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Eine Schnittstelle zwischen Indien und Berlin

Nora Naujoks leitet seit November 2019 das Verbindungsbüro der Freien Universität Berlin in Neu-Delhi

14.01.2020

Nora Naujoks will an die Arbeit ihres Vorgängers Stefan Diederich anknüpfen.

Nora Naujoks will an die Arbeit ihres Vorgängers Stefan Diederich anknüpfen.
Bildquelle: Annika Middeldorf

Nora Naujoks freute sich auf Indien. Das bunte Land hat ihr bei ihrem ersten Besuch bereits gut gefallen: Nach dem Studium der Anglistik an der Universität Bonn und dem Erasmus-Mundus-Master „Crossways in European Humanities“ im schottischen St Andrews, in Tübingen und Perpignan in Frankreich hat sie ein halbes Jahr am Goethe-Institut im indischen Chennai gearbeitet. „Das Lebensgefühl dort ist einfach ein anderes“, erinnert sie sich. Auch die Aussicht auf die indische Küche hat sie nicht aus der Ruhe gebracht: Die europäische Zunge sei nun mal bei Schärfe etwas empfindlicher, aber die kulinarische Vielfalt einfach toll, vor allem die Fülle an Früchten. „Und es gibt ja auch immer noch die indischen Süßigkeiten“, schwärmt Nora Naujoks. „Da kann einem nichts passieren.“

Nora Naujoks folgt auf Stefan Diederich, der das Verbindungsbüro von 2017 bis 2019 geleitet hat. „Ich hoffe, da anknüpfen zu können, wo mein Vorgänger aufgehört hat“, erklärt sie. Sie möchte Bestehendes verstetigen und neue Kooperationen schaffen, besonders im Bereich der Geisteswissenschaften.

Kulturelle Zeichen lesen lernen

„Ich war schon während meines Masterstudiums im Ausland, aber Frankreich und Schottland liegen einem als Europäerin ja doch näher, man versteht etwa 80 Prozent der Interaktionen. Indien hingegen wirft einen anfangs erst einmal aus der Bahn.“ Die gesellschaftlichen Strukturen funktionierten anders als in Deutschland, und auch an die vollen Straßen, daran, dass ständig etwas los ist, müsse man sich erst gewöhnen. „Der Kontrast ist extrem“, sagt sie.

Die indische Gesellschaft wird stark bestimmt durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste und Ethnie, dadurch gibt es große Ungleichheit. So sei man in Indien mit Situationen und Bedingungen konfrontiert, die man in Deutschland nicht unbedingt erlebe, Obdachlosigkeit bei Kindern etwa. „Das kann man als Gast aus Deutschland erst mal nur auf sich wirken lassen, weil es eine andere Gesellschaft ist, die nicht so egalitär ist, wie man es von den meisten europäischen kennt.“

Der Anteil der Schulabgänger, die ein Studium aufnehmen, liege aktuell bei etwa 20 Prozent, erklärt Nora Naujoks. Es gebe aber Bemühungen vonseiten der indischen Regierung, diesen Anteil auf 30 und perspektivisch auf 50 Prozent zu steigern.

Universitäre Botschaft im Ausland

Nach ihrem ersten Indienaufenthalt arbeitete Nora Naujoks in Bielefeld und Stralsund im International Office der dortigen Fachhochschulen. Nun freut sie sich darauf, die transnationale Zusammenarbeit auf Forschungsebene für die Freie Universität weiterzubringen. Das Verbindungsbüro sei wie die Botschaft einer deutschen Universität im Ausland: „Es gibt nicht viele solcher Schnittstellen-Positionen. Zwischen den Kulturen zu vermitteln und Menschen zusammenzubringen, finde ich unheimlich spannend und attraktiv.“

Das Verbindungsbüro der Freien Universität in Neu Delhi ist gemeinsam mit Vertretungen anderer Wissenschaftseinrichtungen im Deutschen Haus untergebracht.

Das Verbindungsbüro der Freien Universität in Neu Delhi ist gemeinsam mit Vertretungen anderer Wissenschaftseinrichtungen im Deutschen Haus untergebracht.
Bildquelle: Nora Naujoks

Ihre Aufgabe in Indien sei auch deshalb interessant, weil es in dem Land einen vergleichsweise stark wachsenden Markt mit ganz unterschiedlichen staatlichen und privaten Wissenschaftseinrichtungen und einer sehr großen Zahl an Studierenden gebe. Das Interesse an Deutschland habe sie überrascht, erzählt Nora Naujoks. Am Goethe-Institut habe sie erlebt, wie viele junge Inderinnen und Inder sich darum bemühten, Deutsch zu lernen. Deutschland gelte als starker Wirtschaftsstandort – und als Land, in dem, verglichen mit den USA oder Kanada, Bildung erschwinglich sei.

An indischen Hochschulen stehen meist die Naturwissenschaften im Vordergrund, daher bestünden in diesem Bereich auch viele Partnerschaften mit der Freien Universität.

Leitlinien für eine praktikable und nachhaltige Klimapolitik werden erarbeitet

Ein weiteres Thema, an dem gemeinschaftlich gearbeitet werde, seien die Herausforderungen im Kontext des Klimawandels. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität erarbeiten derzeit beispielsweise gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Indien und den Niederlanden Leitlinien für eine praktikable und nachhaltige Klimapolitik (MCGRN). In diesem Bereich sei künftig mit weiteren Kooperationen zu rechnen, prognostiziert Nora Naujoks, denn Indien kämpfe mit ganz spezifischen Problemen, wie der Feinstaubbelastung: Die Luftverschmutzung in Neu-Delhi etwa sei schlimmer als in Peking.

Darüber hinaus sei insbesondere die Jawaharlal Nehru University (JNU), die als eine der wenigen Hochschulen in Indien einen geistes- und sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt hat, eine wichtige Partnerin der Freien Universität Berlin. „Ich denke, dass es gerade im Bereich der Geisteswissenschaften noch viel Potenzial für Kooperationen gibt, weil das ein Feld ist, das noch nicht alle Hochschulen in der Kooperation mit Indien erschlossen haben und auf dem die Freie Universität von jeher stark ist.“

Persönliche Initiativen sind wichtig

Ausschlaggebend für Kooperationen sei jenseits von Strukturen immer auch das Interesse der beteiligten Personen: „Die Initiative muss auf beiden Seiten von den Hochschulangehörigen ausgehen“, erklärt Nora Naujoks. „Ich werde die Forscherinnen und Forscher, Beschäftigten und Studierenden, die Interesse an einer Kooperation haben, nach besten Kräften in ihren Vorhaben beraten und unterstützen.“