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Die weiteren Aussichten: heiter und beschäftigt

Meteorologieprofessor Ulrich Cubasch geht Ende März in den Ruhestand

29.03.2018

Meteorologieprofessor Ulrich Cubasch geht Ende März in den Ruhestand.

Meteorologieprofessor Ulrich Cubasch geht Ende März in den Ruhestand.
Bildquelle: David Ausserhofer

Ulrich Cubasch, Professor an der Freien Universität für Meteorologie, Friedensnobelpreisträger im Rahmen des Weltklimarats (IPCC), Mitglied unzähliger renommierter Klimaforschungsverbände, ein Großer der Klimawissenschaft, geht zum 31. März in den Ruhestand. Unter seinen Kolleginnen und Kollegen der Geowissenschaften werde diese erste Phase des Ruhestandes häufig auch als wissenschaftliches Abklingbecken bezeichnet, behauptet er. Das kann eigentlich nur Selbstironie sein, denn will man Ulrich Cubasch sprechen, verrät seine Sekretärin als erstes, dass er sich gerade ein neues Büro ansehe. Neue Büros gelten nicht gerade als Abklingbecken.

Darauf angesprochen, lacht Ulrich Cubasch erst einmal. Er freue sich auf die neue Zeit auch deshalb, weil ihm mehr Zeit für die Wissenschaft bleibe – Zeit, die er früher als Institutsleiter für Aufgaben wie Personaldebatten, die Einführung neuer oder die Neuordnung bestehender Studiengänge hatte aufbringen müssen. Eine Verabschiedung an der Freien Universität gab es schon im Februar zum Semesterende, bevor viele in die vorlesungsfreie Zeit entschwanden. Die Geschäftsführung des Instituts für Meteorologie hatte Cubasch schon im Herbst abgegeben, sein Nachfolger steht in den Startlöchern, er kommt aus Zürich. Dieser nahtlose Übergang beruhigt Ulrich Cubasch. Er selbst habe das Institut im Jahr 2011 nach sieben Jahren Vakanz an der Spitze übernommen. „In solch einer Zeit ohne Leitung entwickelt ein Institut ein Eigenleben. Manchmal habe ich geglaubt, ich könne Teile des Instituts gar nicht mehr einfangen", sagt Cubasch, und sein Unterton verrät wieder die Selbstironie. Er übergibt ein gut aufgestelltes und gut bestelltes Haus, davon ist der Professor überzeugt. Sorgen bereitet ihm einzig die geringe Anzahl des wissenschaftlichen Nachwuchses, aber das sei kein spezifisches Problem der Meteorologie, sondern aller Naturwissenschaften.

Auch in großem Stil betrachtet gehe es der Meteorologie in Deutschland und in Europa sehr gut, bei der Klimaforschung sieht er die Europäische Union an führender Stelle, während sie in den USA unter Präsident Donald Trump auf ein Notprogramm zurückgefahren werde – Cubasch hat durchaus Verständnis und Empathie für die Frustration der Kollegen jenseits des Atlantiks.

So recht über Gefühle mag er dann aber doch nicht sprechen, der Professor am Rande des Abklingbeckens. Die Abschiedsfeier habe ein „merkwürdiges Gefühl“ ausgelöst, „wenn man so viel gelobt wird“, angenehmer sei ihm da schon gewesen, dass er viele Freunde, Kollegen und Exfreunde wiedergesehen habe. „Aber natürlich kommen auch nur die, mit denen man positiv zusammengearbeitet hat", schränkt Cubasch gleich wieder ein.

Ähnlich klingt er, wenn er über den größten Moment seiner wissenschaftlichen Karriere sprechen soll: Im Jahr 2007 ging der Friedensnobelpreis an den Weltklimarat der Vereinten Nationen, dessen Mitglied Cubasch ist. „Der Preis blieb eigentlich ganz abstrakt, denn der Rat umfasst ja 2500 Wissenschaftler." Das ist so ein typischer Cubasch-Satz, und doch gesteht er in einem Nebensatz ein, die Urkunde hänge in seinem Büro an einem Ehrenplatz. Vermutlich wurde genau das gelobt bei seiner Abschiedsfeier im Institut: hohe Kompetenz und noch größere Bescheidenheit.

Geboren wurde Ulrich Cubasch in Hamburg, er begeisterte sich früh für Physik, insbesondere für die angewandte, denn einer seiner Physiklehrer kam aus der Industrie, auch ein Nachbar half bei der Berufsorientierung. Die Familie war bald nach seiner Geburt in die Nähe von Frankfurt am Main gezogen, Cubasch studierte zuerst in Frankfurt, danach ging er zum Studium nach Kiel – „weiter konnte man damals nicht weg“, sagt er lächelnd. Es folgte ein Aufenthalt von 1978 bis 1986 im britischen Reading am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage, wo ein Supercomputer Wettermodelle rechnen konnte – damals der schnellste Rechner Europas. Dort gewährte man ihm „das Privileg, neben der Arbeit zu promovieren“. Promoviert wurde er an der Universität Hamburg. Er wechselte ans Max-Planck-Institut und ans Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg und habilitierte sich 1993. 2002 folgte er einem Ruf an die Freie Universität, wurde dort Prodekan und später Dekan des Fachbereichs Geowissenschaften und schließlich Direktor des Instituts für Meteorologie. Lehre stand am Anfang am Hamburger Max-Planck-Institut weniger im Fokus, dafür war der Bedarf an der Popularisierung von Klimafragen sehr groß. Er habe damals viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben, sagt Cubasch, unter anderem auch vor Schulklassen und Lehrern, Sparkassenvertretern und Mitgliedern des Lions Clubs.

Im Abklingbecken, so hat Ulrich Cubasch es sich fest vorgenommen, werde er versuchen, endlich wieder mal im Chor zu singen, das letzte Mal war das während seiner Zeit in Großbritannien der Fall. Er will vorläufig in Berlin bleiben: Der Sohn strebt gerade eine Promotion an, einen Enkel gibt es auch, für den akademischen Nachwuchs in der Familie Cubasch ist also gesorgt.

In den Fachgesellschaften trete er perspektivisch einen Schritt zurück. Im Weltklimarat werde er wohl für bestimmte Aufgaben nicht mehr gebraucht, sondern eher als „alter weiser Mann im Hintergrund“. Auch dieser Satz geht Ulrich Cubasch nicht ohne sein selbstironisches Lächeln über die Lippen. Er wird weiterhin viel gefragt sein, nicht nur für die Begutachtung von Forschungsanträgen und bei der Vergabe von Stipendien. Auch am Institut gibt es noch Restarbeit zu erledigen: Einige Doktoranden und Masterstudierende sind noch nicht zu Ende betreut, Drittmittelprojekte noch nicht abgeschlossen. Was auch immer für ein Abklingbecken es also sein mag, in das Cubasch dieser Tage springt, es wird ein großes sein und das Abklingen ein sehr langer Prozess.

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