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„KI-Technologie kreativ nutzen wie einen Pinsel“

Stefan Seegerer, Doktorand am Institut für Informatik der Freien Universität, wurde vom BMBF ausgezeichnet: als einer von zehn KI-Newcomern des Jahres

20.05.2021

Will Schülerinnen und Schülern das große Thema Künstliche Intelligenz näherbringen: Informatik-Doktorand Stefan Seegerer.

Will Schülerinnen und Schülern das große Thema Künstliche Intelligenz näherbringen: Informatik-Doktorand Stefan Seegerer.
Bildquelle: Privat

Mit dem Preis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Gesellschaft für Informatik e.V. hatte Stefan Seegerer nicht gerechnet. Der Doktorand, der an der Freien Universität im Bereich Didaktik der Informatik promoviert, erhält die im Rahmen des virtuellen KI-Camps 2021 verliehene Anerkennung für seine Forschung zu künstlicher Intelligenz als Thema und Aufgabengebiet der Informatik-Ausbildung an Schulen. Die Auszeichnung durch eine Fachjury und ein öffentliches Online-Voting verstehe er auch als Auftrag: „KI-Technologien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Deshalb sollte KI schon in der Schule auf dem Stundenplan stehen und damit auch auf dem Ausbildungsplan in der Lehrkräftebildung an der Universität.“

Wenn sich der 28-Jährige an den Informatikunterricht in seiner eigenen Schulzeit erinnert, taucht das eher triste Bild des trägen Roboters Karol auf, der ihm das Programmieren näherbringen sollte.

Das sei sicher nicht der Moment gewesen, der ihn von den vielen Möglichkeiten neuer Technologien überzeugt habe, verrät Stefan Seegerer. Erst in der Oberstufe habe sich sein Interesse verstärkt – vor allem, nachdem ihm bewusst geworden sei, dass ein PC nicht primär Bildschirm sei, sondern vor allem als individuelles Werkzeug für kreative Projekte genutzt werden könne.

Auch wenn der Begriff der künstlichen Intelligenz bereits 1956 zum ersten Mal Erwähnung fand, waren Anwendungsgebiete und Prinzipien von künstlicher Intelligenz im Schulunterricht lange kein Thema. In den 1990er-bis 2000er-Jahren nicht, als Stefan Seegerer zur Schule ging, und auch heute ist Informatikunterricht an weiterführenden Schulen in den meisten Bundesländern noch immer kein durchgängiges Pflichtfach.

Entwicklungen nicht verschlafen

Dabei ist an den Universitäten die Entwicklung von Konzepten für das Thema künstliche Intelligenz im Informatikunterricht in vollem Gange. Mit den Gestaltungsmöglichkeiten dieser Prozesse beschäftigt sich die Arbeitsgruppe an der Freien Universität, der auch Stefan Seegerer angehört: „Unsere Aufgabe ist es, grundlegende Ideen und Prinzipien von KI unabhängig von konkreten Technologien zu identifizieren und Wege zu finden, die Schülerinnen und Schülern aller Altersklassen unkompliziert Zugang ermöglichen.“

Im Rahmen seiner Promotion forscht der Informatikdidaktiker zu Unterrichtskonzepten, dazu, was jede bzw. jeder über KI wissen sollte. Er arbeitet zu digitalen und analogen Lernmaterialen und entwickelt spielerische, visuelle Ansätze für die Vermittlung der zugrundeliegenden Ideen von künstlicher Intelligenz, etwa die verschiedenen Arten wie Maschinen lernen können.

Maschinelles Lernen, der Oberbegriff für die Generierung von Wissen anhand von Erfahrungswerten durch ein künstliches System, basiert auf der Erkennung gewisser Muster und Gesetzmäßigkeiten innerhalb der aufgezeigten Lernbeispiele.

Seinem Doktorvater an die Freie Universität Berlin gefolgt

Nach seinem Lehramtsstudium in Mathematik und Informatik für Gymnasium an der Universität Nürnberg-Erlangen trat Stefan Seegerer zunächst dort eine Doktorandenstelle an. Nach dem Umzug seines Doktorvaters Professor Ralf Romeike an die Freie Universität Berlin vor drei Jahren folgte Seegerer ihm im vergangenen Wintersemester.

Seit einigen Jahren hält Stefan Seegerer auch Vorträge und bietet Workshops für Bildungsträger, Schulen und Unternehmen an. „Es geht darum, den Menschen beim Lernen entgegenzukommen, die Angst vor Technologie abzubauen und ihnen zu vermitteln, dass der Informatikunterricht kreative Entfaltungsmöglichkeiten bietet“, sagt er.

Gerade, weil die Anwendung von künstlicher Intelligenz etwa in Form von Sprachassistenten oder beim Online-Shopping bereits zur Lebensrealität vieler gehört – insbesondere bei der Generation, die gerade noch die Schulbank drückt – müsse der Informatikunterricht in Schulen ausgeweitet und überall als Pflichtfach eingerichtet werden, so der Informatikdidaktiker.

Für den Menschen gemacht

Auch das diesjährige KI-Camp bildete in fünf unterschiedlichen Kategorien der Wissenschafts- und Kreativbranche die große Bandbreite an Projekten ab, in denen KI-Technologie eingesetzt wird: Der Einsatz von Algorithmen in Kunstkompositionen oder das maschinelle Lernen zur Diagnostik in der medizinischen Praxis sind nur Beispiele.

Für Stefan Seegerer, der die Informatik- und Bildungsperspektive im Blick hat, bestätigte sich im Austausch mit anderen Newcomerinnen und Newcomern einmal mehr, worin für ihn die Faszination liegt: „Die Technologie der KI lässt sich wie ein Werkzeug nutzen, etwa ein Pinsel. Sie ist für den Menschen gemacht, er sollte sie kreativ und individuell nutzen.“

Basteln mit Smartphone, Pappe, Filz und Knöpfen

Aus seinen Erfahrungen in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern und auch durch die Weiterbildung mit Lehrkräften weiß er, dass ein gewisses Grundverständnis von KI notwendig ist, um den Bereich „zu entmystifizieren“ und die Auswirkungen, Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Welt einschätzen zu können.

Neben der Neugier, wissen zu wollen, wie es funktioniert, die die meisten Schülerinnen und Schüler ohnehin mitbringen, trägt ein fundierter Informatikunterricht dazu bei, die technischen Entwicklungen in der Welt partizipativ mitzugestalten.

Angespornt davon, die Wahrnehmung von KI-Technologie als Pinsel künftig für noch mehr Menschen erfahrbar zu machen, arbeitet Stefan Seegerer aktuell an einem Projekt zur praktischen Anwendung: nur mithilfe eines Smartphones und beliebigem Bastelmaterial wie Pappe, Filz und Knöpfen seinen eigenen virtuellen Assistenten zu erschaffen!

Weitere Informationen

Die Auszeichnung fand im Rahmen des virtuellen KI-Camps 2021 statt, der internationalen Forschungs-Convention des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Gesellschaft für Informatik e.V. In fünf Bereichen – Informatik, Natur- und Lebenswissenschaften, Technik- und Ingenieurwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Kunst – wurden jeweils zwei Talente ausgezeichnet.