscheidungen bis zur Aufstellung einer europäischen Armee. Die dafür notwendigen Vertragsverhandlungen wären allerdings kaum geeignet, die EU in der Bewältigung der multiplen Krisen zu stärken. 

Auch hat die EU mit ihrer Reaktion auf die von Russland begangenen massiven Völkerrechtsverletzungen eine erstaunliche Handlungsfähigkeit gezeigt. Die Mitgliedstaaten haben sich bisher – einstimmig – auf nicht weniger als neun Sanktionspakete geeinigt, eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine eingerichtet und mehr als 50 Milliarden Euro finan­­­zi­el­ler Hilfe beschlossen. 

Zudem haben sie die Ukraine und Moldau zu Beitrittskandidaten gemacht und fast acht Millionen Geflüchtete aufgenommen. Diese Geschlossenheit lässt sich durchaus als Zeitwende in Europa verstehen. Sie hat allerdings nichts mit der von Bundeskanzler Scholz verkündeten Zeitenwende in der deutschen Außenpolitik zu tun. Deutschland muss sich erst noch als europäische Führungsmacht erweisen.

Dieser Artikel ist am 19.02.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.