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Die Analog-Astronautin

Csilla Orgel, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Planetologie und Fernerkundung, datiert die Mondoberfläche mithilfe von Einschlagkratern

09.05.2018

Csilla Orgel sammelt Gesteinsproben auf dem Colorado Plateau in der Nähe von Hanksville im südlichen Utah. In der Wüste liegt die Forschungsstation Mars Desert Research Station (MDRS). (Foto von März 2013)

Csilla Orgel sammelt Gesteinsproben auf dem Colorado Plateau in der Nähe von Hanksville im südlichen Utah. In der Wüste liegt die Forschungsstation Mars Desert Research Station (MDRS). (Foto von März 2013)
Bildquelle: REUTERS/Jim Urquhart (UNITED STATES)

„Wir untersuchen die ersten 600 Millionen Jahre des Sonnensystems“, antwortet Csilla Orgel, wenn sie nach ihrer Forschung gefragt wird. Ihr Untersuchungsobjekt ist der Mond, genauer gesagt Einschlagbecken, die einen Durchmesser von mehr als 300 Kilometer haben. Die Krater sind durch Einschläge kosmischer Objekte wie Asteroiden oder den etwas kleineren Meteoriten entstanden. Die Doktorandin der Arbeitsgruppe Planetologie und Fernerkundung am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin will das Alter dieser Flächen bestimmen. Dazu zählt sie Krater innerhalb eines bestimmten Gebiets.

Die Methode zur Oberflächendatierung – die sogenannte Kratergrößen-Häufigkeitsverteilung – wurde in den 1970er Jahren von Gerhard Neukum entwickelt. Neukum war Professor für Planetologie und Fernerkundung am Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität; 2014 ist er gestorben. Der Planetenforscher war ein Pionier in der Altersdatierung planetarer Oberflächen. Im vergangenen Jahr wurde ein Mars-Krater nach ihm benannt.

Neue Untersuchungsmethoden

Bei der derzeitigen Datierung der Mondoberfläche gehen die Forscherinnen und Forscher davon aus, dass die Gesteinsbrocken aus dem All, die ihre Spuren auf der Mondoberfläche hinterlassen haben – die Impaktoren –, aus einer einzigen sogenannten Impaktorpopulation stammen. Diese Annahme ist jedoch umstritten. Wenn es sich um ein Zusammenspiel mehrerer Populationen handeln würde, hätte das großen Einfluss auf die Methoden zur Altersdatierung.

Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, führt die Arbeitsgruppe Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität detaillierte geologische Kartierungen, Analysen mit geografischen Informationssystemen (GIS) und Messungen von Kratergrößen-Häufigkeitsverteilungen durch. Aus den Untersuchungen ergeben sich nicht nur neue Informationen über die Wachstumsgeschichte des Mondes, sondern auch über die der Planeten des inneren Sonnensystems.

„Ich benutze eine neue Technik, die mein ehemaliger Kollege Thomas Kneissl entwickelt hat“, sagt Csilla Orgel. Früher nur die eindeutig sichtbaren Krater im Zählgebiet gezählt worden. Heute würden auch Krater berücksichtigt, die etwa durch andere verdeckt sind.

Analog-Astronauten

Ihren Bachelor of Earth Sciences hat Csilla Orgel in Budapest absolviert. Während des Masterstudiums ist die Ungarin 2013 für ein Semester über das Erasmus-Austauschprogramm an die Freie Universität gekommen – und wollte bleiben. Nachdem sie ein Jahr lang intensiv Deutsch gelernt hatte und an der Freien Universität und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in weiteren Projekten beschäftigt war, konnte sie ihr Studium auf dem Campus in Lankwitz fortsetzen. In ihrer Masterarbeit hat sie sich mit den klimatischen Verhältnissen auf dem Mars beschäftigt.

Vier Mitglieder der Mitglieder der Besatzung 125 Euro Moon Mars B Mission: Die Wissenschaftler, Studierenden und Freiwilligen in Raumanzügen simulieren die Arbeitsbedingungen auf dem Roten Planeten.

Vier Mitglieder der Mitglieder der Besatzung 125 Euro Moon Mars B Mission: Die Wissenschaftler, Studierenden und Freiwilligen in Raumanzügen simulieren die Arbeitsbedingungen auf dem Roten Planeten.
Bildquelle: REUTERS/Jim Urquhart (UNITED STATES)

Nicht nur am Computer befasst sich Csilla Orgel mit der Planetenforschung. Die 30-Jährige hat bereits an einem Dutzend Feldforschungen teilgenommen. Beim „EuroMoonMars“-Projekt in der US-amerikanischen Mars Desert Research Station ist sie sogar selbst in einen Raumanzug geschlüpft. Die Forschungsstation liegt auf dem Colorado Plateau in der Nähe von Hanksville im südlichen Utah. Sie ist Teil des „Analog Research Station“-Programms der Mars Society. In der menschenleeren Gegend, die geprägt ist von sandiger Wüste, tiefen Canyons und roten Felsen, simulieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Arbeitsbedingungen auf dem Mars. Sie werden daher auch als „Analog-Astronauten“ bezeichnet.

Als eine dieser Analog-Astronauten war Csilla Orgel an einer zweiwöchigen Expedition beteiligt. „Wir durften die Station nur im Raumanzug verlassen und unsere Beobachtungen durchführen.“ Das Team bestand aus einer weiteren Geologin, zwei Ingenieuren, einem IT-Experten und einer Psychologin. Letztere hat untersucht, wie sich die Isolation auf die Expeditionsteilnehmer auswirkt. Denn die Kommunikation nach „draußen“ war auf eine Stunde täglich und ausschließlich mit dem Mission Control Center beschränkt. „Für mich als Geologin war die Expedition sehr spannend“, sagt Csilla Orgel. „Das Gebiet ist unglaublich interessant.“

Mars-Kolonisation wohl nicht vor 2050

Für bemannte Missionen wird aber wohl der Mond das nächste Ziel sein, meint Csilla Orgel. „Der Mars ist einfach weiter weg, und wir haben die nötige Technologie dafür noch nicht. Eine bemannte Mars-Mission wird es wohl nicht vor 2050/2060 geben“, schätzt die Wissenschaftlerin. Zumindest nicht allein von der NASA, überlegt Csilla Orgel weiter. Vielleicht in internationalen Kooperationen, oder von SpaceX, einem privaten US-amerikanischen Raumfahrtunternehmen, das mit dem Ziel gegründet wurde, Technologien zu entwickeln, die es der Menschheit ermöglichen sollen, den Mars zu kolonisieren und das Leben auf anderen Planeten zu verbreiten.

Weitere Informationen

Csilla Orgel promoviert im Rahmen des Projekts „Timing of heavy bombardment, basin sequences and implications for impactor population(s) in the inner Solar System“ der Arbeitsgruppe Planetologie und Fernerkundung. Es ist Teil des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio-170 „Late Accretion onto Terrestrial Planets“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bis Ende 2019 gefördert wird. In dem SFB untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und des Museums für Naturkunde Berlin das späte Wachstum von Erde, Mond und anderen Planeten im inneren Sonnensystem vor 4,5 bis 3,8 Milliarden Jahren.