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„Berlin muss man erst lernen“

In ihrer Doktorarbeit widmet sich die Journalistin und Absolventin der Freien Universität Brenda Strohmaier der Frage, was es bedeutet, Berliner zu sein

17.03.2015

Kam kurz nach der Wende als Binnenmigrantin aus dem Saarland nach Berlin: Brenda Strohmaier, Alumna der Freien Universität Berlin und Autorin des im Campus-Verlag erschienenen Buchs "Wie man lernt, Berliner zu sein".

Kam kurz nach der Wende als Binnenmigrantin aus dem Saarland nach Berlin: Brenda Strohmaier, Alumna der Freien Universität Berlin und Autorin des im Campus-Verlag erschienenen Buchs "Wie man lernt, Berliner zu sein".
Bildquelle: Reto Klar

„Wie man lernt, Berliner zu sein. Die deutsche Hauptstadt als konjunktiver Erfahrungsraum“ lautet der Titel ihrer Doktorarbeit: Von insgesamt sechsundfünfzig Hauptstädtern wollte Brenda Strohmaier wissen, „was Berlin vom Rest der Welt unterscheidet“ und ließ dabei sowohl aus der Spreemetropole Gebürtige als auch deutsche Binnenmigranten und Menschen mit ausländischen Wurzeln miteinander diskutieren. „Berlin muss man erst lernen“, sagt die Publizistikwissenschaftlerin. „Allein die Größe der Stadt ist für viele, die herziehen, erst einmal eine Herausforderung.“ Zudem stoße sich mancher Zugezogene an dem als ruppig empfundenen Sozialverhalten der Berliner. Nichtsdestotrotz zeige die deutsche Hauptstadt eine große Assimilationskraft, sagt Strohmaier: „Der Wille, dazuzugehören, ist in Berlin gigantisch groß.“

Die Frage, wie man zum waschechten Berliner wird, stellte sich für Brenda Strohmaier selbst kurz nach der Wende. Da zog die damals Neunzehnjährige aus dem beschaulichen Saarland zum Studium nach Berlin und kam zunächst in einem Schwesternwohnheim in Tiergarten unter. Eine Wohnung zu finden, sei schon damals schwer gewesen. „Vom Studium an der Freien Universität war ich sofort begeistert, weil man in der Wahl der Kurse relativ frei war", sagt Strohmaier. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Publizistik arbeitete Strohmaier zunächst unter anderem als freie Journalistin. Seit 2011 ist sie Redakteurin im Stil-Ressort der „Welt am Sonntag“.

Rückkehr nach Dahlem

Die positiven Erinnerungen an ihre Studienzeit waren es, die die Journalistin dazu brachten, an die Universität zurückzukehren. Anfangs wollte Strohmaier nur ein Buch über Berlin schreiben. „Ich wollte recherchieren, was es bedeutet, Berliner zu sein." Da sich das als ziemlich aufwendig herausgestellt habe, habe sie sich entschlossen, darüber zu promovieren: „Mir hat es großen Spaß gemacht, noch einmal Kurse zu belegen. Leider konnte ich meine Kommilitonen aber nicht davon abbringen, mich zu siezen“, sagt Strohmaier und lacht.

Während der Promotion habe sie von ihrer langjährigen Erfahrung als Reporterin profitiert. „Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen wissenschaftlichem und journalistischem Arbeiten“, sagt Brenda Strohmaier. „Als Journalistin mache ich ja im Grunde dauernd Miniforschungsprojekte“.

Berlin muss man zu deuten wissen

Ihre Untersuchung zeige, dass man als Berliner die Verwandlung mögen müsse, meint Strohmaier. „Die Stadt ist ständig neu. Dieser ständige Wechsel kann Leute natürlich auch nerven.“ Hilfreich sei es auch, sich als Berliner mit Hundekot, Graffiti, Armut und merkwürdigen Gestalten im öffentlichen Raum arrangieren zu können. Die sogenannte Berliner Schnauze – also den rauen Umgangston, der im Rahmen von Strohmaiers Untersuchung häufig von Befragten angesprochen wurde – „kann man aber auch als wohltuende Berliner Ehrlichkeit deuten“, sagt Strohmeier.

Als wichtigstes Ergebnis ihrer Untersuchung nennt Strohmaier die Erkenntnis, dass auch Binnenmigration ein langwieriger Prozess sein kann. „Menschen, die aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kommen, müssen sich hier genauso zurechtfinden und integrieren wie Menschen, die aus dem Ausland zuziehen.“ Dies decke sich auch mit ihren persönlichen Erfahrungen, sagt die Journalistin. „Das Ankommen in Berlin ist für alle, die hier leben wollen, erst einmal ein Anpassungs- und Lernprozess. Ich persönlich begreife mich inzwischen als Lokalpatriotin und lebe sehr gerne hier.“