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„Wir wollten etwas tun!“

Jurastudent Joshua Kriesmann organisiert seit zwei Jahren Begegnungen zwischen Berliner Schülern und Flüchtlingen

01.09.2017

Spaß steht im Vordergrund: Die Treffen des Vereins Schüler Treffen Flüchtlinge bringen junge Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen - hier im Jugendzentrum JUP in Berlin Pankow.

Spaß steht im Vordergrund: Die Treffen des Vereins Schüler Treffen Flüchtlinge bringen junge Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen - hier im Jugendzentrum JUP in Berlin Pankow.
Bildquelle: STF e.V.

Manchmal muss erst einmal etwas schiefgehen: Rund 25 junge Menschen waren zum ersten Treffen gekommen, das Joshua Kreismann im September 2015 organisiert hatte: zur Hälfte Schülerinnen und Schüler, zur Hälfte junge Geflüchtete. Es wurde gemeinsam gekocht und bei den Vorbereitungen in der Küche hatte sich die Gruppe schnell kennengelernt. Doch plötzlich habe der Ofen angefangen zu brennen, sagt Joshua Kriesmann. „Das war so natürlich nicht geplant“, erzählt der 20-Jährige. „Doch gemeinsam den Ofen zu löschen, hat die Gruppe zusammengeschweißt.“

Zwei Jahre ist das nun her, und seitdem hat jeden Monat ein Treffen stattgefunden. Organisiert werden sie vom gemeinnützigen Verein Schüler Treffen Flüchtlinge e.V. (STF), den Joshua Kriesmann – damals noch Oberstufenschüler – mit Mitschülern gegründet hat. Bis heute hat der Verein Hunderte Berliner Schülerinnen und Schüler und Geflüchtete in Kontakt miteinander gebracht.

Selbstgekochtes genießen: Gemeinsames Essen bei einem Kochevent von Schüler Treffen Flüchtlinge kurz vor der Sommerpause.

Selbstgekochtes genießen: Gemeinsames Essen bei einem Kochevent von Schüler Treffen Flüchtlinge kurz vor der Sommerpause.
Bildquelle: STF e.V.

Reibekuchen und Hummus mit Pistazien: Die Teilnehmer von STF-Kocht! zeigen sich gegenseitig ihre Landesküche.

Reibekuchen und Hummus mit Pistazien: Die Teilnehmer von STF-Kocht! zeigen sich gegenseitig ihre Landesküche.
Bildquelle: STF e.V.

Joshua Kriesmann studiert seit einem Jahr Jura an der Freien Universität. Noch als Schüler hat er vor zwei Jahren den Verein Schüler Treffen Flüchtlinge gegründet.

Joshua Kriesmann studiert seit einem Jahr Jura an der Freien Universität. Noch als Schüler hat er vor zwei Jahren den Verein Schüler Treffen Flüchtlinge gegründet.
Bildquelle: privat

Der ehemalige Botschafter der USA John B. Emerson lud Teilnehmer von Schüler Treffen Flüchtlinge zum Grillen in seine Residenz.

Der ehemalige Botschafter der USA John B. Emerson lud Teilnehmer von Schüler Treffen Flüchtlinge zum Grillen in seine Residenz.
Bildquelle: U.S. Botschaft Berlin

Auf die Idee war Joshua Kriesmann über sein Hobby gekommen: Anfang 2015 hatte er an seiner Reinickendorfer Schule eine Model-United-Nations-Konferenz mitorganisiert. Bei diesen Planspielen schlüpfen die Teilnehmer in die Rolle von Delegierten bei den Vereinten Nationen. Das Thema der simulierten Konferenz war die globale Flüchtlingskrise. „Das hat meine Mitschüler und mich sensibilisiert“, sagt Joshua Kriesmann. „Wir wollten etwas tun!“ Deshalb rief er mit einer Gruppe von Freunden eine Spendenaktion ins Leben, um den Flüchtlingsunterkünften zu helfen.

Nur ein Prozent aller, die sich ehrenamtlich in diesem Bereich engagierten, seien Schüler, betont Joshua Kriesmann, der mittlerweile im bald dritten Semester an der Freien Universität Jura studiert. Er glaubt, dass hier ein großes Potenzial besteht. „Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen dem Interesse von Schülern, sich für eine Sache einzusetzen, und dem tatsächlichen Engagement“, sagt er. Schüler stünden oft vor besonderen Hürden: Als Joshua Kriesmann nach einem Abnehmer für Sachspenden gesucht habe, habe er von den meisten Flüchtlingsunterkünften gar keine Antwort erhalten. „Man ist uns mit viel Skepsis begegnet, weil wir nur eine Schülergruppe waren“, sagt der Student heute. Darum habe er den Verein Schüler Treffen Flüchtlinge gegründet: „Das war ein bürokratischer Aufwand, hat sich aber gelohnt, auch weil wir über den Verein Fördergelder von Stiftungen und politischen Einrichtungen beantragen konnten."

Schüler Treffen Flüchtlinge organisiert regelmäßig zwei unterschiedliche Arten von Begegnungen: Unter dem Motto STF-Entdeckt! unternehmen die Teilnehmer Ausflüge in Berlin, zum Beispiel eine Führung durch den Bundestag. Bei STF-Kocht! werden gemeinsam Gerichte aus Deutschland und den Herkunftsländern der Flüchtlinge zubereitet, also etwa aus Syrien und Afghanistan. Geflüchtete und Schüler können sich online für die Treffen anmelden.

Es dauere nie lang, bis das Eis zwischen den Teilnehmern breche, sagt Joshua Kriesmann. Noch besser als die gemeinsame Küchenarbeit überbrücke Tanzen die kulturellen Unterschiede und sprachlichen Hürden. „Vor allem unsere syrischen Freunde spielen gerne ihre Musik und zeigen uns, wie man dazu tanzt.“

Stereotype abbauen, Kontakte knüpfen, Freundschaften wachsen lassen: Das möchte Joshua Kriesmann mit den Begegnungen erreichen. Heute gebe es allerdings weniger Interesse an dem Projekt als noch vor zwei Jahren, als die ankommenden Flüchtlinge die Nachrichten beherrschten. Der Jurastudent findet das schade, denn seiner Ansicht nach sind Kontakte jetzt wichtiger als jemals zuvor. „Viele Geflüchtete sind seit einem oder zwei Jahren hier, haben Deutschkurse besucht und vielleicht eine eigene Wohnung gefunden. Was noch fehlt, sind die Integration in den Arbeitsmarkt und der Kontakt zu den Menschen, die schon länger hier leben“, sagt er.

Deshalb will Joshua Kriesmann, der dem Verein weiterhin vorsteht, das Begegnungsprojekt unbedingt fortsetzen. Gleichzeitig möchte er Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland ermutigen, ihre eigenen Projekte auf die Beine zu stellen. Im Seminar „Aktion Zukunft“, das sein Verein bereits 2016 organisiert hat und für das kommende Jahr erneut plant, erlernen interessierte Schüler hilfreiche Fähigkeiten, um Projekte zu managen. Es wird von der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, der US-Botschaft und dem Bundesfamilienministerium gefördert und unterstützt die Schüler bei anschließenden Projekten auch finanziell.

Am wichtigsten sei es aber, selbstbewusst zu sein, sagt Joshua Kriesmann. Er rät interessierten Schülern, einfach loszulegen. „Wenn man mit Freunden beschließt, eine Sache anzugehen – und sich ein bisschen überlegt, wie sie Hand und Fuß haben kann – dann wird es funktionieren.“ Auch wenn es beim ersten Mal noch nicht perfekt laufen sollte, lasse sich viel daraus lernen, sagt der Student: „Vor allem merkt man, dass man etwas bewegen kann.“

Weitere Informationen

Informationen zu Schüler Treffen Flüchtlinge e.V., das Anmeldeformular für die Treffen und Möglichkeiten, sich selbst zu engagieren, finden sich auf der Website des Vereins und auf Facebook.

Für das Seminar „Aktion Zukunft“ sucht der Verein noch helfende Hände in Buchhaltung, IT, Öffentlichkeitsarbeit und als Teamer. Weitere Informationen finden sich in der Ausschreibung und auf der Website von Aktion Zukunft.