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Ein Leben mit der Freien Universität

Matthias Dannenberg hat an der Freien Universität studiert, war dort wissenschaftlicher Mitarbeiter, Verwaltungsleiter und schließlich Ständiger Vertreter der Kanzlerin. Jetzt hat er sich in den Ruhestand verabschiedet.

05.04.2019

Nach mehr als 36 Jahren an der Freien Universität im Ruhestand: Dr. Matthias Dannenberg.

Nach mehr als 36 Jahren an der Freien Universität im Ruhestand: Dr. Matthias Dannenberg.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Verwaltungsleiter stellt man sich ordnungsliebend vor. Matthias Dannenberg sagt, er möge an Berlin auch, dass es „in vielerlei Hinsicht nicht so gut organisiert ist“. Denn: „Unordnung hat etwas Faszinierendes – weil es dann auch darum geht, sich selbst zu organisieren.“ Der promovierte Germanist, langjährige Verwaltungsleiter der Fachbereiche Germanistik sowie später Philosophie und Geisteswissenschaften und zuletzt Ständige Vertreter der Kanzlerin, liebt, so scheint es, die Herausforderung.

Von einer Insel auf die andere

Etwa im Wintersemester 1972/73: der Umzug von Sylt, wo er aufgewachsen ist, nach West-Berlin, von Westerland nach Dahlem zum Studium an der Freien Universität. So groß sei der Unterschied dann aber doch nicht gewesen, „West-Berlin war ja auch eine Insel“, lacht er. Damals ahnte er noch nicht, dass er der Freien Universität bis zu seinem Ruhestand treu bleiben sollte. Abgesehen von zwei Auslandsaufenthalten in Québec und Dijon sowie dem Referendariat am Beethoven-Gymnasium in Berlin-Lankwitz sei er „durchgehend präsent an der Freien Universität“ gewesen, sagt er – und es klingt ein bisschen stolz.

Matthias Dannenberg studierte Germanistik, Romanistik, Geschichte und Philosophie, wollte eigentlich Lehrer für Deutsch und Französisch werden. Aber nach dem zweiten Staatsexamen trat er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am damaligen Fachbereich Germanistik an. Nach seiner Promotion 1991 über Friedrich Schlegel – seine Arbeit hatte den Titel „Schönheit des Lebens“ – wurde er zunächst Verwaltungsleiter desselben Fachbereichs. Dass er doch nicht Lehrer wurde, findet er im Nachhinein gar nicht so überraschend: „Ich habe mich schon immer stark für Verwaltungszusammenhänge interessiert und halte es für wichtig zu wissen, wie Administration funktioniert.“

„Ein wichtiges Element inneruniversitärer Demokratie"

Die Verwaltung einer Universität sei eine entscheidende Gelenkstelle, „ein wichtiges Element inneruniversitärer Demokratie“. Bei Konflikten zwischen Wissenschaft und Verwaltung müsse sie vermitteln zwischen allen Statusgruppen – den Professorinnen und Professoren, dem Mittelbau, den Studierenden und den Verwaltungsangestellten.

Zu Beginn seiner Tätigkeit sei er „für alles zuständig gewesen, von der Bleistiftbestellung bis hin zu Berufungsangelegenheiten“. Die Übernahme des Verwaltungsleiteramtes fiel in eine bewegte Zeit: die Jahre nach dem Mauerfall. Berlin hatte mit enormen Haushaltsproblemen zu kämpfen, die auch in der veränderten Bildungslandschaft der Stadt deutlich wurden: die West-Berliner Universitäten mussten zugunsten der Humboldt-Universität Stellen abbauen, ihre Etats wurden gekürzt. „Die Freie Universität kämpfte um ihre Existenz“, sagt Matthias Dannenberg. Regelrechte „Abwehrschlachten“ habe sie gegen den Berliner Senat geführt, der ihr Personal halbieren wollte. Wegen der von der Politik beschlossenen Kürzungen musste Dannenberg auch an seinem Fachbereich stark eingreifen. Es sei zu intensiven Konflikten und heftiger Kritik gekommen. Wie er darauf reagiert habe? „Manches ist nicht in den Kleidern steckengeblieben. Ein dickes Fell ist notwendig, aber nicht immer vorhanden.“

„Es muss nicht immer alles ganz geradlinig sein“

Weitgreifende Umstrukturierungen fielen nochmals an dem 1999 neu gebildeten Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, dessen Verwaltungsleiter Dannenberg wurde, zum Beispiel durch die Umsetzung der Bologna-Reform an. Die damit einhergehende Umstellung der Diplom- und Magisterstudiengänge auf Bachelor und Master sei von vielen Seiten kritisiert worden, er sieht sie positiv. Für viele Studierende sei eine klare Struktur wichtig, weil sie es ihnen erlaube, sich besser zu organisieren.

Er selbst habe erst in der Mitte seines Studiums verstanden, dass es nicht reiche, nur das Nötigste zu machen. „Ich hatte mir mit dem Umschalten Zeit gelassen – das geht heute eigentlich nicht mehr. Jetzt müssen die Studierenden von Anfang an powern.“ Dennoch lasse auch der Bachelor oder Master Freiheiten zu, etwa Auslandsaufenthalte mithilfe der Austauschprogramme der Freien Universität oder Praktika nach dem ersten Abschluss – „es muss nicht immer alles ganz geradlinig sein“. Auch seinen eigenen Lebenslauf empfindet er so: „Ein etwas gewundener Weg mit unterschiedlichen Tätigkeiten ist nicht immer das Schlechteste.“

„Es ist wichtig zu signalisieren, dass man die Situation der anderen versteht"

Seit 2014 war Matthias Dannenberg schließlich als Ständiger Vertreter zunächst des ehemaligen Kanzlers Peter Lange, dann von dessen Nachfolgerin Andrea Bör tätig. Das Alltagsgeschehen auf der Präsidiumsebene sei noch umfangreicher und zeitintensiver als in den Fachbereichen, die Interessenausgleichsverhandlungen etwa mit den Beschäftigten des Botanischen Gartens seien eine ganz neue Erfahrung für ihn gewesen, sagt Dannenberg.

Ein „besonders dickes Fell“ habe er dann für die im Frühjahr 2017 begonnenen Tarifverhandlungen für die studentischen Beschäftigten gebraucht. Mehr als ein Jahr wurde unter Federführung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Berlin mit Vertreterinnen und Vertretern aller Berliner Universitäten und Hochschulen, der Gewerkschaften und der studentischen Tarifkommission verhandelt. In seinem Post- und Mailfach habe er zudem unzählige Protestschreiben von Mitgliedern aller universitären Statusgruppen vorgefunden. Die ernstgemeinten habe er alle beantwortet und die jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser zu Gesprächen eingeladen. „Es ist wichtig, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, zu signalisieren, dass man die Situation der anderen versteht, auch wenn man sie nicht immer ändern kann oder eine andere Position vertritt.“

Die Erfolge im Exzellenz-Wettbewerb empfindet er als Höhepunkte seiner Karriere

Seine Reaktion auf manche polemische Zuspitzung von Seiten der Studierenden: „Das gehört dazu.“ Oft sei er durch Offenheit auf größeres Verständnis gestoßen – „nur bei den Betonköpfen natürlich nicht“. Mit den Beschäftigten im Botanischen Garten sei ein für beide Seiten guter Abschluss gefunden worden, die Tarifverhandlungen mit den studentischen Beschäftigten gingen ihm aber nach: Er sei – gerade auch im Interesse der Studierenden – „sehr unzufrieden damit, dass die Arbeitgeberseite nicht durchsetzen konnte, Positionen für studentische Hilfskräfte außerhalb von Forschung und Lehre auch weiterhin ausschließlich mit Studierenden besetzen zu können“.

Nach den kräftezehrenden Umstrukturierungen der Hochschullandschaft in den neunziger Jahren und der sich anschließenden Bologna-Reform empfindet Matthias Dannenberg die Erfolge der Freien Universität im Exzellenzwettbewerb als Höhepunkte seiner Karriere. Der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften schnitt dabei besonders gut ab: Er stellte 2006 zusammen mit dem John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien die erste literatur- und kulturwissenschaftliche Graduiertenschule und im Jahr darauf den bundesweit ersten primär geisteswissenschaftlichen Exzellenzcluster sowie eine literaturwissenschaftliche Graduiertenschule. In der Exzellenzinitiative und dem Nachfolgewettbewerb Exzellenzstrategie waren die Geistes- und Kulturwissenschaften der Freien Universität auch später sehr erfolgreich.

Zeit für Musik, Ehrenamt und die Familie

Nach mehr als 36 Jahren sucht Matthias Dannenberg nun Herausforderungen außerhalb seiner Universität: Er ist frisch gewählter Vorstandsvorsitzender des Beirats für Migration und Integration des Bezirks Steglitz-Zehlendorf; und um die beiden afghanischen Geflüchteten, die er gemeinsam mit seiner Frau betreut, will er sich noch intensiver kümmern. Außerdem wartet seine Familie, für die er jetzt endlich wieder mehr Zeit hat. Und sein Klavier. Eine Freundin aus Marseille habe ihm neulich Noten für eine vierhändige Mozart-Sonate geschickt. Er müsse noch ein wenig üben, bevor sie gut zusammenspielen können.