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Der Spleißosom-Versteher

Professor Reinhard Georg Lührmann, einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der RNA-Biochemie, ist von der Freien Universität mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden

30.09.2020

Mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet: Prof. Dr. Reinhard Georg Luehrmann.

Mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet: Prof. Dr. Reinhard Georg Luehrmann.
Bildquelle: Marion Kuka

Eigentlich sei ein Symposium mit großer Feier geplant gewesen, sagt Florian Heyd. Ganz so, wie es zu Reinhard Lührmann passen würde, der in der RNA-Wissenschaftsgemeinschaft höchstes Ansehen genießt und mit unzähligen Forscherinnen und Forschern fachliche und freundschaftliche Kontakte pflegt. „Jetzt sitzen wir hier im kleinen Kreis in unserem größten Hörsaal.“ Der pandemiebedingte Rahmen schmälerte jedoch den freudigen Anlass der Veranstaltung nicht. Strahlend überreichte Florian Heyd, Professor für RNA-Biochemie an der Freien Universität Berlin, dem Kollegen und emeritierten Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen die Urkunde zur Ehrendoktorwürde.

„Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage, dass es auf der Welt niemanden gibt, der das Spleißosom und die Spleißreaktion besser versteht als Reinhard“, betonte Heyd in seiner Rede. Als junger Wissenschaftler war Heyd selbst erst nach Umwegen zum Forschungsgebiet RNA gekommen. „Dabei habe ich erlebt, dass die internationale RNA-Gemeinschaft durch Reinhards Einfluss außergewöhnlich offen und positiv geprägt ist.“ Weltweit hätten Forscherinnen und Forscher von seiner Methodenentwicklung, seiner Begeisterung und seinem unermüdlichen Einsatz profitiert.

Reinhard Georg Lührmann sind maßgebliche Entdeckungen über die molekulare Zusammensetzung, die Arbeitsprinzipien und den atomaren Aufbau des Spleißosoms sowie für das Verständnis der Spleißreaktion zu verdanken. Das Spleißosom ist eine hochkomplexe, dynamische molekulare Maschine im Zellkern von eukaryotischen Zellen. Es katalysiert einen essenziellen Schritt in der Genexpression, das Ausschneiden von Introns (nichtkodierenden Abschnitten) aus der prä-mRNA und das Zusammenfügen von Exons (kodierenden Abschnitten).

Bei dieser als Spleißen bezeichneten Reaktion entsteht die fertige mRNA, die dann in ein Protein umgeschrieben werden kann. Viele Krankheiten sind auf Defekte in der Spleißreaktion zurückzuführen, was die zentrale Rolle des Spleißosoms in der Freisetzung der genetischen Information unterstreicht.

Wirkungsvolle Technologien, ehrgeizige Ziele, strenge Wissenschaft

Die festliche Laudatio für den weltweit führenden Biochemiker kam corona-bedingt aus dem Off: Professor Juan Valcárcel Juárez, Forschungsgruppenleiter am Center for Genomic Regulation und selbst ein weltweit führender RNA Forscher, sprach aus Barcelona zum Publikum, während die Bilder seiner Präsentation über die Leinwand liefen. Der Laudator analysierte unter anderem das Erfolgsrezept Lührmanns: Wirkungsvolle Technologien, ehrgeizige Ziele, strenge Wissenschaft sowie herausragende Mitstreiterinnen, Mitstreiter und Wettbewerber – ganz nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“.

Lührmann habe in seinem Umfeld stets für freien Meinungsaustausch und lebhafte Diskussionen gesorgt und damit die junge Disziplin beflügelt. Seine bahnbrechende Grundlagenforschung habe dazu geführt, dass Erbkrankheiten wie etwa die spinale Muskelatrophie heute besser verstanden und therapiert werden können.

Entdeckungen, Veröffentlichungen und Erfolge stets eine Teamleistung

Sein persönlicher Hintergrund habe ihn nicht unbedingt auf eine Karriere in der Wissenschaft vorbereitet, sagte Reinhard Lührmann in seiner Dankesrede. Er sei auf einem kleinen Bauernhof in der Nähe von Osnabrück aufgewachsen, aber glücklicherweise hätten sich seine Lehrer dafür eingesetzt, dass er in Münster Chemie studieren konnte. Gegen Ende des Studiums entdeckte er die molekulare Biologie für sich und stieg an der Universität Münster in dieses noch junge Forschungsgebiet ein.

Statt wie damals üblich als Postdoc in die USA oder nach England zu gehen, forschte er am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem und habilitierte sich an der Freien Universität Berlin. 1988 übernahm er eine Professur für Biochemie und Molekularbiologie an der Philipps-Universität Marburg und wechselte 1999 als Direktor an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, wo er gegenwärtig eine Emeritusgruppe leitet.

Der Leibniz-Preisträger aus dem Jahr 1996 wurde bereits mit zahlreichen nationalen und internationalen Wissenschaftspreisen sowie mit der Ehrendoktorwürde der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań (Polen) ausgezeichnet. Seine Entdeckungen, Veröffentlichungen und Erfolge, betonte Reinhard Lührmann, seien stets eine Teamleistung gewesen. Neben vielen Kolleginnen und Kollegen bedanke er sich vor allem bei seiner Frau und seiner Familie.