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Biomoleküle beobachten und wiegen

Der Chemiker Philipp Kukura wurde für seine Revolutionierung der Lichtmikroskopie mit dem Klung-Wilhelmy-Wissenschaftspreis ausgezeichnet

12.12.2018

Es passiert nicht allzu oft, dass eine Erfindung ein jahrtausendealtes Verfahren revolutioniert. Vor 5000 Jahren erfand die Menschheit die Waage, um das Gewicht von Gegenständen zu messen. Vor genau 100 Jahren wurde das Massenspektrometer entwickelt, um die Masse von Molekülen zu bestimmen. Dank Philipp Kukura, Chemieprofessor an der University of Oxford, gibt es nun eine neue Messmethode. Sie erlaubt es, einzelne Biomoleküle per Licht und bei Raumtemperatur in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und anhand der Bilder sogar die Masse der Moleküle zu bestimmen. „Ich muss ein Molekül nur anschauen, und ich weiß, wieviel es wiegt“, sagt der Wissenschaftler. Kukura hat also nicht nur die Lichtmikroskopie revolutioniert, sondern auch das Messen neu erfunden.

Christian Luft (Staatssekretär im BMBF), Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Dr.-Ing. Lothar Wilhelmy (Dr. Wilhelmy-Stiftung), Preisträger Prof. Dr. Philipp Kukura, Peter Lange (Otto-Klung-Stiftung) und Prof. Dr. Eckart Rühl (v.l.n.r.)

Christian Luft (Staatssekretär im BMBF), Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Dr.-Ing. Lothar Wilhelmy (Dr. Wilhelmy-Stiftung), Preisträger Prof. Dr. Philipp Kukura, Peter Lange (Otto-Klung-Stiftung) und Prof. Dr. Eckart Rühl (v.l.n.r.)
Bildquelle: Peter Himsel

Für diese herausragende Leistung wurde der Chemiker am 22. November an der Freien Universität Berlin mit dem Klung-Wilhelmy-Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Überreicht wurde der Preis von Peter Lange, ehemaliger Kanzler der Freien Universität und Vertreter der Otto-Klung-Stiftung, und Lothar Wilhelmy, Gründer der Dr. Wilhelmy-Stiftung. Mit 60.000 Euro ist die Auszeichnung einer der höchstdotierten privaten Wissenschaftspreise Deutschlands. Ausgewählt werden die Preisträger im jährlichen Wechsel von ständigen Kommissionen am Institut für Chemie und Biochemie sowie am Fachbereich Physik der Freien Universität. Dieses Jahr war die Kommission für Chemie unter Vorsitz von Professor Eckart Rühl an der Reihe. Die Tatsache, dass fünf der bisherigen Preisträger später einen Nobelpreis erhielten, zeigt, wie erfolgreich die Kommissionen arbeiten.

Neue Methode ist revolutionär

Die Redner des Abends machten in ihren Vorträgen deutlich, welch enorme Bedeutung Kukuras neuartige Visualisierungsmethode für die Forschung hat. „Mit dem einfachen Lichtmikroskop ist bestenfalls nur eine 1000-fache Vergrößerung möglich“, sagte Professor Martin Lohse, Vorstandsvorsitzender des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin.

Um mehr zu sehen, nutzten die Wissenschaftler zurzeit den Effekt der Fluoreszenz und färbten die Objekte ein. „Wir sehen mit dieser Methode also nicht die Dinge selbst, sondern den Farbstoff“, sagte Lohse. Aber auch dieses Verfahren habe seine Grenzen. Philipp Kukuras Entwicklung komme ohne derartige farbliche Markierungen aus.

Prinzip Suchbild

In seinem anschaulichen Vortrag machte der Preisträger deutlich, warum das Sichtbarmachen von Molekülen so schwierig ist: Das Größenverhältnis von Molekül zu Mensch gleiche dem von Mensch zu Sonne. Lange habe die Meinung vorgeherrscht, Moleküle könnten mit Licht nicht sichtbar gemacht werden. „Dieses Dogma wollten wir brechen“, sagte Kukura.

Anhand eines Suchbildes für Kinder zeigte Kukura, wie seine Mikroskopie funktioniert: Hat man nur ein Bild, ist es kaum möglich, darin ein winziges gesuchtes Objekt schnell zu finden. Vergleicht man dagegen im Zeitraffer zwei Bilder derselben Region im Wechsel – einmal mit und einmal ohne das gesuchte Objekt –, fällt der kleine Unterschied deutlicher ins Auge und das Entdecken leichter. Kukuras Entwicklung funktioniert nach demselben Prinzip. Durch die Unterdrückung des Hintergrundlichtes wird die Lichtstreuung einzelner Biomoleküle sichtbar. Die Lichtintensität der Moleküle wiederum wächst im gleichen Verhältnis wie deren Masse – was die Grundlage für das neue Mess-Verfahren ist.

Außerdem, erklärte Philipp Kukura, ließen sich nun auch Wechselwirkungen von Biomolekülen beobachten. Das helfe zum Beispiel beim Verstehen der Wirkungsweise von Banana Lectin, einem aus Bananen gewonnenen Wirkstoff zur Bekämpfung von HIV. „Aus diesem Grund glauben wir, dass dieses Verfahren revolutionär ist“, sagte Kukura.

Universitätspräsident Günter M. Ziegler hielt ein Grußwort.

Universitätspräsident Günter M. Ziegler hielt ein Grußwort.
Bildquelle: Peter Himsel

Lob für Unternehmensgründung

Für Christian Luft, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, hat Kukuras Entwicklung das Potenzial, in ein paar Jahren zum Standardwerkzeug der Chemiker zu gehören. Kukura, der eine Firma gegründet hat, um seine Spezial-Mikroskopie zu verbreiten, habe mit der Unternehmensgründung eine „wichtige Brücke von der Forschung zur Anwendung“ geschlagen.

Professor Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, betonte, die jährliche Vergabe des Klung-Wilhelmy-Wissenschaftspreises an einen hochqualifizierten jungen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin sei „die folgerichtige Fortsetzung unserer strategischen Nachwuchsförderung“. Die Freie Universität werde den weiteren Werdegang Philipp Kukuras genau verfolgen – auch deshalb, weil die Universitäten in Berlin und Oxford künftig enger zusammenarbeiten wollten. Ob der Preisträger allerdings dem Appell von Stifter Lothar Wilhelmy folgen und seinen Arbeitsplatz wieder nach Deutschland oder sogar nach Berlin verlegen wird, ließ dieser am Abend der Preisverleihung offen.

Unter den Gästen des Abends befand sich auch Peter Lizák, der slowakische Botschafter in Deutschland. Der Name Kukura ist in der Slowakei nicht unbekannt: Philipp Kukuras Vater, Juraj Kukura, ist ein berühmter slowakischer Schauspieler, der auch in vielen deutschen Produktionen mitgewirkt hat.