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Zwischen fortschrittlichem Anspruch und rückständiger Wirklichkeit

Manju Parameswaran untersucht in ihrer Dissertation selbstreflexive Elemente des indischen Films – ihr Fokus liegt auf der Darstellung von Kasten- und Genderproblemen

14.08.2017

Manju Parameswaran im Mai 2016 an der Freien Universität.

Manju Parameswaran im Mai 2016 an der Freien Universität.
Bildquelle: Manuel Krane

Die südindische Region Kerala gilt als fortschrittlich in Indien. „Wir geben uns progressiv, haben aber immer noch Probleme mit dem Kastensystem“, sagt Manju Parameswaran. Die Doktorandin forschte im vergangenen Jahr mit Hilfe eines Erasmus+ weltweit-Stipendiums an der Freien Universität. Sie untersucht die Lücke zwischen fortschrittlichem Anspruch und konservativer Wirklichkeit – allerdings nicht in der realen Welt, sondern im Film.

In Kerala wird Malajalam gesprochen, eine Sprache, die rund 33 Millionen Menschen beherrschen. Es gibt eine eigene Filmindustrie mit Filmen in malajalamischer Sprache. Manju Parameswaran schaut sich genau an, wie in diesen Filmen Kasten dargestellt werden. Das Kastensystem ist aber nicht der einzige Schwerpunkt ihrer Arbeit, sie interessiert sich auch für Genderaspekte. Die Doktorandin verfolgt damit ein ganz bestimmtes Ziel: „Es geht darum aufzuzeigen, wie der malajalamische Film sich selber dokumentiert“, sagt Parameswaran.

Als sie an der Universität Hyderabad mit ihrer Dissertation begann, suchte sie gezielt nach europäischen Hochschulen, die auf ihr Fachgebiet – die Filmwissenschaft – spezialisiert sind. „Es gibt nur wenige Hochschulen mit entsprechenden Abteilungen“, sagt Parameswaran. An der Freien Universität wurde sie fündig: Professorin Gertrud Koch hat zu Ästhetik und visuellen Konstruktionen des Judentums in deutschen Filmen geforscht. „Das ist zwar nicht exakt mein Thema, aber es gibt Ähnlichkeiten“, sagt Parameswaran. „In beiden Fällen geht es um Diskriminierung. Leute aus der niedrigsten Kaste konnten in Indien nicht zur Schule gehen, waren eingeschränkt – das war für Juden in Deutschland zwischen 1933 und 1945 ähnlich.“ Die Forschungsergebnisse von Gertrud Koch und den akademischen Austausch mit der Professorin will sie für ihre eigene Dissertation nutzen.

Dazu hat Parameswaran ihre bisherigen Forschungsergebnisse in einem von Gertrud Koch geleiteten Seminar vorgestellt. Während Parameswaran in Hyderabad vor ihrer Reise nach Deutschland auch Seminare geleitet hat, galt in Deutschland ihre volle Aufmerksamkeit ihrer Dissertation. Im Wohnheim konnte sie viele Kontakte zu anderen internationalen Studierenden knüpfen – nur wenige zu Deutschen. „Ich wollte aber natürlich auch die Kultur in Deutschland kennenlernen, das Essen, die Lebensweise“, sagt sie. Über den Internationalen Club der Freien Universität ist es Manju Parameswaran dann doch gelungen, Kontakt zu deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen aufzubauen.

Fast ein Jahr war Parameswaran in Berlin, ihren ursprünglich für sechs Monate geplanten Aufenthalt hat sie im Herbst 2016 noch einmal verlängert. Mittlerweile ist sie zurück in Indien. Im Januar wurde ihr erster wissenschaftlicher Artikel veröffentlicht, ein Aufsatz über die Archivierung des Kinos in Kinofilmen, also darüber, wie sich das Kino in seinem eigenen Medium selbst darstellt. Parmeswaran hat das am Beispiel des malajalamischen Films „Celluloid“ aus dem Jahr 2013 gezeigt. „Der Artikel ist in meiner Zeit an der Freien Universität entstanden“, sagt Parameswaran.

Bis Juni 2018 möchte sie ihre Dissertation abgeschlossen haben. Pläne für die Zeit danach hat Parameswaran auch schon: „Ich würde gerne im akademischen Bereich Karriere machen. Eine Postdoc-Stelle wäre großartig, am liebsten außerhalb von Indien.“ Auch Berlin wäre eine Option, denn die Zeit an der Freien Universität hat sie in guter Erinnerung. „Ich vermisse bereits jetzt die tolle Arbeitsatmosphäre in Berlin“, sagt die Doktorandin.

Weitere Informationen

„Erasmus+ weltweit“ (früher: Erasmus Mundus) ist das internationale Studierendenaustauschprogramm der Europäischen Union. Es ermöglicht Studierenden, einen Teil ihres Studiums an Hochschulen in Ländern außerhalb Europas zu verbringen. Auch Mobilitätsprojekte für Hochschulpersonal werden darüber gefördert. Studierende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Rahmen dieses Programms an die Freie Universität Berlin kommen oder von der Freien Universität ins Ausland gehen, werden dabei vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert.