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„Wir sollten Menschen etwas zutrauen“

Erziehungswissenschaftlerin Gudrun Doll-Tepper zur Beauftragten für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen bestellt

05.07.2013

Seit ihrer Studienzeit setzt sich Gudrun Doll-Tepper für den Behindertensport ein.

Seit ihrer Studienzeit setzt sich Gudrun Doll-Tepper für den Behindertensport ein.
Bildquelle: Deutscher Olympischer Sportbund

Für sie ist es kein Arbeitsgebiet sondern eine Lebensaufgabe: Seit ihrer Studienzeit setzt sich Gudrun Doll-Tepper für den Behindertensport ein. Heute leitet die Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität den Arbeitsbereich Integrationspädagogik, Bewegung und Sport. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, ist als wissenschaftliche Expertin gefragt und Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien. Nun übernimmt sie eine weitere Aufgabe: Das Präsidium der Freien Universität hat Gudrun Doll-Tepper zur Beauftragten für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen ernannt.

Angefangen hat alles mit einem Aushang an einem der vielen schwarzen Bretter der Freien Universität Berlin – damals, Ende der Sechzigerjahre, als Gudrun Doll-Tepper Sport, Anglistik und Erziehungswissenschaft studierte. „Wer traut sich zu, mit behinderten Kindern Sport zu machen?“ stand da auf einem Zettel, ausgehängt von einem Berliner Rehabilitationszentrum. Gudrun Doll-Tepper traute sich – und erfuhr, zu welchen sportlichen Leistungen Menschen mit körperlichen Behinderungen fähig sind. „Viele der Kinder dort wurden total unterschätzt.“ 

Seither beschäftigt sie sich nicht nur ehrenamtlich mit dem Thema, sondern auch wissenschaftlich. An der Freien Universität forscht die Professorin unter anderem zu Nachwuchs- und Talentförderung im Leistungssport von Athletinnen und Athleten mit Behinderung, sie ist Vizepräsidentin für Bildung und Olympische Erziehung im Deutschen Olympischen Sportbund und war im Auftrag der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)  Berichterstatterin bei der Weltsportministerkonferenz im Mai in Berlin. Dort referierte sie über die Ergebnisse einer Kommission mit dem Thema: „Zugang zum Sport als grundlegendes Recht für alle“. Im Mittelpunkt standen dabei Menschen mit einer Behinderung.

Um gleichberechtigte Teilhabe geht es auch in ihrem neuen Amt. Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen sollen die Chance erhalten, sich wie alle anderen am universitären Leben beteiligen zu können. Das Berliner Hochschulgesetz verpflichtet die Universitäten, zur Realisierung dieses Ziels spezielle Beauftragte zu ernennen. 

„Mit der Bestellung von Frau Professorin Doll-Tepper zur Behindertenbeauftragten zeigt die Freie Universität, dass das Thema an der Universität nicht nur bedeutsam, sondern auch wissenschaftlich relevant ist“, sagt Professor Michael Bongardt, Vizepräsident für Studium und Lehre. „Die Freie Universität hält bereits seit vielen Jahren ein umfassendes Beratungs- und Serviceangebot für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen vor. Mit der Bestellung von Frau Professorin Doll-Tepper zur Behindertenbeauftragten werden diese Angebote nun durch eine Interessenvertretung ergänzt, die sich aus einer starken Position heraus sowohl auf strategischer als auch auf struktureller Ebene für die Verbesserung der Situation von Studierenden mit Behinderungen einsetzen wird.“

Gudrun Doll-Tepper selbst wünscht sich eine enge Zusammenarbeit mit Georg Classen vom Büro für die Belange behinderter Studierender und mit Elisabeth Wunderl von der Servicestelle für blinde und sehbehinderte Studierende: „Diese Aufgabe kann man nur im Team lösen.“ Denn die Herausforderungen seien umfangreich und vielfältig. „An der Freien Universität ist schon viel passiert, aber ich engagiere mich gern dafür, die Hochschule so weit wie möglich barrierefrei zu machen.“ Das entspreche auch dem Diversity-Verständnis der Universität, die sich zum Ziel gesetzt habe, eine diskriminierungsfreie Lehr-, Lern- und Arbeitsumgebung zu schaffen und eine wertschätzende Zusammenarbeit aller Statusgruppen zu ermöglichen.

Eine solche barrierefreie Universität im weitesten Sinne gehe über architektonische Belange hinaus. So müssten Lehrveranstaltungen zum Thema Inklusion nicht nur in der Lehrerbildung, sondern auch in anderen Fächern verpflichtend angeboten werden. In Ländern wie den USA sei man da schon weiter. Gudrun Doll-Tepper  hält eine enge internationale Vernetzung bei ihrer Arbeit deshalb für unverzichtbar, ebenso wie den prüfenden Blick in die Hochschule. „2009 ist in Deutschland die Behindertenrechtskonvention der  Vereinten Nationen in Kraft getreten. Wir müssen schauen, was die Konvention für die einzelnen Fachbereiche an unserer Universität bedeutet.“

Ihre neue Aufgabe empfindet die Wissenschaftlerin als „ausgesprochen reizvolle und inspirierende Herausforderung“. Das jahrzehntelange Engagement für den Behindertensport habe ihr gezeigt, wie viel möglich ist, was für unmöglich gehalten wurde: „Wir sollten Menschen etwas zutrauen.“ Und das gilt nicht nur im Sport.