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Podcast „unter 3“: Zwischen Tagespolitik und Grundsatzdiskussion

In der 100. Folge sprachen Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin und Journalist Erhard Scherfer mit Bundeskanzler Olaf Scholz

31.05.2024

Waren 45 Minuten im Gespräch: Bundeskanzler Olaf Scholz (M.), Prof. Dr. Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin (l.) und Erhard Scherfer, Parlamentskorrespondent des TV-Senders Phoenix (r.).

Waren 45 Minuten im Gespräch: Bundeskanzler Olaf Scholz (M.), Prof. Dr. Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin (l.) und Erhard Scherfer, Parlamentskorrespondent des TV-Senders Phoenix (r.).
Bildquelle: phoenix / Jochen Zick

Seit 2019 moderiert Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, gemeinsam mit dem Journalisten Erhard Scherfer, phoenix-Parlamentskorrespondent, den Podcast „unter 3“. Zur 100. Folge war das Duo mit dem Bundeskanzler im Gespräch.

Herr Professor Faas, wie kam es, dass der Bundeskanzler bei „unter 3“ war?

Wir hatten das Glück, dass Olaf Scholz schon einmal bei uns zu Gast war, damals noch als Finanzminister. Er war damals aber auch schon SPD-Kanzlerkandidat. Also haben wir ihn gefragt, ob er uns nochmal die Ehre erweisen würde, wenn er die Wahl gewinnt. Das hat er auf die Scholz’sche Art mit einem knappen „Jo“ beantwortet. Er stand also bei uns im Wort – und das hat er nun auch gehalten.

Wie haben Sie den Kanzler erlebt?

Es war für mich spannend, einmal aus nächster Nähe zu beobachten, was das alles mit sich bringt, wenn der Bundeskanzler zu einem Termin erscheint. Da kommen erst einmal Sprengstoffhunde und ein großer Sicherheitsapparat vorbei. Man sagt Politikerinnen und Politikern ja manchmal nach, dass sie in einer Blase leben. Dieser Eindruck bestätigt sich in einer solchen Situation – aber aus Sicht des Betroffenen ganz unfreiwillig: Permanent abgeschirmt zu sein, das bringen manche Positionen einfach mit sich.

Ansonsten wirkte der Kanzler auf mich sehr aufgeräumt – das ist ja bei dieser Weltlage durchaus bemerkenswert. Wir haben rund 45 Minuten gesprochen, hatten also auch vergleichsweise viel Zeit. Und so kann man dann auch einmal einen Gedanken entwickeln, Dinge hinterfragen oder erklären und einfach auch etwas lernen.

Das ist letztlich auch genau das, was wir mit unserem Podcast erreichen wollen. Wir wollen raus aus einer manchmal eher ritualisiert wirkenden Kritik am politischen Gegner oder auch an Politik insgesamt, stattdessen hin zu einem offenen Gespräch. Wir wollen auch einfach Wertschätzung für Politik vermitteln.

Wie gelingt Ihnen das?

Das Konzept von „unter 3“ ist, dass wir Politik aus drei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Erhard Scherfer, mit dem ich den Podcast gemeinsam moderiere, ist Journalist und langjähriger phoenix-Parlamentskorrespondent. Ich selbst bin Politikwissenschaftler. Und unsere Gäste stammen in der Regel aus der politischen Praxis.

Das sind drei sehr unterschiedliche Sichtweisen, die da aufeinandertreffen, obwohl es für alle Beteiligten tagtäglich um Politik geht. Das Besondere ist, dass wir in unseren Gesprächen beständig zwischen diesen Perspektiven wechseln. Tagespolitische Debatten wechseln sich bei uns mit akademischen Reflexionen ab. Man kommt auch mal auf eine grundsätzlichere Ebene. Und ich denke, Politikerinnen und Politiker schätzen das, wenn sie nicht nur kurze Einspieler für die Abendnachrichten liefern müssen oder sich in konfrontativen Formaten behaken, sondern Raum für Austausch da ist.

Wie ist das für Sie als Wissenschaftler, an einem solchen Format teilzunehmen?

Es ist gut und wichtig, dass es eine kritische Distanz zwischen dem politischen Betrieb und der Wissenschaft gibt. Aber natürlich hilft auch der Austausch. Man lernt viel im persönlichen Kontakt, ich nehme aus jedem Gespräch etwas mit. Und natürlich ist es spannend, Menschen aus der Praxis mit politikwissenschaftlichen Thesen zu konfrontieren.

Beispielsweise gilt seit jeher in der Politikwissenschaft der Glaubenssatz, dass Abgeordnete, die ein Direktmandat im Wahlkreis gewinnen, unabhängiger als Listenkandidaten agieren können. Das hat allerdings bisher jeder Fraktionsvorsitzende oder parlamentarische Geschäftsführer, mit dem ich darüber gesprochen habe, zurückgewiesen. Vielleicht wollen sie es bloß nicht zugeben – vielleicht sollte man die These aber auch mal überdenken.

Die nächste Folge Ihres Podcasts wird am 7. Juni ausgestrahlt. Wen werden Sie dieses Mal zu Gast haben?

Das ist der Freitag vor der Europawahl, und darauf wollen wir natürlich unbedingt Bezug nehmen. Tatsächlich haben wir dieses Mal eine Kollegin aus der Wissenschaft eingeladen. Zu Gast wird Thu Nguyen sein. Sie ist stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre und eine renommierte Europaforscherin. Frau Nguyen setzt sich insbesondere mit der Frage auseinander, wie die Europäische Union institutionell reformiert werden kann. Wir werden in dem Gespräch mit ihr sicherlich tief eintauchen in die wichtigsten Fragen, die Europa an diesem Wahlwochenende und darüber hinaus umtreiben.

Die Fragen stellte Dennis Yücel

Weitere Informationen

Die nächste Folge von "unter 3" läuft am 7. Juni 2024. Dann sind Thorsten Faas und Erhard Scherfer im Gespräch mit Thu Nguyen, stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre und renommierte Europaforscherin.

Zu finden sind alle Folgen des Podcasts unter phoenix.de, in der ARD-Audiothek sowie auf nahezu allen Plattformen wie Spotify oder iTunes, auf denen es Podcasts gibt.