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Kinder, Kinder!

Jahrzehntelang haben Angehörige der Freien Universität ihm ihren Nachwuchs anvertraut – nun hat sich Erzieher Norbert Brose in den Ruhestand verabschiedet

22.08.2016

Kolleginnen und Kollegen, Eltern und die Kinder der Rotkehlchen-Gruppe sagen zum Abschied in den Ruhestand: Danke, Nobbi!

Kolleginnen und Kollegen, Eltern und die Kinder der Rotkehlchen-Gruppe sagen zum Abschied in den Ruhestand: Danke, Nobbi!
Bildquelle: Stephan Töpper

Wenn Norbert Brose sich morgens auf den Weg zur Arbeit machte, lag ein turbulenter Tag mit 19 kleinen Rotkehlchen vor ihm. Er hat mit ihnen gefrühstückt, gespielt, ihnen Bücher vorgelesen – und sie gewickelt. Denn der 65-Jährige ist nicht etwa Biologe oder Vogelkundler, sondern Erzieher in der Krippe der Kindertagesstätte an der Freien Universität. Gemeinsam mit drei Kolleginnen betreute Norbert Brose eine Gruppe Kleinkinder, die nach dem lebhaften Singvogel benannt ist. Nach 43 Jahren im Beruf hat sich der Pädagoge nun in den Ruhestand verabschiedet – als Berlins dienstältester Krippenerzieher.

Tränen trocknen, den Streit zwischen zwei Zweijährigen um einen Spielzeugbagger schlichten oder im sogenannten Entwicklungstagebuch die motorischen, sozial-emotionalen und sprachlichen Fortschritte der Kleinen dokumentieren: Norbert Brose war als Erzieher in der Krippe rundum gefordert.

Sein hauptsächlicher Arbeitsplatz war der Gruppenraum der Rotkehlchen, der sich im ersten Stock des Kitagebäudes in der Dahlemer Königin-Luise-Straße befindet – ein wahres Kinderparadies mit Rutsche, Schaukel, Regalen gefüllt mit Büchern und Kisten voll Spielzeug. Eröffnet wurde die Kindertagesstätte an der Freien Universität am 1. April 1977 – Norbert Brose war seit dem ersten Tag dabei.

Zwischen 1200 und 1400 Kinder von Studierenden, Beschäftigten, Forschenden und Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern der Freien Universität hat er seitdem betreut, so seine Schätzung. „Nicht wenige der Eltern, die heute ihre Kinder in unsere Kita schicken, waren selbst als Kinder bei uns“, sagt Nobert Brose. 1970 hatte er seine Ausbildung zum Erzieher in West-Berlin begonnen – als einer von drei Männern und 900 Frauen.

Zunächst arbeitete er in einem Heim als heilpädagogischer Erzieher, bis er einen Tipp seines älteren Bruders bekam, dem späteren Verwaltungsleiter der Freien Universität und Gründer des Uni-Radios, Detlef Brose: „Mein Bruder hat zu diesem Zeitpunkt an der Freien Universität noch als Medienwart in Lankwitz gearbeitet und mir erzählt, dass die Hochschule den Bau einer Kita plant.“ Schon kurze Zeit später konnte Norbert Brose sich bewerben und bekam eine der Erzieherstellen.

„Die Umstellung war ziemlich hart für mich“

Den damaligen Leiter der Kindertagesstätte hätte vor allem seine vorangegangene Arbeit im Heim überzeugt, erinnert sich der gebürtige Berliner Brose. „Heimerzieher sind besonders belastbar“, sagt er. Mehr als 20 Jahre arbeitete er fortan im Hort der Kindertagesstätte. Mit dem Eigentümerwechsel im Jahr 2005 – die Einrichtung gehört seitdem zum Studentenwerk Berlin – wechselte Norbert Brose sein Tätigkeitsfeld: Von nun an betreute er keine Vorschul-, sondern die Krippenkinder im Alter von einem Monat bis drei Jahren.

„Die Umstellung war ziemlich hart für mich“, sagt Norbert Brose. „Ich bin sehr impulsiv und spontan. Besonders meine ironische Art kam bei den Hortkindern gut an – die Kleinkinder konnten damit jedoch wenig anfangen“, lacht der zweifache Großvater. Bereut hätte er den Wechsel jedoch nie, betont er.

„Respektvolle Behandlung auf Augenhöhe"

Und dass er sich schnell und gut an die neuen Arbeitsbedingungen angepasst hat, bekräftigen Kolleginnen wie Michaela Petriolio. „Norberts Fähigkeit, mit Kindern umzugehen, kann man nicht auf der Erzieherschule lernen. Er orientiert sich immer mit viel Feingefühl an den Kleinen, fast schon familiär, und behandelt sie respektvoll auf Augenhöhe“, sagt die Erzieherin.

Vieles hätte sich in den vergangen Jahrzehnten in der pädagogischen Arbeit geändert, sagt Norbert Brose. „Anspruch und Realität in der Erzieherarbeit klaffen ziemlich auseinander. Die Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit müssen verbessert werden.“

Die Kinder von heute würden sich im Grunde nicht von den Kindern der 70er Jahren unterscheiden – die Eltern hingegen sehr: „Früher stand mehr das Gesamtwohl der Gruppe im Vordergrund, heute geht es den Eltern eher um die individuellen Bedürfnisse des eigenen Kindes.“

Auch wenn sein Arbeitstag in der Kita mitunter sehr laut war – im Ruhestand wird es nicht unbedingt leiser zugehen. Norbert Brose freut sich darauf, mehr Zeit für seine Musikleidenschaft zu haben. Der Hobby-DJ besitzt mehr als 4000 CDs – „Alles von Abba bis Zappa“, sagt er. Aber auch Kinderlieder werde er weiterhin gerne singen – nur nicht mehr mit seinen Rotkehlchen, sondern seinen beiden Enkelinnen.