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Wichtige Stimme der afrodeutschen Literatur

Der Nachlass von May Ayim, Dichterin, Pädagogin und Aktivistin, liegt im Archiv der Freien Universität Berlin

24.02.2023

May Ayim (re.) lernte in West-Berlin die US-amerikanische Schriftstellerin, Wissenschaftlerin und Aktivistin Audre Lorde kennen, die damals eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin innehatte.

May Ayim (re.) lernte in West-Berlin die US-amerikanische Schriftstellerin, Wissenschaftlerin und Aktivistin Audre Lorde kennen, die damals eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin innehatte.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Afrodeutsch – so bezeichnen und verstehen sich heute viele Schwarze Menschen in Deutschland. Maßgeblich geprägt hat den Begriff die Dichterin, Pädagogin und Aktivistin May Ayim. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der Schwarzen Community in der Bundesrepublik. Im Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin ist nahezu ihr kompletter Nachlass für die Öffentlichkeit zugänglich. 

In den 1980er und 1990er Jahren hat May Ayim immer wieder auch an der Freien Universität gewirkt: So hat sie 1986 den Forschungsschwerpunkt „Geschlechterrollen und weibliche Identität im Wandel“ am damaligen Fachbereich Politische Wissenschaft mitkonzipiert; 1987 hat sie am Projekt „Identitätsbildung afro-deutscher Frauen auf dem Hintergrund gesellschaftspolitischer und kultureller Einflüsse“ mitgearbeitet und im Wintersemester 1992/1993 ein Seminar zum Thema „Antirassismus – Persönliche Bewusstseins- und Politische Bildungsarbeit“ am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I gegeben.

„Wir können der Öffentlichkeit einen umfassenden Blick über den persönlichen, wissenschaftlichen und literarischen Werdegang May Ayims bieten“, sagt Birgit Rehse, Leiterin des Universitätsarchivs der Freien Universität in Lankwitz. Auf rund sechs laufenden Metern finden sich neben persönlichen Unterlagen – Lebenslauf, Zeugnisse, private Korrespondenz, Mitschriften aus Ausbildung und Studium – Nachweise ihrer Vorträge und Veröffentlichungen sowie die Manuskripte ihrer Gedichte. Auch Unterlagen des Orlanda Frauenverlags, der Werke von May Ayim veröffentlicht hat, liegen im Archiv sowie eine Materialsammlung mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Plakate, Fotografien und Nachrufe. 


Übergabe von May Ayims Abschlussarbeit: Matthia Rischke u. Frau Susanne Hammer (Leiterin und stellv. Leiterin der Schule für Logopädie), Uniarchivleiterin Birgit Rehse, Prof. Dagmar Schultz, Riccarda J. Schneider und Franziska Schülke (v.l.n.r.)

Übergabe von May Ayims Abschlussarbeit: Matthia Rischke u. Frau Susanne Hammer (Leiterin und stellv. Leiterin der Schule für Logopädie), Uniarchivleiterin Birgit Rehse, Prof. Dagmar Schultz, Riccarda J. Schneider und Franziska Schülke (v.l.n.r.)
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Nun ist ein weiteres wichtiges Zeugnis dazugekommen: May Ayims logopädische Abschlussarbeit. Die Arbeit mit dem Titel „Ethnozentrismus und Geschlechterrollenstereotype in der Logopädie“ wurde der Freien Universität im Februar 2023 von der Logopädischen Schule am Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH als Schenkung übergeben. Ausfindig gemacht hatte das Dokument die Literaturwissenschaftlerin und Historikerin Riccarda J. Schneider, die zu afrodeutscher Geschichte forscht. „May Ayim hat sich auf ganz vielfältige Weise mit Sprache auseinandergesetzt“, sagt sie.

May Ayim lehrte an der Freien Universität

May Ayim wurde 1960 in Hamburg als Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers geboren. Im Jahr 1984 zog sie nach West-Berlin, wo sie unter anderem die bedeutende US-amerikanische Schriftstellerin, Wissenschaftlerin und Aktivistin Audre Lorde kennenlernte, die damals eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin innehatte. In den folgenden Jahren publiziert Ayim neben wissenschaftlichen Arbeiten zunehmend auch Gedichte. Sie beginnt ihre Ausbildung als Logopädin und erhält auch einen Lehrauftrag an der Freien Universität. Sie ist Mitgründerin der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Gemeinsam mit Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz gibt sie außerdem den Band „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ heraus, der heute als Klassiker der afrodeutschen Literatur gilt. Im Jahr 1996, mit nur 36 Jahren, nimmt sie sich nach einer psychotischen Krise das Leben.

Die Soziologin und Filmemacherin Dagmar Schultz, die den Nachlass nach May Ayims Tod betreute, übergab ihn im Jahr 2015 der Freien Universität als Schenkung. Nach einer aufwendigen Aufbereitung ist er im Universitätsarchiv für die Öffentlichkeit zugänglich; auch der Nachlass aus den „Berliner Jahren“ von Audre Lorde ist dort zu finden. Darunter etwa Audioaufnahmen von drei Seminaren, die die Dichterin in den 1980er Jahren an die Freie Universität gegeben hat. „Die Nachlässe von May Ayim und Audre Lorde werden im Universitätsarchiv rege frequentiert“, sagt Birgit Rehse. „Es sind bedeutende Dokumente Schwarzer Geschichte in Deutschland.“