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Brückenbauerin zwischen Deutschland und Ägypten

Seit Anfang des Jahres leitet Hoda El Mahgoub das Verbindungsbüro der Freien Universität in Kairo

15.05.2018

Hoda El Mahgoub bei ihrem Besuch des Präsidiums der Freien Universität.

Hoda El Mahgoub bei ihrem Besuch des Präsidiums der Freien Universität.
Bildquelle: Sören Maahs

Weltweit betreibt die Freie Universität sieben Verbindungsbüros, um ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der internationalen Vernetzung zu unterstützen. Das Büro in Kairo ist 2010 mit dem Ziel aufgebaut worden, den Studierendenaustausch und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität und den Hochschulen in Ägypten zu stärken und in der Region zu erweitern – dazu zählen Jordanien, der Libanon, die Golfstaaten, zum Teil auch Marokko, Algerien und Tunesien. Hoda El Mahgoub folgt auf Florian Kohstall, der das Büro seit der Gründung geleitet hat. „Ich habe ein gutes Netzwerk übernommen, das ich weiter ausbauen möchte“, sagte die Pharmazeutin bei ihrem Besuch des Präsidiums der Freien Universität.

Nach ihrem Pharmaziestudium an der Kairo Universität war El Mahgoub zehn Jahre lang bei der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer tätig und stand schon dort in engem Kontakt mit deutschen Institutionen. Mit der neuen Aufgabe wagte sie den Sprung aus der Wirtschaft in die Wissenschaft: „Bildung kann das Leben verändern“, ist El Mahgoub überzeugt. Großen Wert legt die Deutsch-Ägypterin auf eine stärkere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft; sie möchte daher ein bestehendes Manko, nämlich den mangelnden Innovationstransfer zwischen Forschung und Markt, in Angriff nehmen.

Geboren wurde Hoda El Mahgoub 1982 im nordrhein-westfälischen Dorsten, nachdem ihr Vater in Göttingen Medizin studiert hatte. Bis zum Eintritt in die fünfte Klasse lebte sie daraufhin in Deutschland. Die Schriftsprache ihrer Eltern erlernte sie im wöchentlichen Arabischunterricht. Dass sie von Kindesbeinen an zweisprachig aufgewachsen ist, empfindet sie als Bereicherung: „Ich habe zwei Muttersprachen und fühle mich im Deutschen und Arabischen gleich wohl.“ Nachdem Hoda El Mahgoub mit ihrer Familie im Jahr 1993 nach Ägypten zurückkehrte, machte sie ihr Abitur an einer deutschen Schule. Heute wachsen ihre Kinder ebenfalls bilingual auf und besuchen, wie ihre Mutter damals, eine deutsche Schule in Kairo.

Weil über die Sprache auch Werte, Traditionen und Verhaltensregeln vermittelt werden, hat Hoda El Mahgoub ganz nebenbei den sensiblen Umgang mit beiden Kulturen erworben – was ihrer Arbeit als Leiterin des Verbindungsbüros nur zugutekommen kann. „Ich arbeite in zwei Ländern gleichzeitig, was bedeutet, immer wieder auf die verschiedenen Mentalitäten und Temperamente eingehen zu müssen.“ In Deutschland seien etwa „formelle Business-Etikette und ständiges Händeschütteln“ ausgeprägt. In Ägypten lauere da bereits bei der Begrüßung der Fauxpas: Beim Händegeben brauche es ein bisschen Taktgefühl, um herauszufinden, ob das Händeschütteln erwünscht sei oder nicht. Gleichwohl billige man in Ägypten Ausländern im Allgemeinen ein größeres Maß an Freiheit zu, Deutsche im Besonderen genössen sogar einen „Spezialbonus“. Mit etwas Offenheit und Neugierde könne deshalb jeder Deutsche schnell heimisch werden in Ägypten.

Beherrsche man erstmal die drei ägyptischen Schlüsselbegriffe – inshallah („so Gott will“), bukra („morgen“) und malesh („macht nichts“) –, stehe einem gelungenen Anfang nichts mehr im Weg. Das Begriffstrio passe bei allen erdenklichen Gelegenheiten, sagt Hoda El Mahgoub: Erreicht der Bus in drei Stunden sein Ziel? Inshallah. Kommt der Klempner heute nicht? Bukra. Hat der Studierende die Prüfung versemmelt? Malesh.

Sympathisch und warmherzig seien die Menschen in Ägypten, Gelassenheit und Spontaneität kennzeichneten ihr Miteinander, sagt El Mahgoub. In Deutschland begegne sie leider regelmäßig Vorurteilen, zu deren Abbau sie gern beitragen möchte. „Die Erste-und-Dritte-Welt-Dichotomie äußert sich in Fragen wie ‚Kann man da überhaupt hinfahren? Ist das nicht gefährlich?‘“ Aber sobald die Menschen Kairo kennengelernt hätten – nicht zuletzt, wenn sie aus dem spätwinterlichen Berlin kommend in der sanften Nachtmittagswärme einen Schwarztee mit Minze genössen – verflögen die Vorbehalte von allein. „Das Schwierige ist, die Menschen erst einmal zur Reise nach Ägypten zu bewegen.“

Nicht nur in der Kultur, auch im Hochschulsystem beider Länder gebe es Unterschiede. Mehr als die Hälfte der Ägypterinnen und Ägypter ist jünger als 25 Jahre, wodurch der Anteil der studierfähigen Bevölkerung sehr hoch sei: In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Zahl der Studierenden fast verdoppelt – und wächst weiter. Einer der größten Unterschiede zu Deutschland sei deswegen die schiere Größe der Bildungseinrichtungen, mehrere ägyptische Hochschulen gehörten zu den größten der Welt. Allein an der Kairo Universität, der zweitgrößten Hochschule Afrikas, sind 280.000 Studierende eingeschrieben. Das Studium an den staatlichen Hochschulen ist grundsätzlich kostenfrei, pro Jahr belaufen sich die Unkosten für Lehrmaterialien pro Studentin oder Student auf 500 ägyptische Pfund (ca. 23 Euro). Allerdings gebe es ein großes Missverhältnis zwischen der großen Zahl von Absolventen und den vorhandenen Erwerbsmöglichkeiten: „Ein abgeschlossenes Studium ist in Ägypten längst kein Jobgarant“, sagt Hoda El Mahgoub.

Vielen Ägypterinnen und Ägyptern fehlten für ein Auslandsstudium die finanziellen Mittel. Das Verbindungsbüro vermittelt deswegen fachlich besonders aussichtsreiche Doktoranden mit Förderungsbedarf nach Deutschland. Umgekehrt sind auch die ägyptischen Hochschulen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität besonders attraktiv. So fänden sich in Ägypten beispielsweise in der Veterinärmedizin, der Meteorologie, Archäologie und Arabistik Bedingungen für Forschungsthemen, für die es in Deutschland keine Anschauung gibt. So führte beispielsweise der Ägyptologe Jochem Kahl von der Freien Universität gemeinsam mit der Universität Sohag Ausgrabungen in der altägyptischen Nekropole von Assiut aus. Zurzeit arbeitet die Meteorologieprofessorin Sahar Sodoudi von der Freien Universität zusammen mit der Kairo Universität und der Aswan Universität an einem Projekt zur Einrichtung von Urban Climate Labs für eine nachhaltige und klimawandelorientierte Stadtplanung. Mittlerweile wurde das Projekt auf insgesamt fünf weitere Hauptpartneruniversitäten in Ägypten und Oman ausgeweitet, mehrere Climate Labs wurden sogar schon eröffnet.

Hoda El Mahgoubs Vorgänger Florian Kohstall leitet inzwischen die Initiative Welcome@FUBerlin, die geflüchteten Menschen hilft, ein Studium an der Freien Universität aufzunnehmen oder fortzusetzen. Mit Ägypten und der Region wird er als Verantwortlicher für Nahost und Nordafrika im Center for International Cooperation weiter verbunden bleiben. Den Leitungswechsel im Kairoer Büro sieht er positiv: „Hoda bringt frischen Wind in die Zusammenarbeit mit den ägyptischen Hochschulen und wird die wichtigen Beziehungen mit Ägypten weiter ausbauen.“